Transkript
Kongressbericht
51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
Pädiatrische Malignome
Das Langzeitüberleben wird stetig besser
Moderne, verfeinerte Therapiemodalitäten haben in den letzten 40 Jahren ausgeprägt zu einer verringerten Langzeitmortalität von Kindermalignomen beigetragen – meist dadurch, dass therapiefolgebedingte Sekundärtumoren, Herz- und Lungenerkrankungen weitgehend vermieden werden konnten. Die Childhood Cancer Survivor Study bei mehr als 34 000 jungen Patienten – 5-Jahres-Überlebende pädiatrischer Malignome – ergab jetzt, dass die 15-Jahres-Mortalität von 12,4% (Therapieära um 1970) auf 6% gefallen ist.
«Vor 50 Jahren überlebte 5 Jahre nach der Diagnose nur 1 von 5 Kindern eine Krebserkrankung, heute leben über 80% zu diesem Zeitpunkt noch. Die betroffenen jungen Menschen leben nach erfolgreicher Primärtherapie aber mit hohem Risiko für potenziell letale Spätwirkungen wie Herzerkrankungen und Zweitmalignome», sagte Studienautor Prof. Gregory T. Armstrong, Memphis/Tennessee/ USA. Er fügte hinzu: «Inzwischen haben wir aber nicht nur Kindern geholfen, ihren Primärtumor zu überleben, sondern haben auch ihr Langzeitüberleben durch Verringerung der Gesamttoxizität der Therapie verlängert.»
Rezidivbedingte Todesfälle nehmen mit der Zeit ab
Frühere Studien hatten gezeigt, dass bis zu 18% der 5-Jahres-Überlebenden innerhalb von 30 Jahren nach der Diagno-
se sterben. Die Todesfälle sind auf drei Hauptursachen zurückzuführen – Krankheitsprogression oder Rezidiv des Primärtumors, externe Gründe (z.B. Unfälle) und gesundheitsbezogene Gründe, insbesondere Spätwirkungen der Krebstherapie. Während rezidivbedingte Todesfälle über die Zeit seltener werden, nehmen jene aus anderen medizinischen Gründen mit jedem Jahr nach der Diagnose zu.
Über 34 000 Überlebende im Follow-up über median 21 Jahre
Die Childhood Cancer Survivor Study (1) evaluierte mittels «National Death Index» die Langzeitgesundheit der 5-JahresÜberlebenden von Kindermalignomen, die zwischen 1970 und 1999 diagnostiziert wurden. 31 US-amerikanische und kanadische Kliniken nehmen an der weiter laufenden Studie teil. Alle Patienten waren
Tabelle:
Vergleich der Mortalität von Kindermalignomen nach Ursachen in Therapiezeiträumen
Mortalität 15 Jahre nach der Kinderkrebsdiagnose Kumulative Inzidenz (%)
Therapieära Alle Ursachen
1970–74 1975–79 1980–84 1985–89 1990–94 P-Wert
12,4 9,7 8,8 6,9 6,0 < 0,001 Ursachen nicht rezidivbezogen, nicht extern bezogen 3,5 2,8 2,7 2,2 2,1 < 0,001 Folge- Kardiale neoplasie Ursachen 1,8 1,5 1,4 1,3 1,0 < 0,001 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,001 Pulmonale Ursachen 0,4 0,2 0,3 0,2 0,1 0,02 zum Zeitpunkt ihrer Erstdiagnose jünger als 21 Jahre, im Durchschnitt wurden sie über 21 Jahre (Spanne 5–38 Jahre) nach der Diagnose beobachtet. Dazu wurden die Todesursachen evaluiert, welche Spätwirkungen der Krebstherapie reflektierten und die nicht auf Rezidive und externe Ursachen zurückführbar waren. Die wichtigsten Resultate der Studie: 3958 (12%) Patienten starben in diesem Zeitraum; 41% (n = 1618) der Todesfälle waren auf Erkrankungen (751 Sekundärtumoren, 243 kardiale, 136 pulmonale Ursachen), einschliesslich Spätwirkungen der Krebstherapie, zurückzuführen. Die Gesamtmortalität wurde in zwei Jahrzehnten (Therapieära 1970–74 versus 1990–94) halbiert: 12,4% der Patienten mit Diagnose in den frühen Siebzigerjahren und nur 6% jener mit Diagnose in den frühen Neunzigerjahren verstarben. Im gleichen Zeitraum sank die kumultative Inzidenz der Todesfälle anderer gesundheitsbezogener Ursachen von 3,5% auf 2,1%. Die Überlebenden mit Diagnose in den letzteren Jahren hatten ein signifikant niedrigeres Risiko, an natürlichen (auch nicht rezidivbezogenen) Ursachen zu versterben – einschliesslich Sekundärtumor, Herz- und Lungenerkrankung (vgl. Tabelle). Die besten Überlebenswerte (weniger Todesfälle aufgrund von Spätwirkungen der Krebstherapie) betrafen Überlebende mit Wilms-Tumor, Hodgkin-Lymphom und akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL). Die Anzahl kardialer Todesursachen sank signifikant bei den Überlebenden aller drei Malignome. Todesfälle aufgrund eines Sekundärtumors nahmen allerdings nur bei den Überlebenden eines Wilms-Tumors ab. Weniger intensiv bestrahlt, weniger Anthrazyklin, bessere Supportivtherapie Die Analyse zeigte, dass verfeinerte Methoden mit verringerter Therapieintensität, verbunden mit verbesserter Wirksamkeit, bei vielen pädiatrischen Malignomen für die günstige Prognose aus- 36 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2015 Kongressbericht 51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015 schlaggebend waren. Beispielsweise erhielten in den Siebzigerjahren 86% der ALL-Patienten eine kraniale Radiotherapie, dagegen nur 22% in den Neunzigerjahren. Auch bei Hodgkin-Lymphom und Wilms-Tumor wurde die Strahlentherapie verringert. Die kumultative Dosis von Anthrazyklin, welches kardiotoxisch wirkt, wurde zudem bei allen drei Erkrankungen reduziert. Auch wenn modernisierte Therapiemethoden des Primärtumors sich wahrscheinlich am stärksten auf das Langzeitüberleben auswirkten, dürfe nicht übersehen werden, dass Optimierungen der Supportivtherapie, die Früherkennung und die Behandlung der Spätwirkungen eine weitere lebensverlängernde Rolle spielen, kommentierte der Studienautor Dr. Armstrong das Resultat. L hir Quelle: 1. Armstrong GT et al.: Reduction in late mortality among 5-year survivors of childhood cancer: A report from the Childhood Cancer Survivor Study (CCSS). ASCO Annual Proceedings 2015; Abstract LBA2 (Plenary Session) sowie Medienpräsentation ASCO-Jahrestagung 2015. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2015 37