Transkript
50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
Malignes Melanom
Immuntherapeutische Fortschritte mit Checkpoint-Inhibitoren
Nachdem über Jahrzehnte keine Fortschritte beim malignen Melanom erzielt werden konnten, ist dieses Malignom nun der Vorreiter für immuntherapeutische Ansätze. Dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab folgen PD-1- und PD-L1-Antikörper, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, die in die Kommunikation zwischen Tumor und T-Zelle eingreifen. Auf der Jahrestagung der ASCO wurden Studien im adjuvanten und metastasierten Setting präsentiert.
Adjuvante Behandlung mit Ipilimumab
Bis anhin ist im adjuvanten Setting nur Interferon zur Behandlung des Melanoms im Stadium III zugelassen. Nun wurde beim resezierten Melanom Ipilimumab (Yervoy®) (10 mg/kg, Induktion q3w x4, Erhaltung q12w bis zu drei Jahre) gegen Plazebo verglichen (1). Die randomisierte, doppelblinde Phase-IIIStudie schloss 951 Patienten mit hohem Rezidivrisiko ein. Der primäre Endpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS). 20% der Patienten präsentierten sich mit Tumoren im Stadium IIIA, 44% im Stadium IIIB und 36% im Stadium IIIC. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,7 Jahren zeigten Patienten im Ipilimumab-Arm einen signifikanten RFS-Vorteil gegenüber Plazebo mit median 26,1 versus 17,1 Monaten (HR = 0,75; p = 0,0013). Die 2-Jahres-RFS-Rate betrug 51,5% versus 43,8%, die 3-Jahres-RFS-Rate 46,5% versus 34,8%. Die meisten immunassoziierten Nebenwirkungen von Grad 3/4 waren gastrointestinalen (15,9 vs. 0,8%), hepatischen (10,6 vs. 0,2%) und endokrinen (8,5 vs. 0%) Ursprungs. 91,7% der Patienten im Ipilimumab-Arm und 83,1% im Plazebo-Arm brachen die Therapie ab, davon 28,0% versus 57,6% aufgrund eines Fortschreitens der Erkrankung und 48,8% versus 1,7% aufgrund von Nebenwirkungen. 5 Patienten (1,1%) verstarben aufgrund von therapiebezogenen Nebenwirkungen: 3 Patienten an einer Kolitis, 1 Patient an einer Myokarditis und 1 Patient an einem Guillan-Barré-Syndrom. In einer weiteren Phase-III-Studie im adjuvanten Setting (E1609) wird der-
zeit die Therapie mit Ipilimumab (3 oder 10 mg/kg) versus Hochdosis-Interferon untersucht.
Nivolumab bei Ipilimumabnaiven Patienten
In einer Studie mit 107 Ipilimumab-naiven Patienten mit fortgeschrittenem Melanom wurden verschiedene NivolumabDosierungen (0,1 mg/kg bis 10 mg/kg, q2w) über maximal 96 Wochen gegeben und das OS wie auch das PFS ausgewertet (2). Die Expression von PD-L1 wurde exploratorisch retrospektiv analysiert. Ein Viertel der Patienten hatten bereits drei und mehr Therapien erhalten. Die 2- und 3-Jahres-Überlebensraten variierten innerhalb der Dosierungen von 41% bis 48%. 32% der Patienten zeigten ein objektives Ansprechen nach RECIST, welches über eine Dauer von median 22,9 Monaten anhielt. 19 der 34 ansprechenden Patienten waren noch in Remission zur Zeit der Auswertung, 21 Patienten brachen die Therapie ohne Tumorprogress ab. 11 dieser Patienten blieben über ≥ 24 Wochen in Remission, auch nach Absetzen der Therapie. 44% der ansprechenden Patienten zeigte ein Ansprechen bereits beim ersten Tumorassessment nach 8 Wochen. Das mediane PFS betrug insgesamt 3,7 Monate und unter der Dosierung von 3 mg/kg 9,7 Monate, das mediane OS 17,3 Monate respektive 20,3 Monate in der 3-mg/kg-Kohorte. 63% der Patienten überlebten 1 Jahr, 48% 2 Jahre und 41% 3 Jahre. 41 Patienten konnten auf PD-L1-Expression des Tumorgewebes untersucht werden. Bei den 23 Patienten ohne PD-L1-Expression wurde ein medianes OS von
12,5 Monaten beobachtet, während die 18 Patienten mit PD-L1-Expression das mediane OS noch nicht erreicht haben. Das mediane PFS betrug entsprechend der PD-L1-Expression 1,9 versus 9,1 Monate. Die Therapie wurde gut toleriert mit Grad-3/4-Nebenwirkungen bei 5% der Patienten. Laufende Phase-III-Studien untersuchen Nivolumab bei Melanom-Patienten und PD-L1 als potenziellen prädiktiven Biomarker für ein Ansprechen auf den PD-1-Antikörper.
Gleichzeitige und sequenzielle Gabe von Nivolumab und Ipilimumab
Die aktualisierten Daten zum Überleben und zur Dauer des Ansprechens einer Phase-I-Studie, die die gleichzeitige und sequenzielle Gabe von Nivolumab und Ipilimumab untersuchte, wurden nach BRAF-Status ausgewertet (3). 53 Patienten erhielten Nivolumab plus Ipilimumab. 55% der Patienten waren im Stadium M1c, und 40% hatten eine vorherige systemische Therapie erhalten. Über verschiedene Dosierungen hinweg wurden 1- und 2-Jahres-OS-Daten von 82% und 75% erreicht. 17% der Patienten hatten eine komplette Remission. Bei den 36 auf BRAF-Mutation auswertbaren Patienten zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit. In Woche 36 wurde bei 42% der Patienten eine mindestens 80%-ige Tumorreduktion beobachtet. Die mediane Dauer des Ansprechens (DOR) wurde noch nicht erreicht. Von 22 Patienten mit objektivem Ansprechen hatten 14 eine DOR ≥ 24 Wochen (Spanne von 25+ bis 106+). An therapiebezogenen Nebenwirkungen wurden Grad-3/4-Nebenwirkungen bei 53% der Patienten berichtet, am häufigsten Lipase- und Leberwerterhöhungen.
PD-1-Antikörper Pembrolizumab
In der Phase-I-Studie KEYNOTE-001 wurden 190 Ipilimumab-naive und 221 Ipilimumab-vorbehandelte Melanom-Patienten mit dem humanisierten PD-1-Anti-
20 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2014
50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
körper Pembrolizumab in den Dosierun-
gen 10 mg/kg q2w (n = 57), 10 mg/kg
q3w (n = 192) und 2 mg/kg q3w (n = 162)
behandelt (4). Insgesamt waren über die
Hälfte der Tumoren im Stadium M1c,
24% der Patienten hatten BRAF-mutierte
Tumoren, 8% Hirnmetastasen und 35%
einen LDH > ULN.
Von den 365 Patienten mit messbarer Er-
krankung zu Beginn der Studie zeigten
44% der Ipilimumab-naiven und 28% der
Ipilimumab-vorbehandelten Patienten
ein Ansprechen nach RECIST. Die medi-
ane Dauer des Ansprechens war zur Zeit
der Zwischenauswertung noch nicht er-
reicht, und 88% der Patienten sprachen
noch auf die Therapie an. Das mediane
PFS nach RECIST betrug 5,6 Monate bei
Ipilimumab-naiven und 5,4 Monate bei
Ipilimumab-vorbehandelten Patienten.
Nach einem Jahr lebten noch 69% der
Patienten, nach 18 Monaten 62%. Der
Therapieerfolg war in allen untersuchten
Subgruppen sowie unter allen Dosierun-
gen und unabhängig von einer vorheri-
gen Ipilimumab-Gabe zu sehen. Klinisch
relevante Nebenwirkungen von Grad 3/4
traten bei 12% der Patienten auf, und 4%
der Patienten brachen die Therapie auf-
grund der Nebenwirkungen ab. 40 zu-
sätzliche Patienten wurden für die Be-
handlung mit Nivolumab 1 mg/kg plus
Ipilimumab 3 mg/kg q3w x4, danach
Nivolumab 3 mg/kg q2w – das ausge-
wählte Regime für Phase-II/III-Studien –,
rekrutiert.
I
Ine Schmale
Referenzen: 1. Eggermont AM et al.: Ipilimumab versus placebo after complete resection of stage III melanoma: Initial efficacy and safety results from the EORTC 18071 phase III trial. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #LBA9008. 2. Hodi FS et al.: Long-term survival of Ipilimumab-naïve patients with advanced melanoma (MEL) treated with nivolumab (anti-PD-1, BMS-936558, ONO-4538) in a phase I trial. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #9002. 3. Sznol M et al.: Survival, response duration, and activity by BRAF mutation status of nivolumab (NIVO, anti-PD-1, BMS-936558, ONO-4538) and ipilimumab (IPI) concurrent therapy in advanced melanoma (MEL). ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #LBA9003. 4. Ribas A et al.: Efficacy and safety of the anti-PD-1 monoclonal antibody MK-3475 in 411 patients with melanoma (MEL). ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #LBA9000.
Prognostischer Wert und Einsatz der Wächterlymphknoten-Biopsie
Melanom-Patienten mit negativen Wächterlymphknoten, die rezidivieren, haben laut Subgruppenanalyse der MSLT-1-Studie eine schlechtere Prognose als solche, die positive Wächterlymphknoten aufweisen. 2 Studien.
Signifikanz nach 10 Jahren Zur Verifizierung dieser Beobachtung wurden retrospektiv Daten von 1017 Melanompatienten, die an der University of Colorado von 1995 bis 2013 behandelt wurden, ausgewertet (1). 17% der Patienten rezidivierten nach negativer Biopsie – ein Drittel mit lokalem, ein Fünftel mit regionalem Rezidiv und knapp die Hälfte mit Fernmetastasen. Die Rezidive traten im Median nach 27 Monaten auf, mit einer Spanne von 15 bis 50 Monaten. 15% der untersuchten Patienten hatten positive Wächterlymphknoten, und drei Viertel dieser Patienten unterzog sich einer kompletten Lymphknotenresektion. Von diesen Patienten rezidivierte ein Drittel im Median nach 14 Monaten. Die Anzahl positiver Lymphknoten bei kompletter Lymphknotenresektion bei den 33 Patienten, die nach negativer Wächterlymphknoten-Biopsie regional rezidivierten, war signifikant höher im Vergleich zu den 131 Patienten mit kompletter Lymphknotenresektion nach positiver Wächterlymphknoten-Biopsie (69 vs. 22%; p < 0,001). Das krankheitsspezifische Überleben von Patienten mit Rezidiv nach negativer versus positiver Wächterlymphknoten-Biopsie war nach 5 Jahren mit 56% versus 77% nicht verschieden (p = 0,14), erreichte allerdings einen signifikanten Unterschied nach 10 Jahren mit 28% versus 68% (p < 0,001).
Wächterlymphknoten-Biopsie für ältere Patienten empfohlen Eine Studie der University of Michigan untersuchte retrospektiv die Daten von 952 älteren Melanom-Patienten (≥ 75 Jahre) auf Durchführung der Wächterlymphknoten-Biopsie (2). Von 553 Patienten mit klinisch negativen Lymphknoten hatten 213 Patienten eine weite lokale Exzision und 340 Patienten zusätzlich eine Wächterlymphknoten-Biopsie erhalten. Prädiktoren für das Weglassen einer Wächterlymphknoten-Biopsie waren laut uni- und multivariater Analyse nur das Alter (p < 0,0001) und die Lokalisation an Kopf und Hals (p = 0,007). Die Einbeziehung des Wächterlymphknotens war assoziiert mit dem weiblichen Geschlecht (OR = 2,15), der Tumordicke (OR = 1,23 pro 1 mm) und einer Satellitose (OR = 4,43). Das krankheitsspezifische Überleben war assoziiert mit dem männlichen Geschlecht (OR = 1,5), ansteigendem Alter (OR = 1,05 pro Jahr), ansteigender Tumordicke (OR = 1,07 pro Jahr), Ulzeration (OR = 1,51), positivem Wächterlymphknoten (OR = 2,61) oder fehlender Wächterlymphknoten-Biopsie (OR = 1,72). Der Co-Morbidity-Index war nicht prädiktiv bezüglich des krankheitsfreien oder Melanom-spezifischen Überlebens. Die Autoren schlossen aus den Ergebnissen, dass eine Wächterlymphknoten-Biopsie, wenn gesundheitlich machbar, für ältere Patienten unbedingt in Erwägung gezogen werden sollte.
Referenzen: 1. Jones EL et al.: A comparison of cutaneous melanoma patients who recur following a negative sentinel lymph node biopsy to those with a positive sentinel lymph node biopsy. ASCO 2014, General Poster Session, Abstr. #9065. 2. Sabel MS et al.: Sentinel lymph node biopsy among elderly patients with melanoma. ASCO 2014, General Poster Session, Abstr. #9088.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2014
21