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Kongressbericht
European Lung Cancer Conference (ELCC), Genf, 13. bis 16. April 2016
Fortgeschrittenes, EGFR-mutationspositives NSCLC
Neue Optionen bei squamösen Karzinomen, Hirnmetastasen und bei Resistenzmechanismen
Der Tyrosinkinasehemmer (TKI) Afatinib hat sich in mehreren Studien gegenüber den Referenz-TKI (Gefitinib, Erlotinib) bei fortgeschrittenem EGFR-mutationspositivem NSCLC als überlegen erwiesen und kann bei Bedarf sogar dosisreduziert bei gleicher Wirksamkeit eingesetzt werden. Vielversprechend zeigt sich ferner der neue EGFR-TKI Osimertinib in 2 Phase-I-Studien bei T790M-Mutation. Die Rezidivsituation bleibt eine Herausforderung,
Afatinib
Unter dem irreversiblen TKI Afatinib (Giotrif®) haben sich in verschiedenen LUX-Lung-Studien klare Überlebensdaten, verglichen mit Referenzsubstanzen, gezeigt.
Plattenepithelkarzinome Die LUX-Lung-8-Studie (1) (n = 795) verglich die Zweitlinientherapie mit Afatinib versus Erlotinib bei fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom der Lunge (bei EGFR-Mutationen). Das Mortalitätsrisiko war hier unter Afatinib um 19% und das Risiko für Krankheitsprogression um 18% verringert. Dies entsprach einem Gesamtüberleben (OS) von 7,9 (vs. 6,8) Monaten und einem progressionsfreien Überleben (PFS) von 2,4 (vs. 1,9) Monaten bei diesen stark vorbehandelten Patienten mit per se schlechter Prognose. Die Nebenwirkungsrate in den beiden Studienarmen war ähnlich (ca. 57% bei ≥ Grad-3Nebenwirkungen) und bezog sich überwiegend auf Stomatitis, Diarrhö und Hautreaktionen (Rash); die Lebensqualität wurde unter Afatinib höher bewertet (36 vs. 28%). Aufgrund dieser Daten hat die amerikanische FDA vor Kurzem die erweiterte Zulassung für Afatinib bei fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom der Lunge nach chemotherapeutischer Vorbehandlung erteilt.
Erstlinientherapien Die Phase-IIB-Studie LUX-Lung 7 (2), welche im Dezember 2015 am ESMO-AsiaKongress in Singapur zunächst vorgestellt und mit Updates am ELCC 2016 in Genf (2a) versehen wurde, verglich die
Erstlinientherapie bei NSCLC-Adenokarzinomen (EGFR-mutiert) mit Afatinib gegenüber Gefinitib im randomisierten, offenen Design bei 319 überwiegend asiatischen Patienten (Asiaten: 58,8%/55,3%) und Frauen (56,9%/66,7%) (EGFR-Mutationstyp Del 19: 57,5%/58,5%). Afatinib verbesserte signifikant das PFS (Hazard Ratio [HR] 0,73) und die Zeit bis zum Therapieveragen (TTF) (ebenfalls HR 0,73), verglichen mit Gefitinib. Die Gesamtansprechrate war signifikant höher unter Afatinib (70 vs. 56%). Der Nutzen wurde in allen Subgruppen beobachtet. Die Nebenwirkungsrate war in beiden Kohorten vergleichbar, die diesbezüglich bedingte Abbruchphase ebenfalls. Ferner wurden in den Phase-III-Studien LUX-Lung 3 und LUX-Lung 6 in der Erstlinientherapie bei Adenokarzinomen der Lunge im Stadium IIB oder IV mit EGFRMutationen jeweils Afatinib vs. Chemotherapie miteinander verglichen. In die Studien wurden Patienten mit Hirnmetastasen eingeschlossen und wurden Wirkung und Verträglichkeit der Therapien in einer Subgruppenanalyse (3) untersucht. Dabei wurden das PFS, das OS sowie die objektive Ansprechrate (ORR) bei Patienten mit anfänglich asymptomatischen Hirnmetastasen (n = 35 bzw. 46) ermittelt sowie Post-hoc-Analysen der klinischen Resultate (n = 81) vorgenommen. In beiden Studien zeigte sich jeweils ein Trend zu einem verbesserten PFS unter dem Studienmedikament (11,1 vs. 5,4 Monate; 8,2 vs. 4,7 Monate), und zwar etwa im gleichen Ausmass bei den Patienten mit und ohne Hirnmetastasen. In der kombinierten Analyse erreichte
die PFS-Verbesserung statistische Signifikanz; das PFS war gegenüber demjenigen unter Chemotherapie halbiert (HR 0,50). Ferner war die ORR unter Afatinib signifikant erhöht.
Ähnliches PFS auch bei Dosisreduktion Studienleiter Prof. Martin Schuler, Essen/D, stellte an der ELCC 2016 die aktualisierten Daten zur Verträglichkeit von Afatinib in 2 Dosierungen vor (4). In den beiden Studien LUX-Lung-3 und LUXLung-6 konnte die anfängliche Dosis (von 40 mg/Tag) um 10 mg verringert werden, dies bis zu einem Minimum von 20 mg, sofern Grad-3- oder ausgewählte verlängerte Grad-2-Nebenwirkungen bestanden. Dabei zeigte sich, dass die Dosisreduktionen bei 53% (122/229) und 28% (67/239) vorgenommen wurden, und zwar überwiegend in den ersten 6 Therapiemonaten. Unter der verringerten Afatinib-Dosis wurden Schwere und Häufigkeit der therapiebezogenen Nebenwirkungen deutlich verringert. Dabei war das mediane PFS in beiden Studien unter beiden Dosierungen ähnlich. Mit Spannung werden nun die Ergebnisse zum OS erwartet.
Osimertinib – TKI der dritten Generation in der Erstund Zweitlinie
In 2 Late-Breaking-Abstracts (5) wurden an der diesjährigen ELCC die Daten von 2 Phase-I-Studien mit Osimertinib in der Erst- und Zweitlinientherapie präsentiert und diese an der Medienkonferenz als Highlightstudien vorgestellt. Dieser ebenfalls irreversible EGFR-TKI der dritten Generation könnte interessant werden, da 50 bis 60% der Patienten gegen frühere Linien mit EGFR-TKI durch Entwicklung einer T790M-Mutation resistent werden und der TKI in ebendieser Situtation gezielt wirkt. Prof. Suresh Ramalingam, Atlanta/USA, stellte die Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit unter Osimertinib in 2 Dosierungen in der Erstlinientherapie bei EGFRmutierten NSCLC in der AURA-Studie
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Kongressbericht
European Lung Cancer Conference (ELCC), Genf, 13. bis 16. April 2016
vor: Insgesamt wurden 60 Patienten mit bestätigtem, fortgeschrittenem EGFRmutiertem NSCLC mit 1 von 2 Dosierungen (80 mg/160 mg) behandelt – darunter 75% Frauen, 72% Asiaten, 40% mit EGFRExon-19-Deletion, 42% mit L858R-Mutation; 5 Patienten waren zu Studienbeginn EGFR-T790M-positiv. Zum Zeitpunkt der Analyse (Studien-Cutoff), am 4. Januar 2016, betrug das mittlere Follow-up bereits 16,6 Monate. Die bestätigte ORR betrug 77% (67% in der 80-mg-Kohorte; 87% in der 160-mg-Kohorte), die mittlere Ansprechdauer konnte noch nicht ermittelt werden. Das mediane PFS betrug 19,3 Monate («nicht erreicht» in der 80-mg- und 19,3 in der 160-mg-Gruppe). Nach 18 Monaten waren insgesamt 55% progressionsfrei (57%; 53%). Eine Dosisreduktion aufgrund nicht tolerabler Nebenwirkungen wurde bei 10% respektive 47% durchgeführt. Häufigste Nebenwirkungen (≥ Grad 3) waren Diarrhö (60 bzw. 87%), Stomatitis (43 bzw. 50%) und Paronychie (30 bzw. 53%). Prof. Ramalingam bewertete die Ansprech- und Überlebensraten als «very exciting». Speziell interessant sei die Tatsache, dass Patienten, die unter Osimertinib progredierten, keine T790M-Mutation als Resistenzmechanismus besessen hätten. Kommende Phase-III-Studien zum Vergleich mit Erlotinib oder Gefitinib werden aufschlussreiche Resultate in etwa 18 Monaten liefern.
Neue Option für vorbehandelte Pati-
enten mit T790M-positivem NSCLC
Prof. James Yang, Taiwan, stellte die ak-
tualisierten Analyseresultate bei EGFR-
TKI-vorbehandelten Patienten mit T790M-
positivem fortgeschrittenem NSCLC aus
2 weiteren AURA-Studien (Phase I und II)
mit Osimertinib (80 mg/Tag) vor (6).
Eingeschlossen waren in den Studien 63
respektive 411 Patienten. Die Resultate
entsprachen sich etwa; in der Phase-II-
Studie wurden die Kriterien zudem durch
ein unabhängiges Komitee evaluiert:
ORR 66%, mediane Ansprechdauer 12,5
Monate, medianes PFS 11,0 Monate,
nach 12 Monaten waren noch 47,5% der
vorbehandelten Patienten progressions-
frei.
Der neue TKI wird von den Studienauto-
ren als sehr positiv beurteilt, dies auf-
grund der hohen Ansprech- und PFS-Ra-
ten unter insgesamt guter Verträglich-
keit. Yang forderte die standardisierte
T790M-Testung für NSCLC-Patienten
mit EGFR-Mutationen, deren Erkrankung
unter der First-line-TKI-Behandlung fort-
geschritten ist. Osimertinib wurde be-
reits in den USA, der EU und Japan zu-
gelassen.
L
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Soria JC et al.: Afatinib (A) vs erlotinib (E) as second-
line therapy of patients (pts) with advanced squamous cell carcinoma (SCC) of the lung following platinum-based chemotherapy: Overall survival (OS) analysis from the global phase III trial LUX-Lung 8 (LL8). ASCO Annual Proceedings 2015; Abstract # 8002 (Oral Abstract Session). 2. Park K et al.: Afatinib (A) vs gefitinib (G) as first-line treatment for patients ( pts) with advanced non-small cell lung cancer (NSCLC) harboring activating EGFR mutations: results of the global, randomized, openlabel, Phase IIb trial LUX-Lung 7 (LL7). ESMO Asia Kongress # LBA2PR. 2a. ders.: Publikation ELCC 2016; # 140PD. 3. Schuler M et al.: First-line Afatinib versus chemotherapy in patients with non-small cell lung cancer and common epidermal growth factor receptor gene mutations and brain metastases. J Thoracic Oncol 2016; 11 (3): 380–390. 4. Schuler M et al.: Impact of dose adjustment on the safety and efficacy of afatinib in patients (pts) with advanced EGFR mutation-positive non-small cell lung cancer (NSCLC): Post-hoc analyses of LUX-Lung 3 (LL3) and LUX-Lung 6 (LL6). ELCC 2016; # 138PD. 5. Ramalingam S et al.: Osimertinib as first-line treatment for EGFR mutation-positive advanced NSCLC: updated efficacy and safety results from two Phase I expansion cohorts. ELCC 2016, # LBA1_PR. 6. Yang J et al.: Osimertinib (AZD9291) in pre-treated pts with T790M-positive advanced NSCLC: updated Phase 1 (P1) and pooled Phase 2 (P2) results. ELCC 2016; # LBA2_PR.
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