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51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
Lebermetastasiertes Kolorektalkarzinom (KRK)
Verlängertes PFS in der Leber unter selektiver interner Radio-(SIRT-) plus Chemotherapie
Fortgeschrittene Kolorektalkarzinome metastasieren sehr häufig primär in die Leber; die chirurgische Resektion ist nur in einigen Fällen möglich. Jetzt zeigte sich, dass bei nicht resektablen Lebermetastasen eines KRK die SIRT-Erstlinientherapie mit SIR-Spheres-Y-90-Harz-Mikrosphären zusätzlich zur Standardtherapie FOLFOX6m (mit oder ohne Bevacizumab) potenzielle Überlebensvorteile bringt verglichen mit der alleinigen Chemotherapie.
Etwa ein Viertel aller Patienten, bei denen die Diagnose Kolorektalkarzinom (KRK) gestellt wird, weise zum Diagnosezeitpunkt bereits Metastasen auf; letztlich werde die Hälfte der KRK-Patienten Metastasen entwickeln, erinnerte Prof. Peter Gibbs, Melbourne/Australien, KoHauptstudienleiter der unten beschriebenen SIRFLOX-Studie. Die Leber ist die Stelle, die als Erstes und am häufigsten von Metastasen befallen wird. Die Mehrzahl der betroffenen Patienten werde an einem tumorbedingten Leberversagen sterben, so Gibbs. Die Interventionelle Radiologie verwendet als eine ihrer Methoden die selektive interne Radiotherapie (SIRT). Unter Verwendung von Yttrium-90-Harz-Mikrosphären (SIR-Spheres®-Y-90-Harz-Mikrosphären) liefen derzeit grosse randomisierte klinische Studien zur Behandlung bei Lebermetastasen infolge KRK und bei Lebertumoren, erklärte Prof. Gibbs.
Bisher grösste Vergleichsstudie mit lebergerichteten SIR-Sphären
Die randomisierte, kontrollierte Vergleichsstudie SIRFLOX in der Phase III mit 530 Patienten kombinierte die selektive interne Radiotherapie (SIRT) unter Anwendung von Y-90-Harz-Mikrosphären (SIR-Spheres® Mikrosphären) mit der Stan-
Die Therapie mit SIR-Spheres®-Yttrium-90-HarzMikrosphären ist in der Schweiz wie auch in Argentinien, Brasilien, der EU, der Türkei und mehreren asiatischen Ländern zur Behandlung nicht resektabler Lebermalignome zugelassen. In den USA besteht daneben die Zulassung für die Behandlung nicht resektabler Lebermetastasen primärer Kolorektalkarzinome mit adjuvanter intrahepatischer arterieller Chemotherapie.
dardchemotherapie FOLFOX6m mit oder ohne Bevacizumab. Es handelt sich um die bis anhin grösste randomisierte klinische Studie, welche die interventionelle Radiologie und Chemotherapie in der Onkologie in der Erstlinie kombiniert. Im prospektiven, offenen, multinationalen, randomisierten Studiendesign wurden Patienten mit nicht resektablen, nur oder vorwiegend in der Leber auftretenden Metastasen des kolorektalen Karzinoms (mKRK) in die Erstlinienstudie aufgenommen. Die Patienten erhielten: L im Kontrollarm A die Standardthera-
pie mit FOLFOX6m ± Bevacizumab; L im Studienarm B die Therapie FOL-
FOX6m plus SIRT in Einmalgabe mit Zyklus 1 ± Bevacizumab. Die Therapie erfolgte bis zur Krankheitsprogression. Nach Ermessen des Prüfarztes war die Zugabe von Bevacizumab in jeder Gruppe erlaubt. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) nach RECIST v1.0. Stratifiziert wurde nach Vorhandensein einer extrahepatischen Erkrankung (EHD, nur Leber- versus überwiegende Lebermanifestation), dem Grad der Leberinvolvierung (< 25% vs. > 25%) und der Behandlung mit Bevacizumab.
Erste Resultate: Leberbezogenes PFS um fast 8 Monate verlängert
Zwischen Oktober 2006 und April 2013 wurden 530 Patienten randomisiert; 212 (40%) hatten eine EHD. Das mediane Follow-up dauerte 36,1 Monate. Erste Ergebnisse wurden in einer «Oral Abstract Session» an der ASCO-Jahrestagung präsentiert:
Über Y-90-SIR-Spheres-Harz-
Mikrosphären
Yttrium-(Y-)90-Harz-Mikrosphären werden bei der SIRT (auch Radioembolisation genannt) eingesetzt, einem seit Jahren bewährten Verfahren zur Behandlung von inoperablen Lebertumoren. Mit hohen, zielgerichteten Strahlendosen wird direkt die von Krebs befallene Stelle angegriffen. Bei einer minimalinvasiven Behandlung werden hierzu Millionen radioaktiver SIRSpheres (mit einem Durchmesser zwischen 20 und 60 Mikrometer) über einen Katheter in die Leber infundiert, wo sie gezielt auf die Lebertumoren einwirken, und zwar mit einer Strahlendosis, die 40-mal höher ist als bei konventioneller Radiotherapie von aussen und die gleichzeitig gesundes Lebergewebe schont. Die SIRT mit Y-90-Harz-Mikrosphären wird weltweit seit zehn Jahren angewandt, dies meist bei Patienten, die nicht auf eine Chemotherapie ansprechen. Die SIRFLOX-Studie ist die erste von drei laufenden Studien, die die Zugabe dieser SIRT zur Chemotherapie in der Erstlinientherapie bei mKRK mit Lebermetastasen untersucht.
Das mediane leberbezogene PFS betrug 20,5 Monate im Studienarm B mit der SIRT-Zugabe, aber nur 12,6 Monate im Kontrollarm A ohne die SIRT (HR: 0,69; 95%-KI: 0,55–0,90; p = 0,002). Dies war signifikant und entsprach einem um 31% erniedrigten Risiko des klinischen Fortschreitens der Lebermetastasen. Leider war das mittlere gesamthafte (auf alle Organe bezogene) PFS kaum erhöht (10,2 vs. 10,7 Monate in Arm A versus Arm B; HR: 0,93). Die Gesamtansprechrate (partielles und komplettes Ansprechen) betrug 68,0% vs. 76,4% (Arm A vs. Arm B), der Unterschied war signifikant. Die hepatische Ansprechrate war ebenfalls im Studienarm B höher mit 78,7% (vs. 68,8% in Arm A); dabei betrug die Rate kompletten Ansprechens 6,0% im Studienarm B (vs. 1,9% im Kontrollarm A). Die nachträgliche Leberresektionsrate betrug hier 14,2% (13,7% im Kontrollarm A).
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51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
«Wir haben zu klären, ob sich über Lebermetastasen die Lebensverlängerung entscheidet»
SZO: Herr Prof. Heinemann, was bedeutet das aktuelle Ergebnis der SIRFLOX-Studie für die klinische Praxis bei metastasiertem Kolorektalkarzinom? Volker Heinemann: Das ist genau die Kernfrage, die die onkologische Fachwelt hinsichtlich des metastasierten Kolorektalkarzinoms derzeit bewegt. Alle Meinungsführer sagen einheitlich, dass das Ergebnis der SIRFLOX-Studie hochinteressant ist, dass aber die Daten zum Gesamtüberleben abgewartet werden müssen, damit die SIRT mit SIR-Spheres ihren Platz findet. Dies betrifft die Erstlinientherapie und selektierte Patienten. Hier haben wir wahrscheinlich einen Platz in einem neuen Therapiealgorithmus zu finden.
Wann erwarten Sie die Daten zum Gesamtüberleben, und wird es Zwischenanalysen geben? Heinemann: Wir rechnen damit, dass 2017 die OS-Daten zur Verfügung stehen. Was wir in der Zwischenzeit machen: Wir analysieren die Ansprechtiefe («depth of response») und versuchen
inzwischen zu klären, ob diese therapeutisch vertieft werden kann. Wir erwarten dazu mit Spannung im nächsten Jahr, also 2016, Resultate.
Das leberbezogene PFS wurde unter Hinzunahme der selektiven internen Radiotherapie (SIRT) bei den Kolorektalkarzinompatienten mit primär nicht resektablen Lebermetastasen um 7,9 Monate verlängert. Das gesamthafte PFS war dagegen kaum erhöht. Wie erklären Sie gegenwärtig dieses Ergebnis? Heinemann: Das Resultat zu diesem signifikant erhöhten leberbezogenen PFS unter der SIRT-Hinzunahme in dieser grossen Studie mit 530 Patienten ist beachtlich und bestätigt frühere Studienergebnisse mit dieser Patientenklientel, wobei aber nur 119 Patienten einbezogen wurden. Wir haben ja Patienten mit nicht resektablen Lebermetastasen in die Studie aufgenommen, also Patienten mit besonders schlechter Prognose. Daneben haben wir zu 40% Patienten, die gleichzeitig
Prof. Volker Heinemann, Universitätsklinikum München, Studienleiter der SIRFLOX-Studie in Europa
extrahepatische Metastasen aufweisen. Wir haben nun herauszufinden, inwieweit Lebermetastasen das wirklich entscheidende lebensbegrenzende Element sind, und ob wir in der Lage sind, mittels dieser SIRT eine Tumorkontrolle bezüglich der Lebermetastasen zu erreichen.
Wie beurteilen Sie die Verträglichkeit der SIRT mittels SIR-Spheres? Heinemann: Die Verträglichkeit war insgesamt gut. Entscheidend ist immer, ob der Radiologe mit der selektiven interventionellen Radiotherapie seine Arbeit gut macht. Eine Qualitätskontrolle ist ganz entscheidend und sollte künftig strikt gefordert werden.
Prof. Heinemann, ganz herzlichen Dank!
Grad-3-Nebenwirkungen wurden zu 73,3% und 85,4% der Patienten (Arm A vs. B) berichtet, zumeist hämatologische (32,9% vs. 51,2%) und gastrointestinale (21,2% vs. 32,9%) Wirkungen, einschliesslich Magenulkus (0,0% vs. 2,4%).
Markanter Nutzen durch «Leberkontrolle» bei rund 60% der Patienten
Im Erstliniensetting bei Patienten mit initial nicht resektablen Lebermetastasen beim primären Kolorektalkarzinom ver-
fehlte die Zugabe der SIRT zur Standard-
chemotherapie zwar den primären End-
punkt, das heisst, sie konnte nicht das
gesamthafte PFS verbessern. Allerdings
war das Lebermetastasen-bezogene PFS
signifikant um 7,9 Monate verlängert.
Dabei war die Toxizität akzeptabel. Mit
Spannung werden die Analysen zum
Gesamtüberleben erwartet, bei denen
die Daten der SIRFLOX-Studie und die
anderer laufender Studien in dieses Set-
ting einfliessen.
I
Bärbel Hirrle
Quellen/Referenz: Gibbs P et al.: SIRFLOX: Randomized phase III trial comparing first-line mFOLFOX6 ± bevacizumab (bev) versus mFOLFOX6 + selective internal radiation therapy (SIRT) ± bev in patients (pts) with metastatic colorectal cancer (mCRC). ASCO Annual Proceedings 2015; Abstract # 3502. SIRFLOX-Pressegespräch, organisiert von ipse communication GmbH, Berlin, anlässlich der ASCO-Jahrestagung 2015.
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