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50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
Kolorektalkarzinom/CRYSTAL-Studie
Analyse nach RAS-Mutationsstatus bestätigt verbesserten Therapieerfolg bei Patientenselektion
In den Biomarker-Auswertungen der Studien FIRE-3 und OPUS konnte bereits gezeigt werden, dass die Selektion der Patienten den Behandlungserfolg verbessert. In
Auswertung der FIRE-3-Studie wurde daher die Korrelation zwischen der maximalen Reduktion der Tumormarker
der retrospektiven Subgruppenanalyse der ursprünglichen Zulassungsstudie CRYSTAL, (= Nadir) CEA und CA19-9 mit dem PFS
die die Zugabe von Cetuximab zum Chemotherapieregime FOLFIRI untersuchte,
und OS untersucht (2). Die FIRE-3-Studie verglich Head-to-Head die Regime FOL-
wurde dieser Zusammenhang erneut bestätigt. Prof. Dr. Eric van Cutsem, UZ Leuven/ FIRI+Cetuximab versus FOLFIRI+Bevaci-
Belgien, stellte die Auswertung vor.
zumab bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom (KRAS-Exon-2-Wild-
typ) in der Erstlinientherapie (3).
Die CRYSTAL-Studie hat gezeigt, dass gabe von Cetuximab zur Chemothera- Es konnte gezeigt werden, dass die ma-
die Zugabe von Cetuximab zu FOLFIRI pie. Das Nebenwirkungsprofil in den ximale Reduktion des Tumormarkers
das progressionsfreie Überleben (PFS), Subgruppen blieb unverändert.
besser mit dem Überleben korreliert als
das Gesamtüberleben (OS) und das Ansprechen (ORR) bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom vom KRAS-
Tiefe des Ansprechens korreliert mit Überleben
die Werte der Tumormarker zu Therapiebeginn es tun. Die maximale Reduktion der CEA-Werte war im Mittel für Cetuxi-
Exon-2-Wildtyp in der Erstlinie signifikant Es wird derzeit diskutiert, ob der Tumor- mab grösser als für Bevacizumab. Aus-
verbessert. Patienten mit Mutationen im progress laut RECIST-Kriterien das An- serdem konnte gezeigt werden, dass
KRAS-Gen (Exon 2) zeigten dagegen kei- sprechen eines Patienten auf die Thera- nicht nur der Median der Reduktion für
nen Benefit von der EGFR-Inhibition.
pie noch zeitgemäss abbildet, oder ob Cetuximab grösser war, sondern auch
In der ursprünglichen Studie wurden 666 die Tiefe des Ansprechens als Marker für mehr Patienten eine Reduktion der CEA
Patienten behandelt, von denen nun 430 den Therapieerfolg besser geeignet ist. Spiegel um ≥ 75% erfahren haben (63%
Datensätze von KRAS-Wildtyp-Patienten Die Theorie des tiefen Ansprechens be- vs. 47,9%). Interessanterweise konnte
hinsichtlich des erweiterten RAS-Mutati- sagt, dass mCRC-Patienten mit einer auch eine Korrelation zwischen einer Re-
onsstatus ausgewertet werden konnten grösseren Tumorreduktion ein vergleichs- duktion der CEA-Werte um ≥ 75% und
(1). Von diesen KRAS-Wildtyp-Proben weise längeres OS aufweisen als Patien- einem verlängerten Überleben bzw. pro-
waren 85% auch nach der erweiterten ten mit einem geringeren Ansprechen. In gressionsfreien Überleben gezeigt wer-
RAS-Analyse nicht mutiert. Bei 15% wur- einer retrospektiven, exploratorischen den. Basierend auf der Hypothese, dass
den «neue» RAS-Mutationen identifi-
ziert. Das Verhältnis von RAS mutierten
und nicht-mutierten Patienten war in bei-
den Studienarmen vergleichbar.
Durch die verbesserte Patientenselekti-
on auf RAS-Wildtyp-Patienten konnte
der Nutzen der Cetuximab-Therapie in
der CRYSTAL-Studie weiter erhöht wer-
den. Während die KRAS-Exon 2-Wildtyp
Population ein Ansprechen von 57,3%
versus 39,7% (Cetuximab/FOLFIRI versus
FOLFIRI), ein medianes PFS von 9,9 Mo-
naten versus 8,4 Monate und ein media-
nes OS von 23,5 Monaten versus 20,0
Monate hatte, erreichte die Patientenko-
horte der RAS-Wildtyp-Patienten eine
Ansprechrate von 66,3% versus 38,6%
(p < 0,0001), ein medianes PFS von 11,4 Monaten versus 8,4 Monate (HR = 0,56; p = 0,0002) und ein medianes OS von 28,4 Monaten versus 20,2 Monate (HR = 0,69; p = 0,0024). Patienten mit RAS-Mutation hatten keinen Vorteil durch die Zu- FIRE-3-Studie: Korrelation von CEA-Schrumpfung < 75% versus ≥ 75% mit OS und PFS (modifiziert nach Michl 2014 [2]) 12 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2014 50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014 die CEA-Werte die Tumorbelastung widerspiegeln, folgerten die Autoren, dass eine stärkere Reduktion des CEA-Wertes unter der Cetuximab-Therapie mit einer im Vergleich zu Bevacizumab verbesserten Wirksamkeit einhergeht. Aufgrund inkonsistenter Ergebnisse bezüglich des ebenfalls untersuchten Tumormarkers CA19-9 kommen die Autoren zum Schluss, dass CEA der Tumormarker der Wahl zu sein scheint, wenn es um die Dokumentation des Ansprechens und des Ergebnisses geht. Schlussfolgerung: Die Autoren schlossen aus dieser Analyse, dass die maximale Tumorschrumpfung besser mit dem OS und PFS korreliert als die Baseline-Tumormarker-Spiegel. Ba- sierend auf der Hypothese, dass CEA die Tumorlast besser widerspiegele, konnte eine grössere Reduktion im Cetuximab- Arm gemessen werden, was eine besse- re Wirksamkeit reflektiere. Eine weitere Untersuchung des CEA als Surrogat- marker für die Tiefe des Ansprechens sei somit gerechtfertigt. I Ine Schmale Quellen und Literatur: 1. Van Cutsem E et al.: Treatment outcome according to tumor RAS mutation status in CRYSTAL patients with metastatic colorectal cancer (mCRC) randomized to FOLFIRI with/without cetuximab. ASCO 2014, Oral Abstract Session, Abstr. #3506. 2. Michl M et al.: AIO KRK0306 FIRE-3 trial: CEA and CA199 correlate with outcome in patients with KRAS exon 2 wildtype metastatic colorectal cancer (mCRC) receiving 1st-line therapy with FOLFIRI plus cetuximab or bevacizumab. ASCO 2014, General Poster Session, Abstr. #3592. 3. Heinemann V et al.: Randomized comparison of FOLFIRI plus cetuximab versus FOLFIRI plus bevacizumab as firstline treatment of KRAS wild-type metastatic colorectal cancer: German AIO study KRK-0306 (FIRE-3). ASCO 2013, Oral Abstract Session, Abstr. #LBA3506. Interview mit PD Dr. med. Sebastian Stintzing «Die Kollegen der CALGB-Studiengruppe müssen nacharbeiten» Nachdem in der AIO-KRK-0306-Studie (FIRE-3) vor einem Jahr ein Überlebensvorteil bei Gabe einer Anti-EGFR-Therapie im Vergleich zur Anti-VEGF-Therapie, jeweils in Kombination mit FOLFIRI, in der Erstlinienbehandlung des kolorektalen Karzinoms gezeigt wurde, wartete die onkologische Welt auf eine Bestätigung durch die CALGB/SWOG 80405-Studie. Diese zeigte nun in einer vorläufigen Auswertung eine vergleichbare Wirksamkeit der beiden biologischen Therapien. PD Dr. med. Sebastian Stintzing vom Klinikum der Universität München (LMU) und Mitglied der AIO-Arbeitsgruppe Darmkrebs, gab uns seine Einschätzung zu den aktuellen Studienergebnissen. Sebastian Stintzing SZO: Herr Dr. Stintzing, die CALGB/ SWOG-80405-Studie hat die Ergebnisse der FIRE-3-Studie nicht bestätigt, welche Erklärungen haben Sie dafür? PD Dr. med. Sebastian Stintzing: Die CALGB-Studie, welche gerade auf der ASCO-Jahrestagung präsentiert wurde, untersuchte als primären Endpunkt einen Unterschied im Gesamtüberleben einer Erstlinientherapie mit Cetuximab gegenüber Bevacizumab, jeweils in Kombination mit FOLFIRI oder FOLFOX in KRAS-Exon-2-Wildtyp-Patienten. In der Gesamtanalyse zeigten sich vergleichbar gute Überlebenszeiten von 29,9 und 29,0 Monaten, der primäre Endpunkt wurde nicht erreicht. Der «ChemotherapieBackbone» war von den behandelnden Ärzten frei wählbar, was zu Imbalancen in den Studienarmen geführt haben kann: Es wurde in 75% der Fälle das Oxaliplatin-haltige Regime bevorzugt, dies ist wichtig, da wir um den negativen Effekt von EGFR und Oxaliplatin bei RAS-mutierten Patienten wissen und die Daten der erweiterten RAS-Analyse noch ausstehen. Abgesehen davon sind die Überlebenskurven in der Subgruppe der Oxaliplatin-behandelten Patienten aber ähnlich denen der FIRE-3-Studie, mit einem Unterschied von 3,2 Monaten im medianen Überleben gegenüber 3,4 Monaten in der FIRE-3-Studie. Dieser Unterschied ist zu klein, um signifikant zu sein – was sich aber mit der Auswertung der RASWildtyp-Patienten ändern könnte. Die Kurven trennen sich spät und bleiben dann getrennt, wie es auch in der FIRE-3Studie zu sehen war. Die medianen Überlebenszeiten in den Irinotecan-haltigen Therapiearmen sind, im Gegensatz zur FIRE-3-Studie, vergleichbar. Die Überlebenskurven überkreuzen sich mehrmals. Über die Gründe kann man nur spekulieren, da uns auch hier noch zu viele Details fehlen. Etwa 25% der Studienpopulation wurde mit FOLFIRI behandelt. Es wird erwartet, dass in der FOLFIRI-Gruppe mehr Patienten mit Oxaliplatin in der adjuvanten Therapie vorbehandelt waren. Aus der Präsentation war nicht ersichtlich, ob die Studienarme bezüglich solch wichtiger prognostischer Faktoren balanciert waren. Die CALGB-Studiengruppe hat ebenso noch keine Daten zur Dosisintensität oder Therapiedauer präsentiert. Diese Daten benötigen wir, um die Ergebnisse besser interpretieren zu können. Und wir wissen auch zu wenig über die Verteilung wichtiger prognostischer Kriterien, wie die Häufigkeit einer leberbegrenzten Erkrankung, wie hoch der Anteil mit palliativer versus kurativer Therapieintension war oder wie viele Patienten bereits das 75. Lebensjahr vollendet SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2014 13 50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014 hatten. Das heisst, wir haben zu wenige Informationen, um wirkliche Aussagen treffen zu können. Enttäuschend war auch, dass keine Daten zum Tumoransprechen gezeigt wurden. Wir wissen auch nicht, wie viele Studienzentren mitgewirkt haben. Wir haben auf viele Fragen keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Hier müssen die Kollegen der CALGB-Studiengruppe noch einmal nacharbeiten. Ist die Studie dann also wertlos oder negativ? Sebastian Stintzing: Keinesfalls, wir benötigen aber mehr Informationen, die wir hoffentlich beim diesjährigen ESMOJahresmeeting in Madrid präsentiert bekommen. Man darf auch nicht vergessen, die Einschlusskriterien waren im Vergleich zur FIRE-3-Studie etwas anders. Die Studienteilnehmer sind etwas jünger, und es waren Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren zugelassen. Es ist darauf hinzuweisen, dass in den momentanen Auswertungen zur CALGBStudie Patienten mit KRAS-(Exon 2)Wildtyp-Tumoren ausgewertet wurden. In Europa sind wir einen Schritt weiter, und die Zulassung hat sich dahingehend geändert, dass eine erweiterte RAS-Testung gebraucht wird und nur Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren eine Anti-EGFR-Therapie erhalten dürfen. Gibt es eine Erklärung dafür, warum sich die Kurven so spät trennen? Sebastian Stintzing: Es werden verschiedene Erklärungen diskutiert, unter anderem das frühe Tumoransprechen und die Remissionstiefe. Hierzu haben wir Daten für die FIRE-3-Studie präsentieren können, die meines Erachtens sehr aufschlussreich sind. Daneben werden biologische Veränderungen des Tumors unter einer Cetuximab-Therapie diskutiert, welche Einfluss auf die Wirksamkeit der Zweitlinientherapie haben könnten. Es wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen in sehr kleinen Studienkollektiven eine Erhöhung der VEGF-Expression in Cetuximab-resistenten Tumoren nach- gewiesen. Solche Tumoren könnten dann sensitiver auf eine nachgeschaltete Anti-VEGF-Therapie reagieren. Die Daten der FIRE-3-Studie zur Zweitlinientherapie zeigen, dass in der Sequenz Cetuximab-Bevacizumab die Zweitlinientherapie länger andauert als in der umgekehrten Sequenz. Welche Empfehlung würden Sie nun für die Erstlinienbehandlung des metastasierten Kolorektalkarzinoms abgeben? Sebastian Stintzing: Die «AIO-Leitgruppe Kolorektalkarzinom» hat ein Statement abgegeben, da wir der Meinung waren, dass die ESMO-Leitlinien veraltet sind. Zur Therapieplanung und Diskussion aller Therapiemöglichkeiten mit dem Patienten sollte bei allen Tumoren im metastasierten Stadium eine erweiterte RASMutationsanalyse durchgeführt werden. Liegt ein RAS-Wildtyp-Tumor vor, sind wir der Meinung, dass der Einsatz eines EGFR-Antikörpers in der Erstlinie diskutiert werden muss, da dies zu einem Überlebensvorteil führen kann. Auf der anderen Seite ist klar, dass Patienten, die eine RAS-Mutation aufweisen, keinen Vorteil durch eine Anti-EGFR-Therapie haben und dementsprechend nicht mit Cetuximab oder Panitumumab behandelt werden sollten. Herr Dr. Stintzing, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch. Interview und Text im Kasten: Ine Schmale Merck KGaA unterzeichnet Vertrag mit Sysmex Inostics zur Entwicklung eines blut-basierten RAS-Biomarker-Tests Die blut-basierte Biomarker-Testung ist ein schneller und einfacher Ansatz zur Bestimmung des Mutationsstatus von Tumoren, da nur eine Blutprobe anstatt einer Gewebebiopsie benötigt wird. Ziel ist, mit einem solchen Test den Mutationsstatus innerhalb von wenigen Tagen zu ermitteln, um das Resultat für die Therapieentscheidung heranziehen zu können. Ausserdem könnte die Methode bevorzugt eingesetzt werden bei Patienten, bei denen aufgrund der körperlichen Kondition ein chirurgischer Eingriff zur Entnahme einer Gewebebiopsie nicht zumutbar ist. «Wir freuen uns, unsere strategische Partnerschaft mit Sysmex Inostics bekanntzugeben», sagte Belén Garijo, Leiterin der Sparte Merck Serono. «Als Unternehmen haben wir uns dem Prinzip der personalisierten Medizin und der prädiktiven Biomarker verpflichtet. Die Zusammenarbeit mit Sysmex Inostics komplementiert unser Engagement, dieses Prinzip umzusetzen, um den Wert von Erbitux für Patienten, Ärzte und Kostenträger zu verbessern.» Fernando Andreu, Geschäftsführer von Sysmex Inostics, freute sich auf die wichtige Zusammenarbeit mit Merck Serono und darauf, diese innovative Technologie Patienten mit mCRC zukommen zu lassen. «Zusammen mit unserer nicht-invasiven, blut-basierten Diagnostik und der Expertise unseres neuen Partners in Bezug auf die personalisierte Medizin werden wir neue Möglichkeiten eröffnen, um die Biomarkertestung beim mCRC voranzutreiben. Diese Kooperation ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Aufwertung des klinischen Wertes des Sysmex Inostics OncoBeam-Tests und steht beispielhaft für die Sysmexs Strategie, sensitive blut-basierte Tests für die Onkologie zu entwickeln.» Professor Sabine Tejpar von der Universität Leuven, Belgien, unterstrich die Relevanz einer Blut-RAS-Testung, um den RAS-Status frühzeitig zu kennen und zur schnellen und einfachen Unterstützung der Therapieentscheidung wie auch zur Nachsorge und Nachbeobachtung der Patienten nutzen zu können. Quelle: Merck KGaA Media Event, 31. Mai 2014, Chicago 14 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2014