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Kongressbericht
30th Anniversary Congress der European Association of Urology (EAU), Madrid, 20. bis 24. März 2015
Fortgeschrittenes Prostatakarzinom
Die Androgenrezeptor-gerichteteTherapie zeitlich korrekt gesetzt
Das therapeutische Armamentarium zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms hat sich in den letzten Jahren bemerkenswert erweitert. Die Aufgabe besteht jetzt darin, den richtigen Zeitpunkt für die richtige Therapie beim richtigen Patienten zu definieren. Beim Jahreskongress der EAU wurden wichtige Studienergebnisse zum Einsatz der neuen Androgenrezeptor-gerichteten Therapien präsentiert.
Enzalutamid zeigt Überlegenheit gegenüber Bicalutamid
Die Studie TERRAIN wurde durchgeführt, um den klinischen Benefit von Enzalutamid (Xtandi®) im Vergleich zu Bicalutamid bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC), die nach GnRH-Analoga oder bilateraler Orchiektomie progredient waren, nachzuweisen (1). 375 Chemotherapie-naive Patienten mit asymptomatischer oder mild symptomatischer Erkrankung erhielten randomisiert Enzalutamid (160 mg/Tag) oder Bicalutamid (50 mg/Tag). Der primäre Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), sekundäre Endpunkte waren das PSA-Ansprechen und die Zeit bis zum PSA-Ansprechen. Die finale Analyse der Studie war nach ≥ 220 PFS-Ereignissen geplant. Zum «data cut-off» im Oktober 2014 waren 240 Ereignisse bezüglich des primären Endpunkts erfolgt. Die in die TERRAINStudie eingeschlossenen Patienten waren im Median 71 Jahre alt, zeigten mehrheitlich einen ECOG-Performance-Status von 0 (in den Enzalutamid- bzw. Bicalutamid-Gruppen: 70,7% bzw. 76,4%) und einen Schmerzscore nach BPI-SF-Q3 von 0 bis 1 (54,9% vs. 61,3%). Etwas mehr als die Hälfte der Patienten hatte einen Gleason-Score ≥ 8 bei initialer Diagnose (55,4% vs. 57,6%). In den Enzalutamidrespektive Bicalutamid-Gruppen betrug der mediane PSA-Wert 20,6 respektive 21,4 ng/ml und die alkaline Phosphatase im Median 91,0 (bzw. 95,0 U/l). 45,1% gegenüber 48,2% der Patienten wiesen
eine alleinige Metastasierung der Knochen auf. 19,6% und 15,2% der Patienten hatten eine alleinige viszerale Metastasierung und 34,8% respektive 36,1% beide Metastasenlokalisationen. Das PFS betrug unter Enzalutamid median 15,7 Monate (vs. 5,8 Monate unter Bicalutamid), was einer Hazard Ratio (HR) von 0,44; p < 0,0001 entsprach. Dieser Therapievorteil zeigte sich in allen untersuchten Subgruppen. Die Zeit bis zum PSA-Progress dauerte 19,4 versus 5,8 Monate (HR = 0,28; p < 0,0001). 82% der Patienten im Enzalutamid-Arm (vs. 21% der Patienten im Bicalutamid-Arm) zeigten ein PSA-Ansprechen in Woche 13. Das Sicherheitsprofil von Enzalutamid entsprach weitestgehend dem bekannten Sicherheitsprofil für Patienten mit mCRPC. Die Autoren schlossen, dass die Ergebnisse der TERRAIN-Studie möglicherweise das Management des mCRPC ändert, und schlugen vor, Enzalutamid als frühe Option bei Patienten einzusetzen, die einen Progress unter GnRH-Analogon hatten. Signifikant verbesserte Wirksamkeit von Abirateron nach Adjustierung der Cross-over-Daten In die COU-AA-302-Studie wurden 1088 Chemotherapie-naive mCRPC-Patienten randomisiert mit Abirateronacetat (Zytiga®) plus Prednison oder alleinigem Prednison behandelt (2). Die koprimären Endpunkte waren das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) und das Gesamtüberleben (OS). In der ersten Auswertung der Studie wurden ein OSVorteil, der knapp das definierte Signifi- kanzniveau verpasste, sowie ein längeres Zeitintervall bis zum Opiatgebrauch gesehen. Beim EAU-Jahreskongress 2015 zeigten Mulders und Kollegen einen grösseren Überlebensvorteil durch Abirateron nach Berücksichtigung (Adjustierung) der Cross-over-Daten und der prognostischen Faktoren (3). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 49,2 Monaten und nach 741 OS-Ereignissen wurde durch die zusätzliche Gabe von Abirateron eine Verlängerung des OS von 30,3 auf 34,7 Monate (HR = 0,81; p = 0,0033) beobachtet. 44% der Patienten des Kontrollarms wechselten nach Tumorprogress in den Studienarm (17%) oder erhielten Abirateron als nachfolgende Therapie (27%). Nach Adjustierung bezüglich dieser Cross-over-Patienten betrug die Risikoreduktion 26% (HR = 0,74; p < 0,0001). Laut multivariater Analyse waren die Werte von PSA, LDH, Hämoglobin und ALP, das Vorhandensein von Knochenmetastasen und das Alter zu Beginn der Therapie signifikante prognostische Faktoren. Nach Korrektur bezüglich dieser prognostischen Baseline-Parameter zeigte sich durch die Zugabe von Abirateron eine Risikoreduktion von 21% (HR = 0,79; p = 0,0013) gegenüber der alleinigen Prednisontherapie. Diese Auswertung der COU-AA-302-Studie bestätigt somit die Wirksamkeit von Abirateron, welche bei Berücksichtigung des Cross-over oder der prognostisch relevanten Baseline-Charakteristika Signifikanzniveau erreicht. Chemotherapie nach Abirateron-Gabe bleibt wirksame Option Eine weitere Auswertung der COU-AA302-Daten fokussierte sich auf die weitere Behandlung der 546 Patienten im Abirateronacetat-Arm (4). 44 Patienten des experimentellen Arms der COU-AA-302Studie befanden sich zur Zeit der Auswertung noch unter Studientherapie. 365 der verbleibenden 502 Patienten (73%) 48 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2015 Kongressbericht 30th Anniversary Congress der European Association of Urology (EAU), Madrid, 20. bis 24. März 2015 erhielten wenigstens eine nachfolgende Therapie (Tabelle). 265 Patienten (53%) erhielten eine Chemotherapie (Docetaxel: n = 261, Cabazitaxel: n = 4) als erste nachfolgende Therapie. Im Median wurde diese erste nachfolgende Chemotherapie für 3 Monate gegeben. Ein PSA-Ansprechen wurde bei 47% dieser Patientenkohorte gesehen, mit einer Dauer bis zum ersten PSA-Progress unter der ersten folgenden Chemotherapie von 7,59 Monaten. Die Gründe für den Therapieabbruch waren bei 15% der Patienten ein klinischer, bei 14% ein radiologischer und bei 29% ein PSA-Progress. 16% der Patienten brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Die Autoren schlossen aus dieser Post-hocUntersuchung, dass bei Patienten, die Abirateron erhalten hatten, eine nachfolgende Chemotherapie weiterhin wirksam sein kann. Aktualisierte Ergebnisse bestätigen Therapievorteil von Enzalutamid Die Phase-III-Studie PREVAIL untersuchte die Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms mit dem Androgenrezeptor-Inhibitor Enzalutamid nach Androgendeprivationstherapie (ADT). 1717 Chemotherapie-naive Patienten mit asymptomatischer oder mild symptomatischer Erkrankung erhielten randomisiert Enzalutamid (160 mg/Tag) oder Plazebo. Die ADT wurde in beiden Studienarmen beibehalten. Koprimäre Studienendpunkte waren das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) sowie das OS. Die in die Studie eingeschlossenen Patienten waren im Median 71 bis 72 Jahre alt, die Hälfte der Patienten hatten einen Gleason-Score ≥ 8 zur Zeit der Diagnose und nahezu 70% einen ECOG-PS von 0. Der mediane PSA betrug 54,1 ng/ml respektive 44,2 ng/ml. 11,2% beziehungsweise 12,5% der Patienten wiesen eine Viszeralmetastasierung auf. Beim EAUKongress wurden nun die aktualisierten Tabelle: Nachfolgende Therapien in der COU-AA-302-Studie First subsequent therapy Patienten im AA-Arm, insgesamt Taxan-Chemotherapie Docetaxel Cabazitaxel Androgenbiosynthese-Inhibitor Abirateronacetat Androgenrezeptor-Antagonist Enzalutamid Immuntherapie Sipuleucel-T Andere Ketoconazol Total Anzahl Patienten, n (%) 502 261 (52) 4 (< 1) 13 (3) 20 (4) 31 (6) 36 (7) 365 (73) Daten mit einem «data cut-off» vom Juni 2014 präsentiert (5): Zum Zeitpunkt der Auswertung waren insgesamt 784 Patienten verstorben und 26% der Patienten im Enzalutamid-Arm weiterhin unter Studienmedikation. 52,4% der Patienten im Enzalutamid-Arm und 81,1% der Patienten im Plazeboarm erhielten nach Krankheitsprogress unter Studienmedikation wenigstens eine weitere lebenserhaltende Therapie. Das Gesamtüberleben zeigte in der aktualisierten Auswertung eine Trennung der Kaplan-Meier-Kurven nach zirka 4 Monaten. Die Trennung der Kurven blieb nun über den gesamten Nachbeobachtungszeitraum erhalten. Das mediane OS betrug bei Patienten unter Enzalutamid 35,3 Monate und bei Patienten im Plazeboarm 31,3 Monate (HR = 0,77; p = 0,0002). Der Überlebensvorteil zeigte sich über alle untersuchten Subgruppen. Das mediane rPFS betrug unter Plazebo 3,9 Monate und war im experimentellen Arm noch nicht erreicht (HR = 0,186). Mit der Enzalutamid-Therapie wurde die Zeit bis zum Beginn einer Chemotherapie um 17 Monate von median 10,8 Monaten auf 28,0 Monate verlängert. Ein Ansprechen wurde bei 58,8% versus 4,9% (p < 0,0001) gesehen, mit 19,7% versus 1,0% Komplettremissionen. Die Lebensqualität, gemessen mit dem FACT-P-Fragebogen, war bei 39,7% (vs. 22,9%) der Patienten unter Therapie verbessert. Damit bestätigen die aktualisierten OSErgebnisse den deutlichen Überlebensvorteil durch Enzalutamid und demonstrieren ebenfalls Vorteile in Bezug auf die Zeit bis zur Chemotherapie, das Ansprechen und die Lebensqualität. L Ine Schmale Quellen: 1. Heidenreich A et al.: A randomised, double-blind, phase II, efficacy and safety study of enzalutamide vs. bicalutamide in metastatic castrate resistant prostate cancer: TERRAIN trial. EAU 2015, Late breaking news. 2. Ryan CJ et al.: Abiraterone in metastatic prostate cancer without previous chemotherapy. N Engl J Med 2013; 368: 138–48. 3. Mulders PFA et al.: Abiraterone acetate improves overall survival in chemotherapy-naive metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): Impact of crossover and baseline prognostic factors in the COU-AA-302 final analysis. EAU 2015, Poster, Abstr. #556. 4. Saad F et al.: Response to taxane chemotherapy as first subsequent therapy after abiraterone acetate in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): Post hoc analysis of COU-AA-302. EAU 2015, Poster, Abstr. #668. 5. Tombal B et al.: Enzalutamide in men with chemotherapy-naive metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): Final overall survival analysis of the phase 3 PREVAIL study. EAU 2015, Late breaking news. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2015 49