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Kongressbericht
57. Jahrestreffen der American Society of Hematology (ASH), Orlando/Florida, 5. bis 8. Dezember 2015
Rezidiviertes/refraktäres multiples Myelom
Neue Kombinationspartner im rezidivierten Setting
Die meisten Patienten mit multiplem Myelom (MM) rezidivieren trotz der Therapieerfolge mit Proteasom-Inhibitoren und immunmodulatorischen Substanzen im Verlauf der Erkrankung nach Erstlinientherapie. Die Standardbehandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms (rrMM) ist eine Kombination von Lenalidomid mit Dexamethason. Neue Kombinationspartner tragen dazu bei, den Therapieerfolg zu vergrössern, wie diverse Studien zeigen, die beim ASH-Jahresmeeting 2015 in Orlando/Florida präsentiert wurden.
Effekt auf das Gesamtüberleben mit Elotuzumab
Elotuzumab (Hersteller: BMS) ist ein immunstimulierender monoklonaler Antikörper, der an das Protein SLAMF7 bindet, welches von Myelomzellen und natürlichen Killerzellen (NKZ) in erhöhtem Mass exprimiert wird. Die randomisierte, multizentrische, offene Phase-IIIStudie ELOQUENT-2 zeigte in ihrer primären Analyse einen klinischen Vorteil der zusätzlichen Elotuzumab-Gabe (ERd) gegenüber alleiniger Lenalidomid-plusDexamethason-Therapie (Rd) (1). Beim ASH-Jahresmeeting 2015 präsentierte Paul Richardson nun die 3-Jahres-Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten mit einem Data-cut-off vom August 2015 (2): In die Studie wurden 646 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Myelom eingeschlossen, die bereits 1 bis 3 Therapielinien erhalten hatten. 32% der Patienten zeigten eine 17p-Deletion, und 35% waren refraktär gegenüber der zuletzt gegebenen Therapielinie. Im Median erhielten die Patienten 19 Zyklen ERd respektive 14 Zyklen Rd. Der Grund für den Abbruch der Therapie war in den meisten Fällen der Krankheitsprogress (48 vs. 51%). 9 versus 14% der Patienten brachen die Therapie aufgrund der Nebenwirkungen unter der Studienmedikation ab.
Therapievorteil über alle prädefinierten Subgruppen Das progressionsfreie Überleben (PFS), primärer Studienendpunkt, betrug im Median 19,4 Monate versus 14,9 Monate
(HR = 0,73; p = 0,0014). Nach 3 Jahren waren 26 versus 18% der Patienten ohne Progress, und es deutete sich eine Plateaubildung der Kaplan-Meier-Kurven an. Die Zeit bis zur nächsten Behandlung verlängerte sich durch die zusätzliche Gabe von ERd im Schnitt um ein Jahr, von 21 auf 33 Monate. Der Therapievorteil wurde über alle prädefinierten Subgruppen beobachtet. Bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) wurde in einer vordefinierten Zwischenanalyse ein nicht signifikanter Vorteil für den experimentellen Arm gezeigt (medianes OS: 43,7 vs. 39,6 Monate; HR = 0,77; p = 0,0257). Die Kaplan-Meier-Kurven separierten sich frühzeitig und blieben über den Beobachtungszeitraum getrennt. Die aktualisierten Sicherheitsdaten bestätigten eine geringe Steigerung der Toxizität durch die zusätzliche Applikation von ERd zu Rd.
Sechsmonatiger PFSGewinn unter IxazomibKombination
Ixazomib (Hersteller: Takeda) ist der erste orale Proteasom-Inhibitor mit einer zu Bortezomib unterschiedlichen chemischen Struktur und Pharmakologie. In einer Phase-I/II-Studie erreichte die Kombination mit Rd bei neu diagnostizierten MM-Patienten eine Ansprechrate von 92% bei akzeptiertem Sicherheitsprofil (3). In der internationalen Phase-III-Studie TOURMALINE-MM1 wurden 722 rrMMPatienten randomisiert mit Ixazomib plus Rd (IRd) oder Plazebo plus Rd behandelt (4). Philippe Moreau präsentierte in Orlando die Ergebnisse für den primären
Endpunkt, das progressionsfreie Überleben: Die in die Studie eingeschlossenen Patienten waren im Median 66 Jahre alt, und 69% waren bereits mit Bortezomib sowie zu 44 bis 47% mit Thalidomid behandelt worden. Zudem hatten die vorherigen Therapieregimen bei 80 bis 81% der Patienten Melphalan und bei 12% Lenalidomid enthalten. 55 bis 59% der Patienten waren bereits einer Stammzelltransplantation zugeführt worden. Die finale PFS-Analyse zeigte einen signifikanten und klinisch relevanten Therapievorteil für die Dreierkombination von median fast 6 Monaten (medianes PFS: 20,6 vs. 14,7 Monate; HR = 0,74; p = 0,012), welcher konsistent für alle Subgruppen einschliesslich der zytogenetischen Hochrisikopatienten gesehen wurde. Ein Ansprechen zeigten 78,3 versus 71,5% der Patienten (p = 0,035), ein komplettes Ansprechen 11,7 versus 6,6% (p = 0,019). Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 20,5 (vs. 15,0) Monate. Insgesamt traten Nebenwirkungen von besonderer medizinischer Bedeutung (periphere Neuropathie, kardiovaskuläre oder renale Begleitwirkungen) selten auf. Die Lebensqualität wurde laut Befragung der Patienten über den Studienzeitraum erhalten.
Hohe Ansprechraten bei Hochrisikopatienten durch zusätzliche CarfilzomibGabe
Carfilzomib (Hersteller: Amgen) ist ein irreversibler Proteasom-Inhibitor, der aufgrund seiner Aktivität bei zytogenetischen Hochrisikopatienten als Monotherapie für die Behandlung des rrMM zugelassen wurde. Basierend auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie ASPIRE wurde Carfilzomib in den USA auch in Kombination mit Rd bei Patienten mit 1 bis 3 vorhergegangenen Therapielinien zugelassen. Beim Jahrestreffen präsentierte Herve Avet-Loiseau aktualisierte Daten einer geplanten Interimsanalyse der ASPIRE-Studie (5): 792 rrMM-Patienten erhielten randomisiert Carfilzomib plus Rd (KRd) oder Rd.
32 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016
Kongressbericht
57. Jahrestreffen der American Society of Hematology (ASH), Orlando/Florida, 5. bis 8. Dezember 2015
12 bis 13% der Patienten wiesen eine Hochrisikozytogenetik auf, 37 bis 73% eine Standardrisikozytogenetik. Bei 44 bis 51% war das zytogenetische Risiko unbekannt. Das progressionsfreie Überleben betrug 26,3 Monate unter KRd versus 17,6 Monate unter Rd (HR = 0,69; p < 0,0001). Bei Patienten mit Hochrisikozytogenetik wurde eine 30%ige Risikoreduktion für einen Tumorprogress mit einer Verlängerung des medianen PFS von 13,9 auf 23,1 Monate beobachtet. Für Patienten mit Standardrisiko reduzierte sich das Risiko um 34% mit einer PFS-Verlängerung von median 19,5 auf 29,6 Monate. Ein Ansprechen erreichten 79,2 versus 59,6% der Patienten mit einem hohen zytogenetischen Risiko und 91,2 versus 73,5% der Patienten mit Standardrisiko. Daratumumab zeigt in Kombination mit Rd vorteilhaftes NutzenRisiko-Profil Daratumumab (Hersteller USA: Johnson & Johnson), ein humaner anti-CD38Antikörper, wurde in einer Phase-I/II-Studie in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason geprüft. Beim ASH-Jahresmeeting zeigte Torben Plesner die aktualisierten Ergebnisse der 32 Patienten, die mit der empfohlenen Phase-II-Dosierung von 16 mg Daratumumab behandelt wurden und nicht refraktär gegenüber Lenalidomid waren (6): 88% der Patienten zeigten ein Ansprechen, mit einer wenigstens sehr guten partiellen Remission (VGPR) bei 53% der Patienten. Zur Zeit der Auswertung befanden sich 26 der 28 ansprechenden Patienten in Remission. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Neutropenie (81%), Muskelkrämpfe (44%), Husten (38%), Diarrhö (34%), Fatigue (28%) und Bluthochdruck (28%). 2 Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Kombination von Ibrutinib und Carfilzomib bei intensiv vorbehandelten Patienten Ibrutinib (Imbruvica®; Hersteller: JanssenCilag) ist ein oraler Brutons-Tyrosinkinase-Inhibitor, der sich bereits in der Behandlung der CLL, des Mantelzelllymphoms und der Waldenström-Makroglobulinämie als effektiv erwiesen hat. Ajai Chari präsentierte nun Ergebnisse einer Phase-I/II-Studie, in der 40 rrMMPatienten mit einer Kombination von Ibrutinib und Carfilzomib behandelt wurden (7): Ein Ansprechen wurde bei 62% und eine Krankheitskontrolle bei 72% der Patienten erreicht. Von 10 Patienten mit Hochrisikozytogenetik sprachen 7 Patienten auf die Therapie an. An Nebenwirkungen traten in dieser Studie vor allem Anämie, Thrombozytopenie und Neutropenie auf. Von den nicht hämatologischen Nebenwirkungen waren am häufigsten Diarrhö, Konstipation, Fatigue, Husten, Übelkeit, Pyrexie, Epistaxis, Bluthochdruck, Dyspnoe und Kopfschmerzen. Dosislimitierende Toxizitäten wurden während der Dosiseskalationsphase nicht gesehen. 8 Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Die empfohlene Phase-II-Dosierung beträgt 840 mg Ibrutinib täglich plus 20/36 mg/m2 Carfilzomib zweimal wöchentlich. Fazit In der Therapie des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms werden in nächster Zeit verschiedene effektive Kombinationspartner für das Rd-Regime zur Verfügung stehen. Derzeit werden vor allem die Sicherheit und die Wirk- samkeit, auch in Bezug auf zytogeneti- sche Subgruppen, geprüft. Es wird vor- erst eine Herausforderung bleiben, die neuen Therapien einzuordnen und zu entscheiden, welche Therapie am geeig- netsten im individuellen Fall ist. L Dr. Ine Schmale Quellen: 1. Lonial S et al.: Elotuzumab therapy for relapsed or refractory multiple myeloma. N Engl J Med 2015; 373: 621–631. 2. Dimopoulos M et al.: Eloquent-2 update: a phase 3, randomized, open-label study of elotuzumab in combination with lenalidomide/dexamethasone in patients with relapsed/refractory multiple myeloma – 3-year safety and efficacy follow-up. ASH 2015, Oral Session, Abstr. #28. 3. Kumar SK et al.: Safety and tolerability of ixazomib, an oral proteasome inhibitor, in combinatin with lenalidomide and dexamethasone in patients with previously untreated multiple myeloma: an openlabel phase 1/2 study. Lancet Oncol 2014; 15: 1503–1512. 4. Moreau P et al.: Ixazomib, an investigational oral proteasome inhibitor (PI), in combination with lenalidomide and dexamethasone (IRd), significantly extends progression-free survival (PFS) for patients with relapsed and/or refractory multiple myeloma (RRMM): the phase 3 TOURMALINE-MM1-study. ASH 2015, Oral Session, #727. 5. Avet-Loiseau H et al.: Efficacy and safety of carfilzomib, lenalidomide, and dexamethasone vs lenalidomide and dexamethasone in patients with relapsed multiple myeloma based on cytogenetic risk status: subgroup analysis from the phase 3 study ASPIRE (NCT01080391). ASH 2015, Oral Session, #731. 6. Plesner T et al.: Daratumumab in combination with lenalidomide and dexamethasone in patients with relapsed or relapsed and refractory multiple myeloma: updated results of a phase 1/2 study. ASH 2015, Oral Session, Abstr. #507. 7. Chari A et al.: Combination treatment of the Bruton´s tyrosine kinase inhibitor ibrutinib and carfilzomib in patients with relapsed or relapsed and refractory multiple myeloma: initial results from a multicenter phase 1/2b study. ASH 2015, Oral Session, Abstr. #377. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 33