Transkript
Kongressbericht
European Cancer Congress (ECC), Wien, 25. bis 29. September 2015
EUROCARE-5-Studie:
Krebsmortalität variiert erheblich in Europa
In Europa lebt 5 Jahre nach einer Krebsdiagnose (auf alle Malignome bezogen) im Schnitt noch knapp mehr als die Hälfte der Patienten. Die Analyse der Überlebensraten von Krebspatienten zwischen 1999 und 2007 zeigte zudem, dass es grosse Unterschiede gibt, insbesondere bei hämatologischen Malignomen.
Das ergab eine aktuelle Auswertung der EUROCARE-5-Studie, die die Überlebensraten von mehr als 10 Millionen Krebspatienten aus 29 europäischen Staaten zwischen 2000 und 2007 evaluierte. Dr. med. Milena Sant vom nationalen Tumorzentrum in Mailand/Italien stellte die aktuellen Analysen der EUROCARE-5Studie (1–3) vor. Bei EUROCARE handelt sich um die bisher grösste populationsbasierte Studie, welche die Überlebensraten und das ärztliches Management in den Ländern Europas seit den späten Neunzigerjahren vergleicht. In die neueste Auswertung flossen die Daten aus 109 lokalen Krebsregistern ein. Dabei wurden das 5-Jahres-Überleben und neue Tendenzen nach Regionen und Tumorentitäten eingeschätzt. «Insgesamt hat aber das relative 5-Jahres-Überleben in Europa für alle Krebsarten kontinuierlich zugenommen, auch in Osteuropa», so Sant.
Leukämien: Medizinischer Fortschritt schlägt sich nieder Dennoch gibt es einige grosse geografische Unterschiede, vor allem bei hämatoonkologischen Malignomen, bei denen es neue Therapieentwicklungen gab. Hier sind die chronische myeloische Leukämie (CML), die lymphatischen Leukämien (CLL), das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) und das multiple Myelom (MM) zu nennen. «Eine Ausnahme ist das Hodgkin-Lymphom, bei dem das 5-Jahres-Überleben in den meisten Ländern sehr gut ist, und zwar mit median 81% am höchsten von allen hämatoonkologischen Erkrankungen», sagte Sant. (74,3% in Ländern Osteuropas, über 79,4% in Irland/GB bis zu 85% in Nordeuropa).
vor allem bei den häufigen soliden Tumoren mit insgesamt guter Prognose. Beispiele für Grobeinschätzungen 5 Jahre nach Diagnose (ohne Spezifizierung nach Stadium u.a.): L bei Prostatakarzinom lebten noch
median 88% der Patienten in Zentraleuropa, aber nur 72% in Osteuropa (Mittelwert für Europa: 83%) L bei Mammakarzinom lebten noch median 85% der Patienten in Nord-, aber nur 74% in Osteuropa (Mittelwert für Europa: 82%). L bei Kolonkarzinom lebten noch median 61% der Patienten in Zentral-, aber nur 49% in Osteuropa (Mittelwert für Europa: 57%). Geringere Schwankungen waren bei Tumoren mit schlechter Prognose zu sehen. Das relative 5-Jahres-Überleben betrug bei L Lungenkarzinom in Europa median 13% (9% in Irland/GB, 15% in Zentraleuropa) L Ovarialkarzinom in Europa median 38% (31% in Irland/GB, 41% in Nordeuropa) L Magenkarzinom in Europa median 25% (17% in Irland/GB, 30% in Südeuropa) L Pankreaskarzinom in Europa median 7% (5% in Nordeuropa, Irland/GB; 8% in Südeuropa) «Die grössten Anstiege beim 5-JahresÜberleben zwischen 1999 und 2001 und zwischen 2005 und 2007 wurden bei der CML gesehen, wo das Überleben von 32% auf 54% anstieg. Beim Prostatakarzinom erhöhte sich die Rate von 73% auf 82%, beim Rektumkarzinom von 52 auf 58%», ergänzte die Referentin.
Solide Tumoren: Osteuropa hinkt
deutlich hinterher Grosse geografische Unterschiede im re-
lativen 5-Jahres-Überleben zeigten sich
Korrelation mit nationalen Gesund-
heitsausgaben – aber offene Fragen Eine Auswertung (2) analysierte das Ge-
samtüberleben für alle Krebsarten an-
hand von Daten von über 7,5 Millionen Patienten aus 29 europäischen Ländern. Sie zeigt, dass Dänemark, Grossbritannien und osteuropäische Länder niedrigere Überlebensraten als ihre Nachbarländer haben. Das alterskorrigierte relative 5-Jahres-Überleben betrug 59,6% in Nordeuropa, 58% in Zentraleuropa, 54,3% in Südeuropa, 50,9% in Dänemark, 50,1% in Irland/GB und 45% in Osteuropa. «Das Überleben korrelierte gut mit dem Bruttoinlandsprodukt und den nationalen Gesundheitsausgaben. Es gab aber auch Ausnahmen wie Dänemark – Länder, die weit schlechter abschnitten als es ihren Gesundheitsausgaben entsprach. Die Gründe dafür sind unklar.» sagte Sant.
Informationen der Studie
gesundheitspolitisch nutzen
Die Schwankungen beim Überleben be-
ruhe auf einer Reihe von Faktoren, so
Sant. Dazu gehörten die Verfügbarkeit
des Screenings und der Diagnostik (v.a.
bei Mamma-, Prostata- und Kolorektalkar-
zinom) mit der Folge zahlreicher Spätdia-
gnosen und verpasster Therapiemöglich-
keiten in Frühstadien. Dazu kommt die
mangelnde Verfügbarkeit neuer und wirk-
samer Therapien vor allem in osteuropäi-
schen Ländern. «Sozioökonomischer Sta-
tus, Lebensstil und allgemeine Gesund-
heitsunterschiede zwischen den Popula-
tionen spielen ebenfalls eine Rolle.»
Die Studienleiterin fasste zusammen:
«Die Ergebnisse der EUROCARE-Studie
können helfen, Regionen mit niedrigem
Überleben zu identifizieren, sodass hier
Mittel und Wege gefunden werden kön-
nen, um Behandlungsergebnisse zu opti-
mieren.
L
hir
Quellen: 1. Sant M et al.: Is Europe doing better in cancer care
since the 90s? The latest findings from the EUROCARE-5 study. ECC Wien 2015; Late-Breaking Abstract (LBA) 1. 2. Rossi S, Baili P et al.: The EUROCARE-5 study on cancer survival in Europe 1999–2007: Database, quality checks and statistical analysis methods. Europ J Cancer 20015; 51: 2104–2119. 3. Medienkonferenz ECC Wien 2015.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2015
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