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50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
Prostatakarzinom
Highlights rund um die Androgendeprivationstherapie
Auch wenn beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom viele Fortschritte gemacht wurden, besteht mit einer medianen Überlebenszeit von etwa 3 Jahren augenscheinlich Optimierungsbedarf. Bei der diesjährigen ASCO-Jahrestagung wurde mit der CHAARTED-Studie die Möglichkeit einer frühen Chemo-/Hormontherapie in den Fokus gerückt. Aber auch eine Kombination verschiedenartiger Androgendeprivationstherapien und die Selektion der Patienten nach AR-V7-Expression sind vielversprechende Optimierungsansätze.
Metastasenlokalisation ist prognostischer Faktor für das Gesamtüberleben
Die Lokalisation von Metastasen spielt eine Rolle für die Prognose des Patienten. In einer gepoolten Analyse von fünf Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms mit Docetaxel-haltigen Regimen mit insgesamt 3993 Patienten wurde das Gesamtüberleben in Bezug auf die Metastasenlokalität ausgewertet (1). Patienten mit alleiniger Lymphknotenmetastasierung zeigten ein medianes Gesamtüberleben von 27 Monaten, mit Knochenmetastasen mit/ohne Lymphknotenmetastasierung von 20 Monaten. Patienten mit Lungenmetastasen wiesen ein medianes OS von 17 Monaten und solche mit Lebermetastasen von 12 Monaten auf (Tabelle). Die Hazard Ratio für das OS von Patienten mit Lungenmetastasen im Vergleich zu nicht viszeralen Metastasen betrug 1,3 (p < 0,001) und für Patienten mit Lebermetastasen im Vergleich zu Patienten mit Lungenmetastasen 1,4 (p < 0,001). Diese Ergebnisse sollten mehr Sicherheit in der Kommunikation der Prognose im Patientengespräch geben und helfen ferner bei der Einordnung von Patienten-
charakteristika in klinischen Studien, so die Autoren.
Optimierung der Androgendeprivationstherapie (ADT)
PREVAIL-Studie In der PREVAIL-Studie erhielten 1717 Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom nach Progress unter ADT randomisiert Enzalutamid (Xtandi®) oder Plazebo (2). Nach 540 Todesfällen wurde ein statistischer Vorteil im Enzalutamid-Arm bezüglich OS und rPFS (= progressionsfreies Überleben auf der Basis radiografischer Befunde) gesehen, die Studie entblindet und Patienten im PlazeboArm der Crossover in den Verumarm angeboten. Die PSA-Progression wurde von median 2,8 auf 11,2 Monate (HR = 0,169; p < 0,0001) verlängert. Nach einem Jahr betrug die rPFS-Rate 14% im Kontroll- und 65% im Verumarm (HR = 0,186; p < 0,0001). Eine aktualisierte OSAuswertung nach median 26,2 bis 26,5 Monaten zeigt 34% Todesfälle im Verumarm und 42% Todesfälle im Plazebo-Arm (HR = 0,73; p < 0,0001). Nach einem Jahr waren 47% der Patienten unter Plazebo versus 83% unter Enzalutamid noch chemotherapiefrei. Die mediane Zeit bis
Tabelle:
Metastasenlokalisation nur Lymphknoten
Knochen/Knochen + Lymphknoten Lunge (+/- Knochen), ohne Leber
Leber (+/- Knochen) andere Viszeralmetastasen
(Nebenniere, Gehirn)
n (%) 187 (5) 3334 (83) 300 (7) 280 (7) 55 (1)
medianes OS in Monaten (95%-KI) 27,0 (24,7–32,4) 20,3 (19,7–21,0) 16,5 (14,8–18,4) 12,1 (10,1–13,5) 14,4 (12,6–19,1)
zum Beginn der Chemotherapie betrug 10,8 versus 28,0 Monate (HR = 0,349; p < 0,0001). Alle gemessenen Lebensqualitätsparameter laut FACT-P waren im Verumarm signifikant besser als im Kontrollarm.
Doppelte Blockierung Die Substanzen Abirateronacetat (Zytiga®) und Enzalutamid (Xtandi®) reduzieren die Androgenproduktion über zwei verschiedene Mechanismen: die Inhibition der Androgen-Biosynthese und die Blockade des Androgenrezeptors (AR). Die Kombination der beiden Wirksubstanzen könnte eine effektivere Hemmung der Androgenproduktion bewirken und Resistenzentwicklungen überkommen. In einer Studie von Efstathiou wurden daher 60 Patienten mit mCRPC und Knochenmetastasen mit der Kombination von Enzalutamid und Abirateronacetat in ihren zugelassenen Dosierungen behandelt (3). Es kam nicht zu pharmakologischen Interaktionen, sodass beide Substanzen in voller Dosis gegeben werden konnten. Es wurden keine Grad-4- oder -5-Toxizitäten beobachtet; 13% der Patienten hatten eine klinisch relevante Nebenwirkung, und bei 5% führten die Nebenwirkungen zu einem Abbruch der Therapie. Blut- und Knochenmarksandrogene wurden bis Woche 9 auf einen nicht detektierbaren Wert reduziert. 20% der eingeschlossenen Patienten wiesen eine primäre Resistenz auf, also einen Progress innerhalb von 4 Monaten unter Therapie. Eine Post-hocAnalyse zeigte häufiger eine vorangegangene Chemotherapie bei Patienten mit primärer Resistenz als bei den Patienten, die auf die Therapie ansprachen. Auch wenn die Anzahl der Patienten klein war, so gab es Hinweise auf prädiktive Effekte der C/N-terminalen AR-Expressionsrate.
Der Resistenz auf der Spur Als möglicher prädiktiver Biomarker für die Resistenz gegenüber Enzalutamid und Abirateronacetat präsentiert sich die Androgenrezeptor-Splicevariante-7 (AR-
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V7) (4). In einer Studie mit 31 Patienten unter Enzalutamid- sowie 31 Patienten unter Abirateronacetat-Therapie wiesen 38,7% respektive 19,4% detektable ARV7 an zirkulierenden Tumorzellen auf. AR-V7-positive Patienten im Enzalutamid-Arm zeigten ein schlechteres PSAAnsprechen (0% vs. 52,6%; p = 0,004), PSA-PFS (1,4 versus 5,9 Monate; p < 0,001) und PFS (2,1 versus 6,1 Monate; p < 0,001) im Vergleich zu AR-V7-negativen Patienten. Vergleichbar wurde im Abirateronacetat-Arm ein PSA-Ansprechen bei 0% versus 68% (p = 0,004), ein PSA-PFS von median 1,3 versus nicht erreicht (p < 0,001) und ein PFS von median 2,3 versus nicht erreicht (p < 0,001) gesehen. Somit ist AR-V7 wahrscheinlich der erste prädiktive Biomarker für eine Hormontherapie. Nach Validierung wäre für AR-V7-positive Patienten eine Alternative zur Hormontherapie, zum Beispiel eine Chemo- oder Radiotherapie, in Betracht zu ziehen.
Früher Einsatz von Hormon- oder Hormon-/ Chemotherapie muss diskutiert werden
Bisher gibt es keine prospektiven Daten, wann eine ADT begonnen werden soll. Im Rahmen einer prospektiv angelegten Registerstudie (5) wurden die Daten von 2022 Patienten mit metastasierter, symptomatischer Erkrankung oder kurzer PSA-Verdopplungszeit ausgewertet, die eine radikale Prostatektomie oder eine Radiotherapie erhalten hatten. Diese Männer waren bei PSA-Anstieg entweder innerhalb von 3 Monaten mit einer ADT behandelt worden oder erst nach 2 oder mehr Jahren nach PSA-Anstieg ADT-therapiert worden. Die Hazard Ratio für die gesamte Mortalität betrug 1,06 und für die Prostatakarzinom-spezifische Mortalität 1,48, was eine Differenz im 5-Jahres-Überleben von -5,5% respektive -5,6% ausmachte. Die Autoren schliessen aus den Ergebnissen, dass der frühe Einsatz der ADT nur einen geringen oder keinen Überlebensvorteil
bringt. Prof. Dr. Bertrand Tombal, Brüssel/Belgien, der die Studie diskutierte, wies auf prospektive Studien hin, die vielleicht mehr Klarheit zu dieser wichtigen Fragestellung liefern werden.
Studie CHAARTED In der Phase-III-Studie CHAARTED wurde der Wert einer frühen Chemo-/ Hormontherapie beim metastasierten Prostatakarzinom untersucht (6). 790 Patienten erhielten 1:1 randomisiert alleiniges ADT versus ADT plus Docetaxel (75 mg/m2, q3w, 6 Zyklen). Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Zwischen Juli 2006 und November 2012 wurden 393 Patienten in den ADT-Arm und 397 Patienten in den chemotherapie-hormonellen Arm (ADT+D) randomisiert. Das mediane Alter betrug 63 Jahre, 98% hatten einen ECOG-PerformanceStatus von 0 bis 1, 89% waren Kaukasier, 24% hatten eine vorhergehende Radiotherapie, 24% eine Prostatektomie erhalten. Im ADT-Arm wiesen 64% der Patienten viszerale und/oder ≥ 4 Knochenmetastasen auf («High Volume», HV) versus 67% im ADT+D-Arm. In einer medianen Nachbeobachtungszeit von 29 Monaten traten 136 Todesfälle unter ADT und 101 Todesfälle unter ADT+D auf. Das mediane OS betrug im ADT-Arm 42,3 Monate versus 52,7 Monate im ADT+D-Arm (HR = 0,63; p = 0,0006). In der HV-Kohorte waren dies 32,2 versus 49,2 Monate (HR = 0,62; p = 0,0012), wogegen in der «Low Volume»(LV)-Kohorte die Mediane noch nicht erreicht wurden (HR = 0,58; p = 0,0836). Der OS-Vorteil zeigte sich in allen untersuchten Subgruppen. Die Reduzierung des PSA-Werts auf unter 0,2 ng/ml innerhalb von 6 Monaten wurde bei 27,5% versus 14,0% (p < 0,0001) und nach 12 Monaten bei 22,7% versus 11,7% der Patienten (p < 0,0001) beobachtet. Die mediane Zeit bis zum Nachweis des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (biochemisch, symptomatisch oder durch Bildgebung) betrug 20,7 versus 14,7 Monate (HR = 0,56; p < 0,0001), die mediane Zeit bis zur klinischen Progression
(symptomatisch oder durch Bildgebung) 32,7 versus 19,8 Monate (HR = 0,49; p < 0,0001). 87% der Patienten erhielten die vollen sechs Chemotherapiezyklen, 74% die Chemotherapie ohne Dosismodifikationen. Sechs Zyklen Docetaxel zusätzlich zur ADT sei somit eine angemessene Option für Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom, folgern die Autoren. Der Benefit für Patienten mit hoher Metastasenlast sei eindeutig und legitimiere die toxischere Therapie.
Fazit für die Praxis
Die Lokalisation der Metastasen hat ei-
nen prognostischen Einfluss auf das
Überleben von Prostatakarzinompatien-
ten. Die AR-V7-Expression ist möglicher-
weise der erste Biomarker für die Wirk-
samkeit einer ADT mit Abirateronacetat
oder Enzalutamid. Der frühe Einsatz ei-
ner ADT bringt möglicherweise keinen
grossen Überlebenszugewinn. Die Kom-
bination von Standard-ADT und sechs
Zyklen Docetaxel verlängert das Gesamt-
überleben bei Patienten mit hormonsen-
sitivem Prostatakarzinom und ausge-
dehnter Metastasierung. Abirateronace-
tat und Enzalutamid sind eine mögliche
Kombinationstherapie mit vielverspre-
chender Effektivität.
I
Ine Schmale
Referenzen: 1. Halabi S et al.: The site of metastases predicts overall survival in castration-resistant prostate cancer patients: a meta-analysis of 5 phase III trials. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #5002. 2. Armstrong AJ et al.: Primary, secondary and quality-oflife endpoint results from PREVAIL, a phase 3 study of enzalutamide in men with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC). ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #5007. 3. Efstathiou E et al.: Enzalutamide (ENZA) in combination with abiraterone acetate (AA) in bone metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC). ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #5000. 4. Antonarakis ES et al.: Androgen receptor splice variant7 (AR-V7) and resistance to enzalutamide and abiraterone in men with metastatic castration-resistant prostate cancer. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #5001. 5. Garcia-Albeniz X et al.: Immediate vs. deferred initiation of androgen depriviation therapy in prostate cancer patients with PSA-only relapse. An observational follow-up study. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #5003. 6. Sweeney C et al.: Impact on overall survival (OS) with chemohormonal therapy versus hormonal therapy for hormone-sensitive newly metastatic prostate cancer (mPrCa): An ECOG-led phase III randomized trial. ASCO 2014, Plenary Session, Abstr. #LBA2.
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