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51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
Fortgeschrittenes Prostatakarzinom
Optionen für weitere Verbesserungen des Gesamtüberlebens
Wird bei Prostatakarzinom im Hochrisikostatus zusätzlich zur Androgensuppression in Verbindung mit Radiotherapie noch die Zugabe einer Chemotherapie mit Docetaxel appliziert, kann mit verbessertem Gesamtüberleben gerechnet werden. Dies trifft auch für den sofortigen Beginn einer Androgensuppression im Vergleich zum verzögerten Start bei Patienten mit einem PSA-Rückfall zu. Bei mit Ra-223 (Xofigo®) behandelten Patienten war das Gesamtüberleben besser, wenn sie zusätzlich mit Denosumab oder Abirateron behandelt wurden.
Patienten mit einem lokalen HochrisikoProstatakarzinom haben eine verhältnismässig schlechte Prognose. Doch sie kann verbessert werden: An der diesjährigen ASCO-Jahrestagung wurden dazu zwei Studien im Rahmen der Genitourinary (Prostate) Cancer Oral Abstract Session vorgestellt.
Adjuvantes Docetaxel verbessert das Gesamtüberleben
Die erste Studie, die als «Late Breaker Abstract» ins Programm kam, ging von der Hypothese aus, dass die adjuvante Zugabe von Docetaxel und Prednison zu einer Langzeit-Androgensuppression (AS) über 24 Monate sowie Radiotherapie (RT) das Gesamtüberleben (OS) verbessern würde (1). Die Studie RTOG 0521 wurde im Dezember 2005 eröffnet und im August 2009 geschlossen. Ziel war die Sammlung von 600 Patienten. Es sollte eine Verbesserung des Überlebens (nach 4 Jahren von 86% auf 93%) beziehungsweise eine Risikoreduktion von 51% (HR = 0,49) erzielt werden. Die Patienten wiesen folgende Merkmale auf: 1.: Gleason (Gl) 7–8, alle T-Stages und PSA > 20; oder 2.: Gl 8, ≥ T2, jeder PSA-Wert; oder 3.: Gl 9–10, alle T-Stages, jeder PSA-Wert. Alle Patienten hatten PSA ≤ 150. Die RTDosis lag bei 75,6 Gy. Die Chemotherapie bestand in 6 dreiwöchentlichen Zyklen von Docetaxel plus Prednison mit Start 28 Tage nach der Radiotherapie. Das mediane Alter der aufgenommenen 562 Patienten lag bei 66 Jahren, der
mediane PSA-Wert bei 15,1. 53% hatten ein Gl 9–10, 27% hatten ein cT3–4. Nach einem medianen Follow-up von 5,5 Jahren lag das Gesamtüberleben (OS) nach 4 Jahren: L für den AS-plus-RT-Arm bei 89%
(95%-KI: 84–92%) und L für den AS-plus-RT-plus-CT-Arm (= Stu-
diengruppe) bei 93% (95%-KI: 90–96%) (1-sided p = 0,03, HR = 0,68 [95%-KI: 0,44–1,03]). Es kam zu 36 Todesfällen in der Studiengruppe (vs. 52 in der Kontrollgruppe), dabei in der Studiengruppe zu weniger karzinombedingten Todesfällen (16 vs. 20), zudem zu weniger Todesfällen aufgrund anderer Ursachen. Die Fünfjahresraten für ein krankheitsfreies Überleben lagen bei 66% im ASplus-RT-Arm und bei 73% im AS-plus-RTplus-CT-Arm (2-sided p = 0,05, HR = 0,76 [95%-KI: 0,57–1,00]). Die Toxizität lag im akzeptablen Rahmen. Die Studienleiter folgern, dass eine weitere Nachbeobachtung erforderlich ist, um den eindruckvollen Langzeitnutzen der adjuvanten Docetaxeltherapie im beschriebenen Therapieschema zu bestätigen.
STAMPEDE: «Docetaxel top – Zoledronsäure flop»
In STAMPEDE, einer randomisierten und kontrollierten Studie mit vielen Behandlungsarmen in unterschiedlichen Stadien der Erkrankung (2), wurden Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Prostatakarzinom mit einer erstmaligen Langzeithormontherapie (HT) behandelt.
Die Behandlung erfolgte randomisiert gemäss Schema 2:1:1:1 in: L Androgensuppression (AS) L Docetaxel plus AS (D+AS) L Zoledronsäure plus AS (ZA+AS) L Docetaxel plus Zoledronsäure plus
Androgensuppression (D+ZA+AS). Die Standardbehandlung (SOC) mit AS wurde für mindestens 3 Jahre durchgeführt. Bei Patienten im Stadium N0M0 wurde die Radiotherapie anfänglich empfohlen und schliesslich gar für obligatorisch erklärt (optional für N+M0). Zoledronsäure 4 mg wurde in 6 dreiwöchentlichen Zyklen verabreicht und anschliessend vierwöchentlich bis 2 Jahre. Docetaxel 75 mg wurde in 6 dreiwöchentlichen Zyklen zusammen mit täglich 10 mg Prednisolon verabreicht. Als primärer Endpunkt wurde das Überleben festgelegt (Zeit ab Randomisierung bis zum Tod). Von Oktober 2005 bis März 2013 wurden 2962 Patienten in die vier Studienarme randomisiert (medianes Alter 65 J.; 61% metastasiert, 14% N+/XM0, 22% N0M0; medianes PSA 65 ng/ml). Nach einem medianen Follow-up von 42 Monaten kam es zu folgenden Ergebnissen: Grad-3- bis -5-Toxizitäten unter SOC 31%, SOC+D 50%, SOC+ZA 32% und SOC+D+ZA 52%. Im Kontrollarm kam es zu 405 Todesfällen, davon in 84% aufgrund des Prostatakarzinoms. Die Hazard Ratio (HR) für SOC+D versus SOC lag bei 0,76 (95%-KI: 0,63–0,91; p = 0,003); für SOC+ZA versus SOC bei 0,93 (95%-KI: 0,79–1,11; p = 0,437) und für SOC+D+ZA versus SOC bei 0,81 (95%-KI: 0,68–0,97; p = 0,020). Fazit: Die Überlebensdaten von STAMPEDE zeigen bei Männern mit erstmaliger Langzeithormontherapie eine statistisch signifikante klinische Verbesserung des Überlebens von 67 Monaten, bei Androgensuppression um 10 Monate auf 77 Monate durch die Zugabe von Docetaxel. Bei der Zugabe von Zoledronsäure wurde kein verbessertes Überleben beobachtet.
22 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2015
51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
mCRPC: bei RA-223 zusätzlicher Nutzen mit Denosumab oder Abirateron
Bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) und Knochensymptomen hatte die Schlüsselstudie ALSYMPCA mit Radium223 (Ra-223; Xofigo®) gegenüber Plazebo ein verbessertes OS (median 14,9 vs. 11,6 Monate, HR = 0,70) ergeben (3). Nun wurden die Daten aus dem internationalen Early Access Program (EAP) von 696 Patienten aus 14 Ländern vorgestellt (4). In dieser prospektiven Phase-IIIb-Studie wurden die mCRPC-Patienten mit und ohne symptomatische Knochenmetastasen (keine viszerale Erkrankungen) mit Ra-223, 50 kBq/kg (i.v.) vierwöchentlich während sechs Zyklen behandelt. Primäre Endpunkte waren die Sicherheit der Behandlung sowie das OS. Die Studie analysierte, welchen Einfluss: L eine parallele Medikation; L das Schmerzempfinden zu Beginn
der Therapie; L die alkalische Phosphatase (ALP)
sowie L der ECOG-Performance-Status
(ECOG-PS) auf das Gesamtüberleben hatten. Von den 696 behandelten Patienten erhielten 58% alle sechs Ra-223-Injektionen. Das mediane Alter lag bei 72 Jahren; 88% der Patienten hatten einen ECOG-PS von 0 bis 1; Schmerzen wurden berichtet als: kein Schmerz in 21%, mild bis moderat in 52% und schwer in 27%. 60% der Patienten waren vorgängig schon mit Docetaxel behandelt worden.
Parallele Therapien waren in 22% Abirateron, in 20% Denosumab, in 18% Bisphosphonate und in 4% Enzalutamid. Grad-3- und -4-Nebenwirkungen wurden bei 38% der Patienten berichtet; 21% beendeten die Therapie mit Ra-223 vorzeitig aufgrund der Nebenwirkungen. Das mediane OS lag bei 16 Monaten. Die mediane Dauer bis zum ersten symptomatischen skelettbezogenen Ereignis (SSE) lag bei 18 Monaten; 24% der Patienten hatten eine ≥ 50% bestätigte Verminderung der ALP gegenüber den Ausgangswerten; 8% hatten eine > 50% bestätigte PSA-Abnahme gegenüber den Ausgangswerten. Fazit: Bei mit Ra-223 behandelten Patienten war das Gesamtüberleben besser, wenn sie zusätzlich mit Denosumab oder Abirateron behandelt wurden. Signifikant länger war das OS auch bei Patienten mit einem guten ECOG-PS (0–1), fehlenden Schmerzen und einem tiefen ALP (< 220 U/l). Sofortiger Beginn einer Androgendeprivation verbessert das OS Im Rahmen einer randomisierten, prospektiven Phase-III-Studie bei 293 Patienten mit einem PSA-Rückfall nach definitiver Therapie oder bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Diagnose nicht für eine kurative Behandlung infrage kommen, wurde untersucht, ob eine sofortige Intervention (Arm B, n = 142) mit einer Androgendeprivationstherapie verglichen mit einer verzögerten Behandlung (Arm A, n = 151) das OS zu verlängern vermag (5). Im Arm A verstarben 30 Patienten, im Arm B 16. Das OS lag mit einem 6-Jah- res-OS von 86% im Arm B signifikant höher als im Arm A mit 79%. Die Hazard Ratio für einen Todesfall in- folge aller Ursachen im Arm B verglichen mit Arm A lag bei 0,54 (95%-KI: 0,27–1,06; p = 0,07). Die karzinombezogene Morta- lität war im Arm B vermindert (HR: 0,50; KI: 0,17–1,51; p = 0,22), ebenso waren Todesfälle aus anderen Gründen vermin- dert (HR: 0,57; KI: 0,31–1,05; p = 0,07). Weiterhin waren die lokale und die ent- fernte Krankheitsprogression in Studien- arm B signifikant reduziert (HR: 0,51; 95%-KI: 0,34–0,76; p = 0,001; HR: 0,54; 95%-KI: 0,32–0,90; p = 0,018). Fazit: Das Gesamtüberleben und die Zeit bis zur Krankheitsprogression waren sig- nifikant verbessert bei sofortiger Andro- gendeprivationstherapie. I Thomas Ferber Referenzen: 1. Sandler HM et al.: A phase III protocol of androgen suppression (AS) and 3DCRT/IMRT versus AS and 3DCRT/IMRT followed by chemotherapy (CT) with docetaxel and prednisone for localized, high-risk prostate cancer (RTOG 0521). ASCO annual proceedings 2015, abstract #LBA5002. 2. James ND et al.: Docetaxel and/or zoledronic acid for hormone-naïve prostate cancer: First overall survival results from STAMPEDE (NCT00268476). ASCO annual proceedings 2015, abstr #5001). 3. Parker C et al.: Alpha Emitter Radium-223 and Survival in Metastatic Prostate Cancer. N Engl J Med. 2013; 369: 213–223. 4. Saad F et al.: Radium-223 in an international early access program (EAP): Effects of concomitant medication on overall survival in metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRCP) patients. ASCO annual proceedings 2015, abstr #5034). 5. Duchesne GM et al.: TROG 03.06 and VCOG PR 01-03: The «Timing of androgen deprivation therapy in prostate cancer patients with a rising PSA (TOAD)» collaborative randomised phase III trial. ASCO annual proceedings 2015, abstr #5007). 24 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2015