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Kongressbericht
56th Annual Meeting der American Society of Hematology (ASH), San Francisco, 6. bis 9.12.2014
Chronisch myeloische Leukämie (CML)
MitTyrosinkinasehemmer auf lange Remission setzen
Mit der zunehmend verbesserten Lebenserwartung von CML-Patienten seit Einführung der Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) haben sich die Therapieziele verlagert. Heute wird eine Erhöhung des Anteils der Patienten mit therapiefreier Remission und unter Umständen die Heilung der CML mit alleiniger medikamentöser Therapie angestrebt. Beim ASH-Jahresmeeting wurden wegweisende Studien zur Langzeitwirkung, -sicherheit und zum möglichen Absetzen der TKI präsentiert.
Für die Erstlinienbehandlung der CML in der chronischen Phase stehen Imatinib (Glivec®), Nilotinib (Tasigna®) und Dasatinib (Sprycel®) zur Verfügung; nach Therapieversagen haben Patienten in der Zweit- und Drittlinie mit Bosutinib (Bosulif®) und dem T315I-aktiven Ponatinib (Inclusig®) die Chance auf ein dauerhaftes Ansprechen.
Dasatinib im 5-JahresFollow-up: vorteilhafte Erstlinientherapie
Die randomisierte Phase-III-Studie DASISION zeigte für die Behandlung bei 519 neu diagnostizierten Patienten mit CML in der chronischen Phase (CML-CP) eine verbesserte Wirksamkeit von Dasatinib (100 mg qd) im Vergleich mit Imatinib (400 mg qd). Der primäre Endpunkt war die bestätigte komplette zytogenetische Remission (cCCyR) nach 12 Monaten. Beim ASH-Jahrestreffen im Dezember wurden nun die finalen 5-Jahres-Ergebnisse der DASISION-Studie präsentiert. Bei Beendigung der Studie waren noch 61% der Patienten im Dasatinib-Arm und 63% der Patienten im Imatinib-Arm unter initialer Therapie. Die zytogenetischen und molekularen Ansprechraten der ITTPopulation blieben höher unter Dasatinib verglichen mit Imatinib. Nach 5 Jahren betrug die Rate der Patienten mit cCCyR 83% unter Dasatinib (versus 78% unter Imatinib [p = 0,187]). 76% (versus 64%) der Patienten hatten eine MMR (p = 0,002) und 42% (versus 33%) eine MR4,5 (p = 0,025). Die cCCyR wie auch die MMR wurden in der ITT-Population unter Dasatinib hochsignifikant schneller er-
reicht als unter Imatinib (p < 0,0001), und das Fortschreiten in die akzelerierte Phase oder die Blastenkrise wurde seltener unter Dasatinib als unter Imatinib beobachtet (4,6 vs. 7,3%). Eine vergleichbare Anzahl Patienten war nach 5 Jahren progressionsfrei (PFS: 85 vs. 86%) oder am Leben (OS: 91 vs. 90%). Insgesamt erreichten unter Dasatinib mehr Patienten einen BCR-ABL ≤ 10% nach 3 Monaten als im Imatinib-Arm (84 vs. 64%), was mit einer besseren Prognose assoziiert ist (Tabelle) (1). Auch bei intensiver Vorbehandlung: Frühes Ansprechen korreliert mit Langzeitwirksamkeit Für die Frontlinetherapie der CML konnte gezeigt werden, dass ein frühes Ansprechen mit dem Langzeittherapieerfolg der TKI korreliert. Um diesen Zusammenhang auch für stark vorbehandelte Populationen zu überprüfen, wurde eine retrospektive Analyse der Patienten der Phase-II-Studie PACE vorgenommen. Der pan-BCR-ABL-Inhibitor Ponatinib zeigte in der PACE-Studie klinische Aktivität bei CML-Patienten, die resistent oder intolerant gegenüber Dasatinib oder Nilotinib waren oder eine T315I-Mutation aufwiesen. 267 CP-CMLPatienten konnten in die retrospektive Analyse eingeschlossen werden. Die Patienten waren im Median 60 Jahre alt und zu 54% männlichen Geschlechts. Die mediane Zeit seit Diagnosestellung betrug 7 Jahre. Die Patienten waren stark vorbehandelt, 60% hatten bereits ≥ 3 Therapielinien erhalten. Eine schnelle und starke Reduktion der BCR-ABL-Spiegel durch Ponatinib-Therapie übertrug sich in eine verbesserte Langzeitwirksamkeit. Das 2-Jahres-PFS und -OS war mit dem zytogenetischen und molekularen Ansprechen nach 3, 6 und 12 Monaten assoziiert. Damit konnte die Notwendigkeit der frühzeitigen Untersuchung der BCR-ABL-Spiegel gezeigt werden, da das Erreichen eines frühen und tiefen Ansprechens auch in diesem Setting ein deutlicher Prädiktor für bessere Langzeitergebnisse zu sein scheint (2). Anhaltende Wirksamkeit der Zweitlinientherapie In der prospektiven, randomisierten Phase-III-Studie CA180-034 wurde Dasatinib in verschiedenen Dosierungen und Schedules untersucht bei CML-Patienten, die resistent gegenüber Imatinib waren oder Imatinib nicht tolerierten. Es wurde eine gute Wirksamkeit für diese Patientenpopulationen beobachtet. Beim ASHJahresmeeting 2014 wurden die finalen 7-Jahre-Daten präsentiert. Von den eingeschlossenen 670 Patienten waren drei Viertel resistent gegen Imatinib, wobei rund die Hälfte aller Patienten eine primäre und ein Viertel der Patienten eine erworbene Resistenz zeigten. Die mediane Dauer der Therapie war mit 37,4 Monaten am längsten in der Dosierung von 100 mg qd. Die 7-Jahre-PFS- und -OS-Raten waren mit ungefähr 42% respektive 65% für alle Dosierungen vergleichbar, ebenso wie die Anzahl Patienten, die eine MMR (44–46%) erreichten. In einer exploratorischen Analyse wurden auch bei dieser Patientengruppe im Falle eines BCR-ABL ≤ 10% innerhalb von 3 Monaten höhere PFS- und OS-Raten verglichen mit einem BCR-ABL > 10% gezeigt (PFS: 56 vs. 21%; OS: 72 vs. 56%). Die meisten nicht hämatologischen und hämatologischen Nebenwirkungen aller Grade traten innerhalb der ersten 24 Monate der Therapie auf. Neue Fälle von Pleuraergüssen wurden unter Dasatinib 100 mg qd im 7. Studienjahr bei 5% der Patienten (2/42) gesehen (3).
36 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2015
Kongressbericht
56th Annual Meeting der American Society of Hematology (ASH), San Francisco, 6. bis 9.12.2014
EURO-SKI-Studie: 6 Monate nach Absetzen des TKI rezidivfrei
Mit den tiefen Remissionen durch die TKI erhalten selektierte Patienten eventuell die Möglichkeit, therapiefrei zu leben. Eines der Ziele der EURO-SKI-Studie (= «European Leukemia Net stop TKI study») war die Identifizierung von Prognosemarkern, um die Rate an Patienten mit andauernden tiefen molekularen Remissionen (MR) nach Absetzen der TKI zu erhöhen. 200 CML-Patienten, die wenigstens 1 Jahr lang ein bestätigtes tiefes molekulares Ansprechen (MR4, BCR-ABL < 0,01%) aufwiesen und wenigstens 3 Jahre unter TKI-Therapie waren, wurden eingeschlossen und ausgewertet. Der Erstlinien-TKI war in 97% der Fälle Imatinib und in jeweils 1,5% der Fälle Dasatinib oder Nilotinib. 24 Patienten wechselten aufgrund von Unverträglichkeit zu einem Zweitlinien-TKI: 16 Patienten zu Dasatinib, 2 zu Imatinib und 6 zu Nilotinib. Im Median betrug die Zeit zwischen Diagnose und Absetzen des TKI 8 Jahre und die mediane Dauer der MR4 vor Absetzen 5,4 Jahre. Die Null-Hypothese, wonach 40% oder weniger Patienten ein rezidivfreies Überleben von 6 Monaten erreichen, wurde widerlegt: 61,5% (!) der Patienten waren nach 6 Monaten noch rezidivfrei. Ein Rezidiv, definiert als Verlust der MMR, wurde bei 47% der Patienten, die < 8 Jahre behandelt wurden, versus 26% der Patienten, die > 8 Jahre behandelt wurden, beobachtet (p = 0,005). Eine längere Dauer der MR4 (< 5 Jahre vs. > 5 Jahre) vor Absetzen hatte numerisch mit 46% versus 32% (p = 0,07) einen Einfluss auf die Entstehung eines Rezidivs innerhalb von 6 Monaten. Keinen Einfluss zeigte die Tiefe des molekularen Ansprechens (MR4 vs. MR4,5 vs. MR5) vor Absetzen der Therapie (4).
Zahl der Killerzellen – möglicher prognostischer Marker
Bisher konnten 119 Patienten der EUROSKI-Studie einer Analyse der lymphozytischen Subklassen unterzogen werden. Die immunphänotypische Analyse zeigte, dass Imatinib-behandelte Patienten, die nach Absetzen des TKI für wenigstens 6 Monate in molekularer Remission blieben, eine erhöhte Anzahl natürlicher Killerzellen (NK-Zellen) (0,26 vs. 0,15 x 109/l; p = 0,01) und einen erhöhten Anteil an NK-Zellen (18,9 vs. 11%, p = 0,005) aufwiesen. Zudem war der Phänotyp der NK-Zellen toxischer mit mehr CD57+und CD16+-Zellen und weniger CD62L+Zellen. Auch die IFN-γ/TNF-α-Sekretion war erhöht (19,2 vs. 13%; p = 0,02). 16 Patienten, die einen späten Rückfall (> 5 Monate nach Absetzen) hatten, zeigten keinen Unterschied in der Anzahl der NKZellen, bezüglich Phänotyp oder Funktion verglichen mit Patienten, die in Remission blieben. Patienten mit niedrigem Sokal-Risiko-Score wiesen interessanterweise eine höhere Anzahl NK-Zellen auf als Patienten mit intermediärem Risiko (0,33 x 109/l vs. 0,20 x 109/l; p = 0,04). Zudem gab es einen Trend für einen höheren Anteil an NK-Zellen bei Männern im Vergleich zu Frauen (21,6 vs. 15,7%; p = 0,06). Die absolute Anzahl T-Zellen und ihre Funktion zur Zeit des Absetzens der Therapie unterschied sich nicht zwischen rezidivierenden und nicht rezidivierenden Patienten. Aber sowohl CD4+als auch CD8+-Zellen schienen bei Patienten, die in Remission blieben, reifer zu sein im Vergleich zu früh rezidivierenden Patienten. Bei Patienten, die in Remission blieben, stieg die Sekretion der Th1Zytokine in den 6 Monaten nach Absetzen der Therapie an. Das gleiche Phänomen wurde auch für jene Patienten beobachtet, die ein spätes Rezidiv erlitten,
nicht aber für Patienten mit frühem Rezi-
div. Somit sind eine niedrige Anzahl NK-
Zellen und eine geringe Zytokinsekretion
möglicherweise Prädiktoren für einen
frühen Krankheitsrückfall nach Absetzen
einer TKI-Therapie bei CML-Patienten.
Umgekehrt hatten allerdings auch Pati-
enten mit spätem Rezidiv eine hohe An-
zahl funktionierender NK-Zellen, was
zeigt, dass weitere Forschung zum Ver-
ständnis der letztlich bestimmenden Fak-
toren des Krankheitsrückfalls notwendig
ist (5).
L
Ine Schmale
Referenzen: 1. Cortes J et al.: Final study results of the phase 3 da-
satinib versus imatinib in newly diagnosed chronic myeloid leukemia in chronic phase (CML-CP) trial (DASISION, CA180–056). ASH 2014, Oral Abstract, Abstr. #152. 2. Müller C et al.: Achieving early landmark response is predictive of outcomes in heavily pretreated patients with chronic phase chronic myeloid leukemia (CP-CML) treated with ponatinib. ASH 2014, Oral Abstract, Abstr. #518. 3. Shah NP et al.: Seven-year follow-up of patients with imatinib-resistant or -intolerant chronic-phase chronic myeloid leukemia (CML-CP) receiving dasatinib in study CA180–034, final study results. ASH 2014, Oral Abstract, Abstr. #520. 4. Mahon FX et al.: Interim analysis of a pan European stop tyrosine kinase inhibitor trial in chronic myeloid leukemia: the EURO-SKI study. ASH 2014, Oral Abstract, Abstr. #151. 5. Ilander MM et al.: Early disease relapse after tyrosine kinase inhibitor treatment discontinuation in CML is related both to low number and impaired function of NK-cells. ASH 2014, Oral Abstract, Abstr. #812.
Tabelle:
5-Jahres-Wirksamkeitsparameter bei Patienten mit molekularem Ansprechen innerhalb von 3 Monaten unter Dasatinib- versus Imatinib-Behandlung (mod. nach Cortes, ASH 2014)
BCR-ABL nach 3 Monaten Geschätztes 5-Jahres-OS (%) Geschätztes 5-Jahres-PFS (%) Geschätztes 5-Jahres-TFS (%)
Dasatinib 100 mg qd (n = 259) ≤ 10% (84%) > 10% (16%) p-Wert
94 81
0,0028
89 72 0,0014
97 83 0,0004
Imatinib 400 mg qd (n = 260) ≤ 10% (64%) > 10% (36%) 95 81
93 72
97 80
p-Wert
0,0003 < 0,0001 < 0,0001
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