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51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
Metastasierter Brustkrebs (mBC)
Neue Wege zur Verlängerung der Tumorkontrolle
Bei metastasiertem Brustkrebs erscheinen neue Therapieoptionen am Horizont, darunter der Kinasehemmer Palbociclib bei hormonrezeptor (HR-)positiven, HER2-negativen Tumoren, welcher in Kombination mit Letrozol in den USA schon zugelassen ist. Kombiniert mit Fulvestrant kam es nun ebenfalls zu verlängertem PFS. Bei HER2-positiven Tumoren zeigte die Kombination T-DM1/Pertuzumab keine Überlegenheit gegenüber Standardtherapien. Eine prädiktive Biomarkerstudie zeigte spannende Resultate für die Everolimus-Behandlung.
PALOMA-Studien bei HRpositiven/HER2-negativen Tumoren
Ein diesjähriges Highlight – als Latebreaking-Abstract und in der ASCOMedienkonferenz herausgestellt – war die Phase-III-Doppelblindstudie PALOMA-3 mit Palbociclib in Kombination mit Fulvestrant bei vorbehandelten Patientinnen mit metastasierten hormonrezeptor-(HR-) positiven/HER2-negativen Tumoren. Der Hemmer der Zyklin-abhängigen Kinasen (CDK) 4 und 6 zeigte bereits präklinisch starke Wirksamkeit in der Kombination mit endokriner Therapie und ist damit bedeutsam bei HR-positivem Brustkrebs nach endokriner Resistenzbildung. Palbociclib ist seit Beginn 2015 in den USA bereits in Kombination mit Letrozol bei postmenopausalen Patientinnen zugelassen. Das Medikament wird einmal täglich in Kapselform vor dem Essen eingenommen und hat eine lange Halbwertzeit von 29 Stunden.
PALOMA-3: Palbociclib mit Fulvestrant: «Verdoppelte Krankheitskontrolldauer» Die randomisierte, doppelblinde PhaseIII-Studie PALOMA-3 (1) untersuchte die Kombination Fulvestrant (Faslodex®) mit Palbociclib versus Fulvestrant/Plazebo bei 521 prä- und auch postmenopausalen Frauen mit HR-positivem/HER2-negativem mBC, deren Tumoren nach vorhergegangener endokriner Behandlung progredierten. Studienleiter Prof. Nicholas Turner, London, präsentierte die Ar-
beit und kommentierte die Resultate der Interimanalyse: Die Patientinnen wurden randomisiert im Verhältnis 2:1 zur Therapie mit L Palbociclib 125 mg/täglich für 3 Wo-
chen, danach 1 Woche ohne Medikament) und Fulvestrant (500-mg-Standardtherapie) alle 4 Wochen oder L Plazebo (o.g. Regime) und Fulvestrant (o.g. Regime). Prä- und perimenopausale Frauen erhielten zusätzlich Goserelin. Eine vorangegangene Chemotherapie war erlaubt. Primärer Endpunkt war das PFS, sekundäre Endpunkte schlossen Gesamtüberleben, Ansprechraten, Patientinnenbeurteilungen sowie die Verträglichkeit ein. Die geplante Zwischenanalyse erfolgte, nachdem in 195 Fällen ein Fortschreiten der Erkrankung aufgetreten war (und was somit die Dauer des PFS bestimmt hatte, dies nach Feststellung durch ein unabhängiges Ärzteteam). Die Studie wurde dann vorzeitig aufgrund der signifikanten Wirksamkeit der Studienmedikation beendet; ein Follow-up erfolgt zur Bestimmung der sekundären Endpunkte. Bei den 521 Patientinnen (79% postmenopausal; medianes Alter 57 Jahre) betrug das PFS zu diesem Zeitpunkt 9,2 Monate in der Studiengruppe und 3,8 Monate in der Kontrollgruppe (Fulvestrant allein), dies mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,422 (95%-KI: 0,318–0,560; p < 0,000001). Dabei war der Nutzen bei prä- und postmenopausalen Frauen gleich hoch. Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Studienkombination
Kasten:
Neratinib bei frühem Brustkrebs
Neratinib, ein neuer oraler, irreversibler Hemmer der Tyrosinkinase des HER1-, -2- und -4-Rezeptors, wurde in einer plazebokontrollierten Phase-III-Studie nach adjuvanter Therapie mit Trastuzumab bei HER2-positivem, frühem Mammakarzinom untersucht. Prof. Arlene Chan, Perth/Australien, präsentierte die Ergebnisse der primären Analyse der ExteNET-Studie (5): Nach neoadjuvanter oder adjuvanter Chemotherapie plus Trastuzumab erhielten 1420 Patientinnen orales Neratinib und ebenso viele Plazebo einmal täglich während eines Jahres. Nach 2 Jahren zeigte sich ein signifikanter Vorteil der mit Neratinib behandelten Gruppe hinsichtlich des «invasive disease free survival» (IDFS) von 2,3 % (HR: 0,67; 95%-KI: 0,50–0,91; p = 0,009). In der Subgruppenanalyse zeigten sich diese Ergebnisse vor allem bei den hormonrezeptorpositiven Patientinnen, welche nach 2 Jahren einen IDFS-Vorteil von 4,2% zeigten. An Nebenwirkungen traten bei 40% der mit Neratinib behandelten Patientinnen dritt- bis viertgradige Diarrhöen auf. Bezüglich des Gesamtüberlebens beim langzeitigen IDFS wird das Follow-up über 5 Jahre abgewartet.
waren myelosuppressive Begleitsymptome wie Neutropenie (78,8% vs. 3,5%), dies wurde aber nur bei 0,6% der Patientinnen in beiden Gruppen beklagt. Die Abbruchrate war in beiden Gruppe sehr niedrig (1,7%; 2,6%).
Erstes Fazit «Wenn die initiale Hormontherapie ihre Wirksamkeit verliert, ist die Chemotherapie die nächste Option, wobei die Nebenwirkungen oft schwer zu ertragen sind», kommentierte Prof. Turner. «Mit dieser neuen, einfach einzunehmenden Kapsel können wir den Zeitpunkt für eine Chemotherapie deutlich hinauszögern – eine riesige Chance für die Betroffenen.» Turner betonte in diesem Zusammenhang, dass zirka 75% der Mammakarzinome HR-positiv und HER2-negativ seien.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2015
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51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
Er ergänzte, dass derzeit eine weitere Studie bei noch nicht endokrin vorbehandelten Brustkrebspatientinnen mit Palbociclib laufe (PALOMA-2) und dass ferner erwogen werde, das Medikament bei frühem HR-positivem Brustkrebs zu prüfen.
PALOMA-1/TRIO-18: gute Langzeitverträglichkeit Die von der amerikanischen FDA 2015 im beschleunigten Verfahren erfolgte Zulassung von Palbociclib in Kombination mit Letrozol (Femara®) in der Erstlinientherapie basierte auf der vorhergegangenen Phase-II-Studie PALOMA-1. Bei der diesjährigen ASCO-Jahrestagung wurden Daten zum Langzeitverträglichkeitsprofil vorgestellt (2). Die Kombination Palbociclib/Letrozol hatte vorgängig ein signifikant verlängertes PFS von 20 Monaten (vs. 10 Monate unter Letrozol allein) gezeigt. Untersucht wurden nun die Nebenwirkungen in sechsmonatigen Zeitintervallen (bis 6 Monate, 6–12 M., 12–24 M., > 24 M.) und kumuliert (gemessen nach 12 und 24 Monaten). Gemessen wurde ferner die Latenzzeit bis zum Beginn dauerhafter Nebenwirkungen in der Phase-IStudie TRIO (n = 12) und in der Phase-IIStudie PALOMA-1 (n = 83). Dabei zeigte sich, dass die meisten Nebenwirkungen (> 15%) innerhalb des ersten halben Jahres der Einnahme auftraten und in der Folgezeit abnahmen. Das Nebenwirkungsprofil entsprach unverändert den früheren Beobachtungen; eine Neutropenie begann nach durchschnittlich 20 Tagen, Anämie und Thrombozytopenie setzten nach 168 respektive 140 Tagen ein. Es gab keinen Nachweis für kumulative Wirkungen oder spät einsetzende Toxizität unter dem Therapieregime.
MARIANNE-Studie mit T-DM1/Pertuzumab bei HER2-positiven Tumoren
Prof. Paul Anthony Ellis, London, präsentierte erste Resultate der Phase-III-Studie MARIANNE in der Erstlinie, die die Kombination mit Trastuzumab-Emtansine (T-DM1; Kadcycla®) und Pertuzumab (Perjeta®) gegenüber Trastuzumab (Herceptin®) plus Taxan untersuchte (3). Ziel der Studie war, drei gezielt gegen HER2
gerichtete Therapieschemata bei nicht vorbehandelten Patientinnen mit fortgeschrittenem, HER2-positivem Brustkrebs zu beurteilen. In Phase-II- und -III-Studien bei Frauen mit HER2-positivem mBC hatte die Therapie mit dem Antikörperkonjugat T-DM1 oder die Kombination Pertuzumab/Herceptin/Docetaxel signifikant verlängerte PFS und OS ergeben. Studienleiter Prof. Paul Ellis, London, stellte die Studie vor: Patientinnen mit bestätigtem HER2-positivem mBC respektive jene mit rezidiviertem lokal fortgeschrittenem BC wurden für eine Erstlinientherapie randomisiert zu: L Docetaxel oder Paclitaxel plus Trastu-
zumab (Standardtherapie); L T-DM1 plus Plazebo, danach T-DM1; L T-DM1 plus Pertuzumab. Primärer Endpunkt war das PFS, zunächst bezüglich des Kriteriums «Nicht-Unterlegenheit», dann bezüglich «Überlegenheit» – jeweils bestimmt durch ein unabhängiges Ärzteteam. Beim klinischen »Cut-off-Termin» im September 2014 waren in jeder Gruppe zwischen 363 und 367 Patientinnen randomisiert.
Resultat: keine Überlegenheit von T-DM1, Pertuzumab-Kombination bleibt Erstlinientherapie Ellis und seine Kollegen beobachteten keine Überlegenheit von T-DM1 mit oder ohne Pertuzumab gegenüber dem Standardtherapiearm im Hinblick auf das PFS und das OS. Interessant sind diese Ergebnisse vor allem vor dem Hintergrund der CLEOPATRAStudie, welche ein verlängertes Gesamtüberleben des Pertuzumab-Trastuzumab-/Docetaxel-Regimes (gegenüber dem Docetaxel/Trastuzumab-Arm) zeigte (Swain SM et al.; NEJM 2015; 372, 724). Daher wäre ein Benefit des T-DM1/Pertuzumab-Arms gegenüber dem Taxan/ Trastuzumab-Arm auch in der MARIANNEStudie zu erwarten gewesen. So aber bleibt die Pertuzumab-Kombination zurzeit die Therapie der Wahl in der Erstlinientherapie bei metastasiertem, HER2positivem Mammakarzinom.
Exploratorische Analysen von BOLERO-1/BOLERO-3 mit Everolimus
Die Identifizierung von prädiktiven Bio-
markern für die Therapie mit Everolimus
(Afinitor®) war Gegenstand einer kom-
binierten exploratorischen Analyse der
grossen Phase-III-Studien BOLERO-1
und BOLERO-3 (4). Beide Studien unter-
suchten die Zugabe von Everolimus
zu Trastuzumab plus Chemotherapie
bei HER2-positivem, fortgeschrittenem
Brustkrebs. In BOLERO-3 hatten die stark
vorbehandelten Patientinnen damit ei-
nen signifikanten Nutzen (beim PFS), in
BOLERO-1 in Erstlinientherapie wurde
dagegen keine statistische Signifikanz er-
reicht (primärer Endpunkt nicht erreicht).
Laut Prof. Dennis J. Slamon, Los Angeles,
wurden insgesamt 561 Tumorproben
analysiert.
In 45% zeigten sich Genveränderungen
im PI3K-Signalweg. Die kombinierte
Analyse ergab, dass Patientinnen mit
PIK3CA-Mutationen oder niedrigem
PTEN verstärkt von der Everolimus-Gabe
profitierten (HR = 0,69; HR = 0,50). In ei-
ner multivarianten Analyse war die Inter-
aktion zwischen PI3K-Status und Therapi-
enutzen statistisch signifikant (p = 0,016).
Gefolgert wird, dass Patientinnen mit
überaktivem PI3K-Signalweg Überle-
bensvorteile durch die Zugabe von Evero-
limus zu Trastuzumab plus Chemothera-
pie bei HER2-positiven fortgeschrittenen
Mammakarzinomen haben.
I
Bärbel Hirrle
Quellen/Referenzen: 1. Turner, NC et al.: PALOMA3: A double-blind, phase III trial of fulvestrant with or without palbociclib in pre- and post-menopausal women with hormone receptor-positive, HER2-negative metastatic breast cancer that progressed on prior endocrine therapy. ASCO Annual Proceedings 2015; abstract #LBA 502. – Oral Abstract Session. 2. Slamon DJ et al.: Long-term safety profile of palbociclib (P) in combination with letrozole (L) as first-line treatment for postmenopausal patients with ER and HER2-advanced breast cancer (ABC) (PALOMA-1/TRIO-18). ASCO Annual Proceedings 2015; abstract # 570. 3. Ellis PA et al.: Phase III, randomized study of trastuzumab emtansine (T-DM1) pertuzumab (P) vs trastuzumab taxane (HT) for first-line treatment of HER2-positive MBC: Primary results from the MARIANNE study. ASCO Annual Proceedings 2015; abstract # 507. Oral Abstract Session. 4. Slamon DJ et al.: Predictive biomarkers of everolimus efficacy in HER2 advanced breast cancer: Combined exploratory analysis from BOLERO-1 and BOLERO-3. ASCO Annual Proceedings 2015; abstract # 512. 5. Chan A et al.: Neratinib after adjuvant chemotherapy and trastuzumab in HER2-positive early breast cancer: Primary analysis at 2 years of a phase 3, randomized, placebocontrolled trial (ExteNET). ASCO Annual Proceedings 2015; abstract # 508.
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