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Kongressbericht
57. Jahrestreffen der American Society of Hematology (ASH), Orlando/Florida, 5. bis 8. Dezember 2015
Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
Neue zielgerichteteTherapieansätze zeigen Vielversprechendes
Typischerweise rezidivieren Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) nach der initialen Therapie und benötigen weitere Massnahmen. Ein bewährtes Regime, sowohl in der Erstlinie als auch im rezidivierten/refraktären Setting, ist die Kombination von Bendamustin (Ribomustin®) und Rituximab (MabThera®). In verschiedenen Studien wurde untersucht, ob ein weiterer Kombinationspartner zu dem Douplett-Regime die Dauer des Ansprechens verlängern kann.
Verdopplung des progressionsfreien Überlebens mit PI3Kδ-Inhibitor
In einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studie wurde die zusätzliche Gabe von Idelalisib (Zydelig®), einem PI3Kδ-Inhibitor, zum Standardregime Bendamustin/Rituximab (BR) bei Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL untersucht (1). 416 Patienten, die innerhalb von weniger als 36 Monaten nach der letzten Therapielinie einen Progress aufwiesen, wurden in die Studie eingeschlossen. Die Patienten hatten median 74 bis 75 Monate vor Studienbeginn ihre Diagnose erhalten und waren mit median zwei Therapielinien behandelt worden. 33% der Patienten wiesen eine 17p-Deletion und/oder eine TP53-Mutation auf, 83 bis 84% hatten einen negativen IGHV-Mutations-Status. Der primäre Studienendpunkt, eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS), wurde erreicht: Die zusätzliche Gabe von Idelalisib zu BR verlängerte das mediane PFS von 11,1 auf 23,1 Monate (HR = 0,33; p < 0,0001). Der Therapievorteil zeigte sich für alle untersuchten Subgruppen, wobei Patienten ohne del17p oder TP53 eine 78%ige und Patienten mit wenigstens einer dieser genetischen Aberrationen eine 50%ige Reduktion des Risikos zeigten, einen Progress zu erleiden. Ein Ansprechen wurde bei 68% versus 45% der Patienten beobachtet, ein Ansprechen der Milz bei 82% versus 57% und ein Ansprechen der Leber bei 56% versus 40% der Patienten. Obwohl in beiden Studienarmen das mediane Gesamtüberleben (OS) bei Aus-
wertung der Studie noch nicht erreicht war, zeigte sich doch eine deutliche Separierung der Kaplan-Meier-Kurven mit einer Hazard Ratio von 0,55. Nebenwirkungen aller Grade wurden bei 100% der Patienten unter der Dreierkombination und bei 97% unter der Doublette, Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 bei 93% (bzw. 76%) der Patienten gesehen. Klinisch relevante Nebenwirkungen traten bei 66% (vs. 44%) der Patienten auf. Aufgrund der Nebenwirkungen erhielten 11% (vs. 6%) der Patienten eine Dosisreduktion, und 26% (vs. 13%) der Patienten brachen die Therapie ab. 10% (vs. 7%) der Patienten verstarben therapieassoziiert.
BCL2-Inhibitor attraktiv bei Vorliegen einer 17p-Deletion
Patienten mit einer 17p-Deletion haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose und begrenzte Therapieoptionen. In einer Phase-II-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit der Monotherapie mit Venetoclax, einem oralen BCL2Inhibitor, bei Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL geprüft (2). Die Wirksubstanz wurde in einer stufenweisen Dosiseskalation von 50 bis 400 mg gegeben, um risikoadaptiert einem Tumorlysesyndrom (TLS) vorzubeugen. 107 Patienten mit einem medianen Alter von 67 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen. Im Schnitt hatten die Patienten zwei Therapielinien erhalten. 38 Patienten waren refraktär gegen Bendamustin und 34 gegenüber Fludarabin. 84% aller Patienten hatten einen CD20-Anti-
körper erhalten. Laut TLS-Risiko-Kategorie hatten 18% der Patienten ein geringes, 40% ein mittleres und 42% ein hohes Risiko. 81% der Patienten wiesen keine IGHV-Mutation auf. Zur Zeit der Auswertung befanden sich die Patienten im Median für 12,1 Monate in der Studie, und 65% der Patienten waren noch unter Venetoclaxtherapie. Von den 37 Patienten, die die Therapie beendet hatten, waren 22 Patienten progredient, 9 Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab, und 3 Patienten erhielten eine Stammzelltransplantation. 18 Patienten waren zur Zeit der Auswertung verstorben, davon 14 aufgrund eines Krankheitsprogresses. Laut unabhängigem Komitee betrug die Ansprechrate 79,4 %, wobei 7,5% der Patienten ein komplettes Ansprechen zeigten (CR oder CRi). Die mediane Zeit bis zum ersten Ansprechen betrug 0,8 Monate und die mediane Zeit bis zu einem kompletten Ansprechen 8,2 Monate. Nach einem Jahr betrug die Ansprechrate 84,7%, die PFS-Rate 72,0% und die OS-Rate 86,7%. Bei den Patienten, die auf die Monotherapie mit Venetoclax ansprachen, wurde in mehr als 20% der Fälle eine MRD-Negativität im peripheren Blut festgestellt.
Nebenwirkungen lassen sich beherrschen Bei 96% der Patienten wurden Nebenwirkungen jedweden Grades beobachtet, bei 76% der Patienten Nebenwirkungen von Grad 3/4. Die häufigsten Nebenwirkungen (alle Grade/Grad 3/4) waren Neutropenie (43%/40%), Diarrhö (29%/0%), Übelkeit (29%/1%), Anämie (27%/18%), Fatigue (22%/0%), Pyrexie (20%/1%) und Thrombozytopenie (19%/15%). Von den Patienten mit Grad3/4-Neutropenie wiesen mehr als die Hälfte eine Neutropenie jedweden Grades bereits zu Studienbeginn auf. Durch Therapieunterbrechungen und Dosisreduktionen sowie G-CSF und/oder Antibiotikagabe war die Neutropenie beherrschbar. Bei 72% der Patienten traten
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Infektionen auf, 20% von ≥ Grad 3. Ein Tumorlysesyndrom wurde in Labortests bei 5 Patienten in der Anlaufphase der Studie beobachtet, was zu einer eintägigen Therapieunterbrechung bei 2 Patienten führte. Es wurden keine klinischen TLS-Ereignisse beobachtet. Klinisch relevante Nebenwirkungen entwickelten sich bei 55% der Patienten, mit Pyrexie (7%), autoimmunhämolytischer Anämie (AIHA) (7%), Pneumonie (6%) und febriler Neutropenie (5%) als häufigsten dieser Toxizitäten. Venetoclax sei eine attraktive Therapieoption für CLL-Patienten mit 17p-Deletion, folgerten die Autoren.
BCL-2-Inhibition nach Idelalisib- oder IbrutinibTherapie
Wurden CLL-Patienten bereits mit einem B-Zell-Rezeptor-Antagonisten, Ibrutinib (Imbruvica®) oder Idelalisib behandelt, stehen kaum weitere Therapieoptionen zur Verfügung, und diese Patienten haben eine sehr schlechte Prognose. In einer offenen Phase-II-Studie wurden 41 Patienten mit Ibrutinib-Vortherapie und 13 Patienten mit Idelalisib-Vortherapie einer Venetoclax-Monotherapie unterzogen (3). Untersucht wurden die Ansprechrate laut Prüfärzten und die Sicherheit. Die Wirksubstanz wurde auch hier in einer stufenweisen Dosiseskalation von 50 bis 400 mg gegeben. Patienten mit Ibrutinib-Vortherapie hatten bereits median 5 Therapielinien und Patienten mit Idelalisib-Vortherapie median 3 Therapielinien erhalten. 86% respektive 75% der Patienten beider Studienarme waren nicht IGHV-mutiert, 46% respekti-
ve 0% wiesen eine 17p-Deletion, 29% respektive 23% eine 11q-Deletion und 36% respektive 0% eine TP53-Mutation auf. Patienten nach Ibrutinib-Therapie erhielten Venetoclax median für 19 Wochen, Patienten nach Idelalisib für median 10 Wochen. Die meisten der Patienten beider Studienarme zeigten einen Rückgang der B-Symptome bis Woche 8. Ein Ansprechen wurde bei 61% der Patienten nach Ibrutinib und bei 50% der Patienten nach Idelalisib gesehen. Eine Stabilisierung der Erkrankung erreichten 26% beziehungsweise 40% der Patienten. Klinisch relevante Nebenwirkungen traten bei 41% aller Patienten auf, am häufigsten febrile Neutropenien (7%) und Pneumonien (7%). Für die Studie wird weiter rekrutiert.
Immuntherapie mit PD-1-Blockade wirkt bei Richter-Transformation
Ein weiterer neuer Ansatz in der Behandlung der rezidivierten und/oder refraktären CLL, einschliesslich der RichterTransformation, ist die Immuntherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor. PD-1 wird von leukämischen CLL-Zellen und CLL-T-Zellen in hohem Masse exprimiert. Um die Wirksamkeit und Sicherheit der PD-1-Blockade bei CLL-Patienten zu untersuchen, erhielten 20 CLL-Patienten den PD-1-Antikörper Pembrolizumab (Keytruda®) bis zu 12 Monate (4). 20% der Patienten wiesen eine 11q-Deletion, 30% eine 17p-Deletion und 10% eine TP53-Mutation auf. 80% der Patienten waren nicht IGHV-mutiert, und 35% der Patienten waren zum Richter-Syndrom
fortgeschritten. Die Patienten waren im
Median in drei vorangegangenen Thera-
pielinien, unter anderem mit Ibrutinib
(55%), behandelt worden.
Ein Ansprechen wurde bei 3 Patienten
(21%) erreicht, welche alle Richter-Syn-
drom-Patienten waren. Eine Stabilisie-
rung der Erkrankung erreichten 6 Patien-
ten (43%). Alle 5 Richter-Syndrom-Patien-
ten, die unter Ibrutinib progredient
waren, zeigten ein Ansprechen oder eine
Stabilisierung der Erkrankung mit noda-
lem Ansprechen. Die Autoren folgerten,
dass Pembrolizumab offenbar eine be-
eindruckende Aktivität bei Richter-Trans-
formation hat und weiter untersucht wer-
den sollte.
L
Dr. Ine Schmale
Quellen: 1. Zelenetz AD et al.: Idelalisib plus bendamustine and
rituximab (BR) is superior to BR alone in patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia: results of a phase 3 randomized double-blind placebo-controlled study. ASH-Jahreskongress 2015, Plenary Session, Abstr. #LBA5. 2. Stilgenbauer S et al.: Venetoclax (ABT-199/GDC0199) monotherapy induces deep remissions, including complete remission and undetectable MRD, in ultra-high risk relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia with 17p deletion: results of the pivotal international phase 2 study. ASH-Jahreskongress 2015, Plenary Session, Abstr. #LBA6. 3. Jones J et al.: Preliminary results of a phase 2, openlabel study of venetoclax (ABT-199/GDC-0199) monotherapy in patients with chronic lymphocytic leukemia relapsed after or refractory to ibrutinib or idelalisib therapy. ASH-Jahreskongress 2015, Oral Session, Abstr. #715. 4. Ding W et al.: PD-1 blockade with pembrolizumab (MK-3475) in relapsed/refractory CLL including Richter transformation: an early efficacy report from a phase 2 trial (MC1485). ASH-Jahreskongress 2015, Oral Session, Abstr. #834.
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