Transkript
Update: «Primary Therapy of Early Breast Cancer»
14th St. Gallen International Breast Cancer Conference, Wien, März 2015
Neue strahlentherapeutische Optionen des frühen Mammakarzinoms
Wichtige Konsensusempfehlungen 2015
Während der 14. St. Gallen International Breast Cancer Conference wurden neue Erkenntnisse seit der letzten Konferenz vor zwei Jahren besprochen, insbesondere die Indikationen für eine Strahlentherapie der Thoraxwand, die hypofraktionierte adjuvante Strahlentherapie und zudem neue Methoden in der Strahlentherapie.
RUDOLF MORANT1, RUTH GRÄTER2
1 Tumorzentrum ZeTuP Rapperswil 2 Zentrum für Radiotherapie Rüti Zürich-Ost-Linth.
SZO 2015; 2: 34–35.
Rudolf Morant Ruth Gräter
Bestrahlung der Brust nach brusterhaltender Operation
Der Nutzen der adjuvanten Strahlentherapie der Brust zeigt sich darin, dass die lokalen und distalen Rückfälle beinahe halbiert und die Mortalität signifikant reduziert werden konnte. Das konnte unter anderem in einer Metaanalyse der Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG) gezeigt werden. Meist wird zur Bestrahlung der Brust noch eine zusätzliche Dosis zu jeweils 2 Gy in fünf Sitzungen (was insgesamt 10 bis 16 Gy entspricht) auf das Tumorbett gerichtet (boost). Das führt zu einer weiteren Verkleinerung der Lokalrezidivrate. Bei älteren Patientinnen mit kleinen, hormonrezeptorpositiven, nodalnegativen Tumoren und nachfolgender hormoneller Therapie kann auf die postoperative Bestrahlung eventuell verzichtet werden. Gemäss einer Metaanalyse aus dem Jahr 2014 wurde mit dieser Strategie zwar eine etwas höhere Rate an Lokalrezidiven, aber kein negativer Einfluss auf das Überleben erzielt (Hughes KS, JCO 2013). Eine postoperative Bestrahlung der Brust wird auch bei Frauen mit BRCA-Mutation durchgeführt. Dabei werden keine klinisch höheren Komplikationsraten
Merkpunkte
L Eine kürzer dauernde hypofraktionierte adjuvante Strahlentherapie
nach brusterhaltender Operation ist im neuen St. Galler Konsensus von 2015 akzeptiert.
L Eine Bestrahlung der Thoraxwand nach Mastektomie ist bei T3-Tumoren
(> 5 cm) zu empfehlen, zudem bei Lymphknotenbefall (bei 1–3 Knoten bei ungünstiger Histologie).
L Die Bestrahlung nach einer neoadjuvanten Therapie richtet sich nach dem
Stadium vor dieser Behandlung.
festgestellt. Bei Vorliegen von Mutationen im AtaxiaTeleangiectatica-Gen sowie einer aktiven Autoimmunerkrankung des Bindegewebes (Sklerodermie, Lupus) werden dagegen vermehrt Nebenwirkungen der Strahlentherapie beobachtet.
Die partielle Brustbestrahlung
Meist wird bei partieller Bestrahlung eine höhere, aber auf einen Teil der Brust beschränkte Einzeldosis verabreicht, dies bei kürzerer Behandlungszeit insgesamt. In einer Metaanalyse von 2010 war mit dieser Strategie kein Überlebensunterschied im Vergleich zur konventionellen Bestrahlung der ganzen Restbrust festgestellt worden, wohl aber eine höhere Rate an Lokalrezidiven und eine höhere Rate an Nebenwirkungen. Heute werden allerdings unterschiedliche und neuere Techniken verwendet. Resultate prospektiver, randomisierter Studien werden dazu erwartet. In einer vom Konsensuspanel der American Society for Radiation Oncology (ASTRO) vorgeschlagenen Untergruppe von Patientinnen – die älter als 45 Jahre waren und kleine, hormonrezeptorpositive, nodalnegative Tumoren mit negativen Resektaträndern aufwiesen – ist jedoch eine partielle Brustbestrahlung unter bestimmten Voraussetzungen in der adjuvanten Situation möglich. Eine intraoperative Strahlentherapie dagegen hat möglicherweise eine höhere Rate an lokalen Rezidiven und ist zurzeit kein Standard ausserhalb von Studien.
Bestrahlung der Thoraxwand und regionaler Lymphknoten nach Mastektomie
Randomisierte Studien haben in den Neunzigerjahren gezeigt, dass eine Thoraxwandbestrahlung nach
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Update: «Primary Therapy of Early Breast Cancer»
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Mastektomie unter Einschluss des supraklavikulären Lymphabflusses sowohl das rezidivfreie als auch das Gesamtüberleben verlängern kann. Die aktuellen Richtlinien beruhen darauf, dass eine Bestrahlung bei T3-Tumoren (> 5 cm) oder bei 4 oder mehr tumorbefallenen axillären Lymphknoten indiziert ist. Nach einer im «Lancet» publizierten Metaanalyse (Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group, Lancet 2014; 383: 2127–35) zeigte sich ein Vorteil der Thoraxwandbestrahlung in Bezug auf eine Verminderung der Rezidive um 32% und der Mortalität um 20%. Das gilt für die ganze Gruppe der nodalpositiven Fälle, auch wenn nur 1 bis 3 Lymphknoten befallen waren (und sogar bei einem Befall eines einzigen axillären Lymphknotens). Voraussetzung für den Nutzen in letzterer Situation ist ein zusätzlicher ungünstiger Pathologiebefund. Damit gilt: Auch bei einem positiven Sentinellymphknoten (ohne nachfolgende Axilladissektion und somit unbekanntem Nodalstatus) ist eine Strahlentherapie zu empfehlen. Die randomisierte EORTC-Studie (22922/10925; ESMO 2013) belegte den Effekt der Bestrahlung der supraklavikulären Lymphabflusswege, da unter dieser Therapie weniger Rezidive als in der Kontrollgruppe auftraten. Folgt eine Strahlentherapie einer neoadjuvanten Behandlung, soll das strahlentherapeutische Konzept gemäss dem Stadium vor der neoadjuvanten Therapie erfolgen.
Im St. Galler Konsensus-Statement 2015 wurde eine Thoraxwandbestrahlung bei T3-Tumoren (> 5 cm) oder bei nodalem Befall, unabhängig von der Anzahl befallener Lymphknoten, und ungünstiger Histologie als Standard beurteilt, während ein junges Alter der Patientin für eine Indikation kontrovers beurteilt wurde.
Hypofraktionierung
Studien zur Hypofraktionierung beruhen auf der Hypothese, dass Brustkrebszellen gleich sensitiv auf wechselnde Fraktionsgrössen reagieren wie das umgebende Gewebe. Anders formuliert: Es wird also vermutet, dass durch eine geringere Anzahl der Sitzungen bei höherer Einzeldosis sich weder die Wirkung noch die Nebenwirkungen im Vergleich zur Standardbestrahlung ungünstig verändern. Diese Hypothese wurde durch wichtige Studien untermauert: Wenn die Einzeldosis auf 2,7 Gy erhöht wurde (im Vergleich zum Standard von 2 Gy), ergaben sich nach einer Beobachtungszeit von 12 Jahren für eine adjuvante Bestrahlung der Brust nach brusterhaltender Operation 16 statt wie früher 25 Sitzungen: Es ergaben sich vergleichbare Ergebnisse in Bezug auf die Lokalrezidivrate (Whelan et al.; NEJM 2010). Englische START-Studien (STandardized breast Ra-
dio Therapy) untersuchten eine Verkürzung auf 15 Sessionen bei einem Total von 40 Gy versus den bisherigen Standard von 50 Gy in 25 Sitzungen. Es wurden nicht nur weniger Nebenwirkungen, sondern sogar bessere Resultate im Vergleich zum Standardvorgehen gefunden, auch wenn das statistisch nicht signifikant war. In England wurde in der Folge der Studie NICE bereits 2009 die Empfehlung gegeben, als Standard eine adjuvante Strahlentherapie bis 40 Gy in 15 Sitzungen mit einer Fraktionsgrösse von 2,67 Gy zu verabreichen.
Im St. Galler Konsensus-Statement 2015 wurde eine Strahlentherapie mit weniger Fraktionen akzeptiert, dies bei Patientinnen, die älter als 50 Jahre sind, aber auch bei jüngeren Patientinnen, und zwar unabhängig davon, ob eine vorangegangene Chemotherapie erfolgt ist und unabhängig von einem eventuellen Lymphknotenbefall.
Strahlentherapie der Lymphknoten
Im Konsensus wurde festgehalten, dass bei fehlendem Lymphknotenbefall nur die Brust ohne Lymphabflussgebiet bestrahlt werden soll. Bei Lymphknotenbefall hingegen sollen – zusätzlich zur Brust – auch die regionalen Lymphknotenareale bestrahlt werden, ohne allerdings generell die Mammaria-interna-Knoten miteinzubeziehen. In Zukunft werden wohl die Kriterien, welche Patientinnen bestrahlt werden, und die Anpassung an die individuelle Empfindlichkeit weiter verfeinert werden. Technische Verbesserungen wie intensitätsmodulierte Strahlentherapie werden sich ergeben. L
Dr. med. Rudolf Morant (Korespondenzadresse) Leiter Tumorzentrum ZeTuP Rapperswil Alte Jonastrasse 24 8640 Rapperswil E-Mail: rudolf.morant@zetup.ch
Dr. med. Ruth Gräter Zentrum für Radiotherapie Rüti, Zürich-Ost-Linth. 8630 Rüti
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