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50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
Nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC)
Die Lungenkrebstherapie wird personalisierter durch Therapie nach Mutationsstatus
Das Bronchialkarzinom ist eine der Tumorentitäten, die von den Erkenntnissen der genomischen Medizin und Fortschritten in der personalisierten Medizin besonders profitieren. Therapie nach Mutationsstatus wird beim NSCLC künftig in den Vordergrund rücken. In Chicago wurden dazu Optimierungen mit bekannten Substanzen sowie neue Therapien präsentiert.
EGFR-positives NSCLC – zielgerichtete Therapien in der Erstlinie
linienbehandlung bei EGFR-positiven Tumoren mit del19-Mutation sein und bleibe eine Therapieoption für das EGFRpositive NSCLC mit L858R-Mutation.
Afatinib In den zwei randomisierten Phase-III-Studien LUX-Lung 3 und LUX-Lung 6 wurde durch die Zugabe von Afatinib (Giotrif®) zu einer Cisplatin-haltigen Standardtherapie mit Pemetrexed respektive Gemcitabine in der Erstlinientherapie des NSCLC eine verbesserte Wirksamkeit in Bezug auf progressionsfreies Überleben (PFS), Ansprechen (ORR) und Patientenbericht (PRO) erreicht (1, 2). Eine gepoolte Analyse dieser beiden im Design vergleichbaren Studien ermittelte jetzt einen Vorteil von Afatinib auch in Bezug auf das Gesamtüberleben (OS) (3). In die Analyse wurden 419 Patienten unter Afatinib und 212 Patienten unter Chemotherapie eingeschlossen, die eine der beiden häufigsten EGFR-Mutationen, del19 oder L858R, aufwiesen. Das gepoolte mediane OS betrug unter dem Afatinib-haltigen Regime 27,3 versus 24,3 Monate unter alleiniger Chemotherapie (HR = 0,81; p = 0,0374). In der Subgruppe der 355 Patienten mit del19-Mutation verlängerte sich das OS von 20,7 auf 31,7 Monate (HR = 0,56; p = 0,0001). Bei den 276 Patienten mit L858R-Mutation war das OS unter Chemotherapie mit 26,9 versus 22,1 Monaten im Trend gegenüber dem experimentellen Arm verlängert (HR = 1,25; p = 0,1600). Das zeige, dass Tumoren mit den Mutationen del19 und L858R separat zu untersuchen seien, da es sich um zwei verschiedene Erkrankungen handle, resümierten die Autoren. Afatinib solle die Standard-Erst-
Erlotinib plus Bevacizumab Die beiden zielgerichteten Substanzen Erlotinib (Tarceva®) und Bevacizumab (Avastin®) besitzen synergistische AntiTumor-Aktivität, die in der Phase-III-Studie BeTa-Lung als Zweitlinienkombination eine Verbesserung des OS gegenüber der Erlotinib-Monotherapie bewirkte (HR = 0,44) (4). In einer japanischen Phase-II-Studie im Erstliniensetting erhielten nun im 1:1-randomisierten Design insgesamt 152 Patienten mit nichtsquamösem NSCLC im Stadium IV (81%) oder mit postoperativem Rezidiv (19%) entweder Erlotinib (150 mg qd) plus Bevacizumab (15 mg/kg q3w) oder Erlotinib als Monotherapie bis zum Tumorprogress (5). Primärer Endpunkt war das PFS nach RECIST-Kriterien. Das mediane Alter der Patienten betrug 67 Jahre, 16% (bzw. 19%) waren 75 Jahre oder älter, 60% (bzw. 66%) waren Frauen, und 56% (bzw. 59%) hatten nie geraucht. Etwa die Hälfte der Patienten in beiden Therapiearmen hatte eine del19- respektive eine L858R-Mutation. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Mit der Zugabe von Bevacizumab zu Erlotinib wurde das PFS von 9,7 auf 16,0 Monate signifikant verlängert (HR = 0,54; p = 0,0015). Aufgeschlüsselt nach Mutationstyp profitierten beide Gruppen von der Kombinationstherapie: Patienten mit del19 zeigten ein medianes PFS von 18,0 versus 10,3 Monaten (HR = 0,41) und Patienten mit L858R von 13,9 versus 7,1 Monaten (HR = 0,67). Ein Tumoransprechen
wurde bei 69% versus 64% der Patienten beobachtet (p = 0,4951), wobei ein komplettes Ansprechen bei 4% versus 1% erreicht wurde. Die Krankheitskontrollrate betrug 99% versus 88% (0,0177), die Dauer des Ansprechens 13,3 versus 9,3 Monate. Bei 91% der Patienten unter der Kombination versus 53% unter Monotherapie traten Nebenwirkungen Grad ≥ 3 auf, wobei die höhere Inzidenz im Kombinationsarm auf die Inzidenz des Bluthochdrucks zurückzuführen ist (60 vs. 10%). Klinisch relevante Nebenwirkungen traten bei 24% (vs. 25%) der Patienten auf, ein Patient verstarb therapieassoziiert im Monotherapiearm. Insgesamt wurden keine neuen Sicherheitssignale gesehen. Eine Auswertung des Fragebogens FACT-L zeigte keine signifikante Beeinflussung der Lebensqualität bei zusätzlicher Gabe von Bevacizumab.
MET-Amplifikation – methodische Probleme verwässern Ergebnisse
Etwa 8% der nichtkleinzelligen und 13% der kleinzelligen Bronchialkarzinome weisen MET-Punktmutationen auf, wogegen die MET-Amplifikation bei ungefähr 7% der NSCLC-Fälle identifiziert wurde. Unabhängig von MET als primärem Treiber wurde die MET-Amplifikation bei 5 bis 20% der Lungenkrebspatienten mit erworbener Resistenz gegen EGFR-Inhibitoren gesehen. Der Anstieg der METGenkopienzahl, gemessen mit FISH, kann bei hoher Polysomie (d.h. ohne vermehrtes Auftreten von Centromeren) oder bei einer wahren Amplifikation (d.h. die MET-Genkopienzahl steigt relativ mit einem Zugewinn an Centromer 7 [CEP7]) beobachtet werden. Die durchschnittliche Genkopienzahl sowie die Gen-zuCentromer-Rate sind kontinuierliche Variablen, weswegen der gewählte Cutoff-Punkt das Ergebnis für Positivität/Negativität beeinflussen kann. Laut Untersuchung des Colorado Molecular Correlates Lab war die MET-Amplifikation bei 92,6% von 800 konsekutiven NSCLC-Pa-
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tienten mit MET/CEP7-Rate < 1,8 negativ, bei 3,6% mit MET/CEP7-Rate ≥ 1,8 bis ≤ 2,2 niedrig, bei 3,0% mit MET/ CEP7-Rate > 2,2 bis < 5,0 mittelhoch und nur bei 0,8% der Patienten mit einer MET/CEP7-Rate von ≥ 5,0 hoch. Crizotinib In einer Phase-I-Studie zur Untersuchung von Crizotinib (Xalkori®) bei MET-amplifiziertem NSCLC wurde bei 2 von insgesamt 14 Patienten eine niedrige und bei jeweils 6 Patienten eine mittlere und eine hohe Amplifikationsrate gesehen (6). Ein Tumoransprechen hatten nur Patienten mit mittlerer und hoher MET-Amplifikation. Die Ansprechrate betrug 0% in der Niedrig-MET-Gruppe, 17% in der mittleren Gruppe (mediane Dauer 16 Wochen) und 67% in der Hoch-MET-Gruppe (mediane Dauer 73,6 Wochen). Onartuzumab Onartuzumab ist ein MET-Rezeptor-Antikörper, der in Kombination mit Erlotinib in einer plazebokontrollierten Phase-IIStudie einen deutlichen PFS- und OSVorteil bei MET-IHC(2+/3+)-positiven NSCLC-Patienten zeigen konnte (7). In dieser Phase-II-Studie wurde bereits beobachtet, dass die Verlängerung des PFS mit der MET-Positivität, laut IHC, nicht aber mit FISH assoziiert war. Die internationale Phase-III-Studie METLung verglich aufgrund der Studienergebnisse bei 490 Patienten mit NSCLC im Stadium IIIB/IV randomisiert Erlotinib plus Onartuzumab gegen Erlotinib plus Plazebo nach platinhaltiger Chemotherapie (8). Die Patienten waren median 62/63 Jahre alt, die Tumoren waren zu 84 bis 88% nichtsquamös und wiesen bei 11,2 bis 11,6% eine EGFR-Mutation sowie bei 78 bis 79% eine MET-IHC-2-positive respektive bei 21 bis 22% eine METIHC-3-positive Amplifikation auf. Der primäre Endpunkt, eine Verlängerung des OS, wurde allerdings nicht erreicht: Im Schnitt lebten Patienten im Verumarm 6,8 Monate (vs. 9,1 Monate im Plazeboarm) (HR = 1,27; p = 0,07). Eine Subgruppenauswertung wies darauf hin, dass asiatische Patienten (ca. 15% des Studienkollektivs) und Patienten mit squamösen sowie MET-IHC-3-positiven Tumoren möglicherweise profitieren könnten. Das PFS war in beiden Studien- armen nahezu identisch mit 2,7 (vs. 2,6) Monaten (HR = 0,99; p-Wert 0,92). Unter Plazebo plus Erlotinib sprachen 8,8% der Patienten an, unter Onartuzumab plus Erlotinib nur 6,4%. Der Diskutant Federico Cappuzzo, Livorno/Italien, gab zu bedenken, dass MET ein relevantes Ziel in der Behandlung des NSCLC sei und dass das negative Ergebnis der MET-Lung-Studie ein Resultat von nicht angemessen selektierten Patienten gewesen sein könnte. ALK-Fusion beim NSCLC – vielversprechende Daten zu selektivem ALK-Inhibitor ALK ist eine Rezeptortyrosinkinase, die in 3 bis 7% der NSCLC-Fälle durch chromosomale Neuordnung aktiviert ist. Ceritinib In der ASCEND-1-Studie, einer internationalen Phase-I-Studie, wurden 246 Patienten mit ALK-positivem Adenokarzinom der Lunge untersucht, von denen 163 Patienten mit einem ALK-Inhibitor (ALKi) vorbehandelt und 83 Patienten ALKi-naiv waren (9). Studienziele waren die Wirksamkeit und die Sicherheit von Ceritinib (LDK378), einem selektiven oralen ALKi. Insgesamt wurde bei 1,2% der Patienten ein komplettes Ansprechen, bei 57,3% der Patienten ein partielles Ansprechen und bei 20,7% der Patienten eine Stabilisierung der Erkrankung gesehen. Die Ansprechrate (ORR) betrug bei ALKi-vorbehandelten Patienten 54,6%, bei ALKi-naiven Patienten 66,3%. Bei den Patienten mit bestätigter kompletter oder partieller Remission zeigten 17,9% der ALKi-vorbehandelten und 65,2% der ALKi-naiven Patienten nach 12 Monaten eine andauernde Remission. Die PFS-Rate nach 12 Monaten betrug 28,4% und 61,3% mit einem Median von 6,9 Monaten bei den mit einem ALKi vorbehandelten Patienten. Der Median war bei ALKi-naiven Patienten zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht erreicht. Die häufigsten Nebenwirkungen aller Grade waren Diarrhö (84%), Übelkeit (77%), Erbrechen (57%), Fatigue (36%) und erhöhtes ALT (36%), die häufigsten Nebenwirkungen von Grad 3 bis 4 waren Erhöhungen von ALT (21%) und AST (8%). Unter Ceritinib wurde ferner eine Anti- Tumor-Aktivität in Bezug auf Hirnmeta- stasen beobachtet. Von insgesamt 14 Pa- tienten mit messbaren Hirnmetastasen erreichte ein Patient ein komplettes in- terkraniales Ansprechen, 6 Patienten ein partielles Ansprechen und 3 Patienten ei- ne stabile Erkrankung – ein vielverspre- chendes Resultat, das künftige Studien einleiten sollte. I Ine Schmale Referenzen: 1. Sequist LV et al.: Phase III study of afatinib or cisplatin plus pemetrexed in patients with metastatic lung adenocarcinoma with EGFR mutations. J Clin Oncol 2013; 31: 3327–334. 2. Wu YL et al.: Afatinib versus cisplatin plus gemcitabine for first-line treatment of Asian patients with advanced nonsmall-cell lung cancer harbouring EGFR mutations (LUXLung 6): an open-label, randomized phase 3 trial. Lancet Oncol 2014; 15: 213–22. 3. Yang JCH et al.: Overall survival (OS) in patients with advanced non-small cell lung cancer (NCSLC) harboring common (Del19/L858R) epidermal growth factor receptor mutations (EGFR mut): Pooled analysis of two large open-label phase III studies (LUX-Lung 3 and LUX-Lung 6) comparing Afatinib with chemotherapy (CT). ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #8004. 4. Herbst RS et al.: Efficacy of bevacizumab plus erlotinib versus erlotinib alone in advanced non-small-cell lung cancer after failure of standard first-line chemotherapy (BeTa): a double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2011; 377: 1846–54. 5. Kato T et al.: Erlotinib plus bevacizumab (EB) versus erlotinib alone (E) as first-line treatment for advanced EGFR mutation-positive nonsquamous non-small cell lung cancer (NSCLC): An open-label randomized trial. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #8005. 6. Camidge DR et al.: Efficacy and safety of Crizotinib in patients with advanced c-MET-amplified non-small cell lung cancer (NSCLC). ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #8001. 7. Spigel DR et al.: Final efficacy results from OAM4558g, a randomized phase II study evaluating MetMAb or placebo in combination with erlotinib in advanced NSCLC. J Clin Oncol 2011; 29 (Suppl): Abstr. #7505. 8. Spigel DR et al.: Onartuzumab plus erlotinib versus erlotinib in previously treated stage IIIb or IV NSCLC: Results from the pivotal phase III randomized, multicenter, placebocontrolled METLung (OAM4971g) global trial. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #8000. 9. Kim DW et al.: Ceritinib in advanced anaplastic lymphoma kinase (ALK)-rearranged (ALK+) non-small cell lung cancer (NSCLC): Results of the ASCEND-1 trial. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #8003. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2014 17