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ASCO 2016 – 52nd Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 3. bis 7. Juni 2016
Kastrationsresistentes, metastasiertes Prostatakarzinom (CRPC)
Chemotherapeutische Strategien werden optimiert
Nachdem die Hinauszögerung der Chemotherapie eines der Ziele der neuen, gegen den Androgenrezeptor-(AR-)gerichteten Therapien gewesen ist, erleben die Taxane für den frühen Einsatz wieder eine Renaissance. Die Dosierungen und Sequenzen von Docetaxel und Cabazitaxel stehen derzeit unter Evaluation. Beim ASCO-Kongress 2016 wurden einige Fragen zur optimierten Anwendung der Chemotherapien beantwortet.
Kontinuierliche versus intermittierende Docetaxel-Therapie
Die kontinuierliche Docetaxel-Therapie beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) führt zu kumulativen Toxizitäten und im Krankheitsverlauf zu Resistenzen gegenüber Taxanen. Im Jahr 2005 wurde daher die Phase-III-Studie PRINCE begonnen, in der chemotherapienaive Patienten, randomisiert nach 12 Wochen Behandlung, die Therapie bis zum Tumorprogress unterbrachen (intermittierende Therapie) oder kontinuierlich bis zum Progress weiterbehandelt wurden. Alle Patienten erhielten nach Wahl des behandelnden Arztes 35 mg/m2 Docetaxel wöchentlich oder 70 mg/m2 dreiwöchentlich. Der primäre Studienendpunkt war die Nichtunterlegenheit der intermittierenden versus die kontinuierliche Therapie bezüglich des 1-Jahres-Gesamtüberlebens. Aufgrund der schlechten Rekrutierung der Studie konnten zwischen 2005 und 2008 nur 187 Studienteilnehmer eingeschlossen werden – 45% weniger als geplant. Die Patienten waren median 70 Jahre alt und hatten einen guten Allgemeinzustand. In beiden Studienarmen wurden median 5 bis 6 Zyklen Docetaxel gegeben, mit einer kumulativen Dosis von median 368,16 mg/m2 im intermittierenden Arm versus 444,2 mg/m2 im kontinuierlichen Arm.
PFS unter intermittierender Gabe deutlich länger Nach einem Jahr lebten 78% der Patienten im intermittierenden Arm und 75% unter kontinuierlicher Gabe. Damit wur-
den die Kriterien für die Nichtunterlegenheit bezüglich des primären Endpunkts (mit einem p-Wert von p = 0,0215) erfüllt. Eine Nichtunterlegenheitsanalyse des gesamten Gesamtüberlebens (OS) zeigte einen Vorteil der kontinuierlichen gegenüber der intermittierenden Therapie. Das mediane Gesamtüberleben betrug 18,3 versus 19,3 Monate (HR = 1,14; p = 0,535). Das progressionsfreie Überleben (PFS) war hingegen mit einer Hazard Ratio von 0,69 und einem Durchschnitt von 10,0 versus 5,4 Monate im intermittierenden Studienarm sogar nahezu «überlegen» (p = 0,077). Es wurde kein Unterschied in der Toxizität der beiden Schedules festgestellt. Als die PRINCE-Studie 2005 gestartet wurde, war die Fülle der heutigen Therapieoptionen nicht verfügbar, so die Autoren. Es erscheine aber als sicher, den Patienten heute eine intermittierende Docetaxel-Therapie anzubieten.
Höhere Ansprechraten durch frühen TaxanWechsel
Die TAXYNERGY-Studie untersuchte die Optimierung der Chemotherapie durch einen frühen Wechsel von Docetaxel (z.B. Taxotere®) zu Cabazitaxel (Jevtana®) oder vice versa sowie die zirkulierenden Tumorzellen als prädiktive Biomarker. 63 Patienten erhielten 2:1-randomisiert Docetaxel (75 mg/m2) oder Cabazitaxel (25 mg/m2). Wurde der PSA-Wert nach 4 Zyklen um weniger als 30% reduziert, wurde auf das jeweils andere Taxan gewechselt. Der primäre Endpunkt der Studie war die PSA-Ansprechrate, definiert als Reduktion um ≥ 50% ab Studienbe-
ginn. Als co-primärer Endpunkt wurde die Assoziation von zirkulierenden Tumorzellen als Biomarker mit dem Ansprechen oder der Resistenz gegenüber Taxanen untersucht. Die Patienten waren median 71 Jahre alt, hatten mehrheitlich einen ECOG-Performance-Status von 1 bis 2 und in über 50% der Fälle einen Gleason-Score von 8 bis 10. Nahezu 45% der Patienten hatten bereits eine antihormonelle Therapie erhalten. Insgesamt erreichten 35 Studienteilnehmer (55,6%) eine bestätigte PSA-Reduktion ≥ 50%. Damit war der primäre Studienendpunkt erreicht. Im Detail wurden 48,8% der Patienten mit einem PSA-Abfall von ≥ 30% weiterhin mit Docetaxel und 59,1% weiterhin mit Cabazitaxel behandelt. 29,3% der Patienten wechselten wegen einer geringen PSA-Reduktion von Docetaxel zu Cabazitaxel und 13,6% von Cabazitaxel zu Docetaxel. 8 der 15 Patienten, die das Taxan aufgrund des geringen PSA-Ansprechens wechselten, erreichten unter der zweiten Taxan-Therapie eine PSA-Reduktion ≥ 50%. 22,0% versus 27,3% der Patienten beider Studienarme brachen die Therapie vor dem 5. Zyklus ab. In Bezug auf die Auswertung der zirkulierenden Tumorzellen wurde festgestellt, dass die Lokalisation des ARKerns ein Indikator für ein Ansprechen beziehungsweise eine Resistenz gegenüber Taxanen darstellen könnte.
Niedrigere CabazitaxelDosierung ohne OS-Einbussen möglich
Eine weitere Optimierung der Chemotherapie mit Cabazitaxel wurde in der Phase-III-Studie PROSELICA angestrebt, in der die Nichtunterlegenheit von 20 mg/m2 Cabazitaxel gegen 25 mg/m2 geprüft wurde. 1200 mCRPC-Patienten erhielten nach Docetaxel-Versagen dann Cabazitaxel in einer der beiden Dosierungen. Das OS war primärer Studienendpunkt. Die Patienten waren median 68 bis 69 Jahre alt und wiesen zu 90% einen ECOG-PS von 0 oder 1 auf. Zwischen Diagnosestellung und erster Cabazita-
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xel-Dosis waren im Schnitt 55 bis 58 Monate vergangen. In mehr als 90% der Fälle lagen Knochenmetastasen vor, bei annähernd 50% der Patienten Lymphknotenmetastasen und bei jeweils etwa 15 bis 16% Lungen- und Lebermetastasen.
Leicht verbessertes Ansprechen unter höherer Dosierung In beiden Studienarmen war die Aussetzung gegenüber der Studienmedikation vergleichbar mit median 6 bis 7 Zyklen und einer relativen Dosisintensität von median 0,99 (bzw. 0,98). Die Studie erreichte ihren primären Studienendpunkt: die Nichtunterlegenheit von 20 mg gegenüber 25 mg Cabazitaxel. Das mediane Gesamtüberleben betrug 13,4 Monate mit der geringeren und 14,5 Monate mit der höheren Dosierung. Die Hazard Ratio betrug 1,024. OS-Subgruppenanalysen deuten an, dass die höhere Dosierung möglicherweise von Vorteil für Patienten nach der gegen den Androgenrezeptor-gerichteten Therapie ist. Das PFS war mit 2,9 versus 3,5 Monaten nicht verschieden (HR = 1,099). Ein Unterschied wurde allerdings bezüglich des PSA-Ansprechens gesehen: 29,5% der Patienten im 20-mg-Arm und 42,9% im 25-mg-Arm zeigten ein biologisches Ansprechen (p < 0,0001). Das Ansprechen nach RECIST-Kriterien war hingegen mit 18,5 versus 23,4% (p = 0,1924) nicht signi-
fikant. Nebenwirkungen von Grad 3 oder 4 wurden wie erwartet häufiger unter der höheren Dosierung gesehen. 16,4 versus 19,5% der Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab.
Cabazitaxel und Docetaxel vergleichbar wirksam in Erstlinie
Die dreiarmige Phase-III-Studie FIRSTANA verglich ebenfalls Cabazitaxel in den zwei Dosierungen (20 mg und 25 mg) und zusätzlich auch Docetaxel bei 1168 therapienaiven mCRPC-Patienten. Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben gewählt. Die Patienten waren median 68 bis 69 Jahre alt und hatten mehrheitlich einen ECOG-PS von 0 oder 1. Die Zeit zwischen Diagnose und erster Chemotherapiedosis betrug etwa 46 Monate im Docetaxel- und Cabazitaxel-Arm (20 mg), aber nur 36,7 Monate bei Patienten im Cabazitaxel-Arm (25 mg). Der PSA-Wert lag bei median 74 bis 80 ng/ml, und bei zirka 90% der Patienten wurden Knochenmetastasen, bei 53 bis 54% Lymphknoten-, bei 12 bis 15% Lungen- und bei 8 bis 10% Lebermetastasen nachgewiesen. Im Median erhielten die Patienten aller Studienarme 9 Therapiezyklen (mit einer durchschnittlichen Dosisintensität von 0,95–0,97). Das OS war zwischen den Studienarmen nicht verschieden mit median
24,3 Monaten (Docetaxel), 24,5 Monaten
(Cabazitaxel 20 mg) und 25,2 Monaten
(Cabazitaxel 25 mg). Die Hazard Ratio
zwischen dem Docetaxel-Arm und den
Cabazitaxel-Armen lag bei 1,009 und
0,97 mit p-Werten von 0,9967 und 0,7574.
Auch die Kaplan-Meier-Kurven für das
PFS überlappten mit einem medianen
PFS von 5,3 versus 4,4 versus 5,1 Monate.
Ein PSA-Ansprechen wurde bei 68,4 ver-
sus 60,7 versus 68,7% der Patienten be-
obachtet. Ein Ansprechen nach RECIST-
Kriterien zeigten 30,9, 32,4 und 41,6% der
Patienten, mit einem signifikanten Vorteil
für Cabazitaxel 25 mg. Bezüglich der Ne-
benwirkungen wurden Unterschiede zwi-
schen den Profilen der beiden Taxane
beobachtet, aber es wurden keine neuen
Sicherheitssignale identifiziert.
I
Ine Schmale
Referenzen: 1. Cash H et al.: PRINCE: A phase III study comparing intermittent docetaxel therapy versus continuous docetaxel therapy in patients with castration-resistant prostate cancer. ASCO 2016, Vortrag, Abstr. #5005. 2. Tagawa ST et al.: TAXYNERGY: Randomized trial of early switch from first-line docetaxel (D) to cabazitaxel (C) or vice versa with circulating tumor cell (CTC) biomarkers in patients with metastatic castration-resistant prostat cancer (mCRPC). ASCO 2016, Vortrag, Abstr. #5007. 3. de Bono J et al.: Phase III non-inferiority study of cabazitaxel (C) 20 mg/m2 (C20) versus 25 mg/m2 (C25) in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC) previously treated with docetaxel (D). ASCO 2016, Vortrag, Abstr. #5008. 4. Sartor AO et al.: Cabazitaxel vs docetaxel in chemotherapy-naive (CN) patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): A three-arm phase III study (FIRSTANA). ASCO 2016, Vortrag, Abstr. #5006.
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