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50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
Prämenopausaler, hormonrezeptorpositiver Brustkrebs/Frühstadium
Zur Rezidivprophylaxe wird Exemestane neue Option
Bei prämenopausalen Frauen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs zeichnen sich neue Erkenntnisse in der Rezidivprävention ab: Gemäss einer gemeinsamen Analyse zweier Studien aus 27 Ländern hemmt die Kombination Exemestane (Aromasin®) mit ovarieller Suppression das Rückfallrisiko signifikant stärker als die TamoxifenKombination, die bisher als Standard galt. Eine weitere grosse Studie ergab, dass Adipositas bei jungen Patientinnen mit deutlich schlechterer Prognose einhergeht als bei Normalgewichtigen im gleichen Alter.
Die von Studienleiterin Dr. med. Olivia Pagani, Bellinzona (1), präsentierte IBCSGStudie (u.a. mit SAKK-Beteiligung) war eines der ASCO-Highlights und wurde als Late-breaking-Abstract 1 (LBA1) publiziert (1). Es handelt sich um die gemeinsame Auswertung (joint analysis) der Phase-III-Studien TEXT und SOFT bei hormonrezeptorpositiven (HR+), prämenopausalen Frauen, die in 27 Ländern in 6 Kontinenten durchgeführt wurden. Geprüft wurde die Wirkung des Aromatasehemmers Exemestane gegenüber der Standardmedikation Tamoxifen in der adjuvanten Therapie, jeweils nach ovarieller Suppression verabreicht. Gefragt worden war einerseits, ob der AromataseInhibitor (AI) in der adjuvanten Therapie das Überleben bei diesen Patientinnen nach der ovariellen Suppression (OFS) verlängert (AI-Frage), andererseits war nach dem Stellenwert der OFS bei den Frauen gefragt worden, die im Studienzeitraum prämenopausal blieben und die für eine adjuvante Tamoxifen-Gabe vorgesehen waren (OFS-Frage). In den USA wird die OFS zusätzlich zur Tamoxifen-Gabe bisher selten angewandt.
Bisher grösste Studie bei jungen Brustkrebspatientinnen
Dabei waren gesamthaft 5738 prämenopausale Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium eingeschlossen (Studienzeitraum November 2003 bis April 2011), wobei es sich um die bisher grösste Studie bei prämenopausalen Brustkrebspatientinnen handelt. Die Daten von 4690 Patientinnen konnten ausgewertet werden.
In der Studie TEXT wurden die Frauen für 5 Jahre für die adjuvante Therapie mit Exemestane (E) + OFS versus Tamoxifen (T) + OFS randomisiert; einige Frauen erhielten zusätzlich eine adjuvante Chemotherapie. Die Studie SOFT randomisierte die Frauen für 5 Jahre für adjuvantes E + OFS versus T + OFS versus T allein, mit Beginn innerhalb von 12 Wochen nach der Operation oder innerhalb von 8 Monaten nach (neo-)adjuvanter Chemotherapie. Primärer Endpunkt der gemeinsamen Auswertung der Studien war das krankheitsfreie Überleben (DFS), wobei die Randomisierung endete, wenn ein invasives Rezidiv, eine Fernmetastase oder ein kontralateraler Tumor, ein Zweittumor oder der Tod eintraten. Aufgrund niedriger Ereignisraten wurde das Protokoll schliesslich dahingehend geändert, dass die AI-Frage zunächst geklärt werden sollte (84% Power für HR = 0,75 unter E + OFS vs. T + OFS).
Resultat: Exemestane löst die Standardtherapie Tamoxifen ab
Nach median 5,7 Jahren Beobachtungszeit betrug das tumorfreie Überleben 91% in der E + OFS-Gruppe gegenüber 87,3% in der T + OFS-Gruppe. Die Verringerung des relativen Risikos für invasive Tumore unter Exemestane betrug 28% (34% für Brustkrebsrezidive und 22% für Fernmetastasen), verglichen mit dem bisherigen Standard T + OFS. Die Hazard Ratio (HR) für invasive Tumoren betrug entsprechend 0,72 (95%-KI: 0,60–0,86). Das 5-Jahres-Überleben war in beiden
Gruppen hoch mit 95,9% in der E + OFSGruppe und 96,9% in der T + OFS-Gruppe. Die Studienleiterin folgert: «Jahrelang galt die Tamoxifen-Gabe bei jungen Brustkrebspatientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren als Standard zur Rezidivprophylaxe. Diese Studie bestätigt, dass die Gabe des Aromatasehemmers, kombiniert mit der ovariellen Substitution, eine wirksame Alternative darstellt. Wichtig ist nun, in einem Langzeit-Follow-up zu beobachten, welchen Effekt beide Therapieregime auf das Langzeitüberleben haben.» Grad-3- und -4-Nebenwirkungen wurden bei 31% unter E + OFS (vs. 29% unter T + OFS) beobachtet mit den erwarteten substanzspezifischen Profilen.
Studie zu endokrinen Nebenwirkungen unter Tamoxifen und Exemestane
Charakteristika und Ausmass der spezifischen Nebenwirkungen unter beiden endokrinen Therapien in den Studien TEXT und SOFT bei prämenopausalen Frauen untersuchte eine Studie von Bernhard und Kollegen aus der Schweiz ([2]; Studie mit SAKK-Beteiligung). Die Patientinnen dokumentierten hierzu ihre endokrinen Symptome, Faktoren zur Lebensqualität und zu ihrem sexuellen Interesse in einem Fragebogen, und zwar zu Studienbeginn, in den ersten beiden Therapiejahren alle 6 Monate und dann einmal jährlich in den Jahren 3 bis 6. Erwartungsgemäss litten mehr Frauen, die die Tamoxifen-Kombination erhielten, deutlich stärker unter Hitzewallungen, wobei diese Wirkung sich im Therapieverlauf zwar abschwächte, aber dennoch anhielt. Dagegen berichteten die Patientinnen in der Exemestane-Gruppe vermehrt über vaginale Trockenheit und Libidoverlust. Knochen- und Gelenkschmerz trat unter Exemestane wie erwartet vermehrt und verlängert auf. Zu den Angaben zur Lebensqualität, darunter Stimmung und körperliches Wohlbefinden, zeigten sich in beiden Gruppen keine Unterschiede im Therapiever-
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lauf. Insgesamt, so die Folgerung,
spricht aus Sicht der Lebensqualität kein
Argument für die eine oder die andere
der beiden Therapien. Allerdings sei im
individuellen Fall das jeweilige Profil im
Auge zu behalten und so die Wahl zu
treffen.
I
Bärbel Hirrle
Referenzen: 1. Pagani O et al.: Randomized comparison of adjuvant aromatase inhibitor (AI) exemestane (E) plus ovarian function suppression (OFS) vs tamoxifen (T) plus OFS in premenopausal women with hormone receptor-positive (HR+) early breast cancer (BC): Joint analysis of IBCSG TEXT and SOFT trials. ASCO Annual Meeting 2014; Plenary Session; #LBA1. 2. Bernhard J et al.: Patient-reported endocrine symptoms, sexual functioning, and quality of life (QoL) in the IBCSG TEXT and SOFT trials: Adjuvant treatment with exemestane (E) plus ovarian function suppression (OFS) versus tamoxifen (T) plus OFS in premenopausal women with hormone receptor-positive (HR+) early breast cancer (BC). ASCO Annual Meeting 2014; General Poster Session; #557. 3. Pan H et al.: Effect of obesity in premenopausal ER+ early breast cancer: EBCTCG data on 80 000 patients in 70 trials. ASCO Annual Meeting 2014; Oral Abstract Session; #503.
Adipositas bei jungen Brustkrebspatientinnen ist hoch gefährlich
Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) bei prä- und perimenopausalen Frauen mit hormonrezeptorpositiven (HR+) Tumoren ist mit einem um 34% erhöhten brustkrebsassoziierten Mortalitätsrisiko gegenüber Normalgewichtigen verbunden. Für postmenopausale Frauen und für Frauen mit HR-negativer Erkrankung ist Adipositas dagegen kein sehr relevanter negativer Prognosefaktor.
Das ergab eine auf der ASCO-Jahrestagung präsentierte Studie der Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (3), in die – aus 70 klinischen Studien – insgesamt 80 000 Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium eingeschlossen wurden, unter ihnen rund 60 000 mit HRpositiver Erkrankung. Dabei wurden zu jeder Patientin periodisch über einen mittleren Zeitraum von 8 Jahren Informationen über BMI bei Randomisierung, HR- und Menopausenstatus, Alter, Therapie, Rezidiv, meist auch über Tumorgrösse, Nodalstatus und Tod erhoben – und, speziell als unabhängiger Faktor, der BMI. Ermittelt wurde die Relevanz des BMI auf die rezidivbedingte Mortalität von Brustkrebs.
Bei HR-negativer Erkrankung: keine Korrelation zu Adipositas Bei den Frauen mit negativem Östrogenrezeptorstatus zeigte sich wenig Assoziation zwischen BMI und Brustkrebsmortalität ebenfalls keine nach Adjustierung zu Tumorgrösse und Nodalstatus. Dagegen stellte sich bei den 60 000 Frauen mit HR+-Erkrankung und Adjustierung zu den Tumorcharakteristika eine klare positive Korrelation bei prä- und perimenopausalen Frauen heraus: Bei der brustkrebsbedingten Mortalitätsrate beim Vergleich des BMI ≥ 30 versus BMI 20–25 kg/m2 betrug das relative Risiko (RR) 1,34 (95%-KI: 1,22–1,47). Bei den 40 000 postmenopausalen Frauen mit HR+-Erkrankung dagegen fand sich wenig Korrelation zwischen BMI und Adipositas (RR = 1, 06). Nach Ausschluss der ersten 5 Jahre nach der Operation blieb das Resultat bestehen. Das Ergebnis erstaunt laut Studienleiter Dr. med. Hongchao Pan, Oxford: «Wir wissen, dass Adipositas vor allem die Blutöstrogenspiegel bei postmenopausalen Frauen erhöht. Deswegen sind wir erstaunt, dass Adipositas nur bei prä- bis perimenopausalen Brustkrebspatientinnen die Prognose verschlechtert.» hir
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