Transkript
Im Fokus: Cancer Survivors
Reproduktion nach Tumortherapie
Gonadotoxizität, Fertilitätsprotektion, Prognose für die Nachkommen
Im Zuge der verbesserten Tumortherapien erhöht sich der Anteil der Männer und Frauen im fertilen Alter, die ihre Krebserkrankung überstanden haben. Insgesamt entstehen bei diesen Patienten weniger Schwangerschaften als in der Allgemeinbevölkerung, bei den Neugeborenen betroffener Elternteile sind dagegen keine Unterschiede bezüglich Fehlbildungen feststellbar. Im Folgenden werden die gonadotoxischen Wirkungen von Radio- und Chemotherapien sowie die Möglichkeiten des Fertilitäterhalts erläutert.
WOLFGANG E. PAULUS
SZO 2014; 4: 17–21.
Wolfgang E. Paulus
In der Schweiz erkranken jährlich mehr als 35 000 Menschen an Krebs. 13% der Tumorerkrankungen treten vor dem 50. Altersjahr auf, betreffen also meist noch die fertile Lebensphase. Jährlich registriert man zirka 170 Neuerkrankungen bei Kindern. Am häufigsten sind Leukämien (33%), Tumore des zentralen Nervensystems (21%) und Lymphome (13%). Die Heilungschancen haben sich in den letzten 60 Jahren rasant verbessert und erreichen mittlerweile 80%. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit den besten Behandlungsergebnissen (1). Aufgrund der steigenden Überlebensraten bei Krebserkrankungen werden immer mehr Patienten mit den Langzeitfolgen einer erlebten Chemo- oder Radiotherapie konfrontiert. Da die Gonaden (Eierstöcke und Hoden) für derartige Expositionen besonders empfindlich sind, stellt sich häufig auch die Frage nach dem Erhalt der Fertilität. Die Statistiken zeigen zudem, dass Eltern bei Geburt des ersten Kindes deutlich älter sind als vor Jahrzehnten. Wir werden daher zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass die Familienplanung zum Zeitpunkt der
ABSTRACT
Fertility preservation after cancer treatments
With better treatments, the number of young cancer survivors living through reproductive age is increasing. In general, cancer survivors have reduced rates of subsequent pregnancy compared with the general population. Here we focus on gonadotoxic effects of cancer therapy but also on the options for fertility preservation. Neonatal outcomes in men or women with prior history of cancer are highly comparable with those of the general population.
Keywords: fertility – cancer – fertility preservation – gonadotoxicity – pregnancy – fetal outcome.
Krebsdiagnose respektive -behandlung noch nicht abgeschlossen ist.
Gonadotoxizität von Zytostatika
Zytotoxische Therapien (Radio- und Chemotherapien) können vorübergehend oder definitiv die Hoden- und Ovarialfunktion stören. Das Ausmass der gonadalen Schädigung ist von der Art und Intensität der Behandlung sowie von individuellen Faktoren wie dem biologischen Alter abhängig. Zytostatika sind unterschiedlich schädlich für die Gonaden. Bei nicht abgeschlossener Familienplanung sollten stark gonadotoxische Zytostatika (Tabelle 1) gemieden werden. Zytostatika mit einem niedrigen Risiko für eine Ovarialschädigung sind beispielsweise Methotrexat, 5-Fluorouracil, Vincristin, Vinblastin, Bleomycin und Actinomycin. Das Risiko einer dauerhaften Amenorrhö ist bei verschiedenen Regimen sehr unterschiedlich, wie man beispielsweise an den Daten zur Therapie des Mammakarzinoms erkennen kann (Tabelle 2).
Weibliche Fertilität nach Tumortherapie
Die Anzahl der bei Geburt vorhandenen Primordialfollikel nimmt im weiblichen Organismus kontinuierlich bis zur Menopause ab. Dieser Prozess wird durch zytotoxische Therapien beschleunigt, sodass der Verlust der Ovarialfunktion früher eintritt. Langzeitüberlebende Frauen, die in der Kindheit an einem Malignom litten, kommen deutlich früher in die Menopause als ihre Schwestern und sollten deshalb einen bestehenden Kinderwunsch nicht zu spät erfüllen (Abbildung 1).
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2014
17
Im Fokus: Cancer Survivors
Tabelle 1:
Risiken für eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz nach Chemotherapie
Hohes Risiko Cyclophosphamid Chlorambucil Melphalan Busulfan Procarbazin Nitrourea Stickstoff-Lost Mustin Cytosinarabinosid
Mittleres Risiko Cisplatin Adriamycin Epirubicin
Niedriges Risiko Methotrexat 5-Fluorouracil Vincristin, Vinblastin Bleomycinin Actinomycin
Tabelle 2:
Risiko für eine Amenorrhö nach Kombinationstherapie mit Zytostatika in % (nach [2])
Chemotherapieschema
Keine Chemotherapie AC x 4 CMF x 6 CAF / CEF x 6 TAC x 6 AC x 4 / T x 4
Alter < 30 J. der Frau ~0 19 Alter 30–40 J. der Frau <5 13 31–38 23–47 62 38 Alter > 40 J. der Frau 20–25 57–63 76–96 80–89
Vorzeitige Menopause 8,0% vs. 0,8%
(Rate Ratio = 13,21; 95%-KI: 3,26–53,51; p = 0,001)
Not Menopausal (proportion)
Survivors Siblings
Age at Last Menstrual Period (years) Abbildung 1: Inzidenz einer vorzeitigen Menopause von Überlebenden nach Tumortherapie im Vergleich zu Geschwistern (nach [3])
Der Umfang des Schadens hängt vom Alter der Patientin bei der Tumortherapie, der Gesamtdosis und dem applizierten Zytostatikum ab. Insbesondere nach Einsatz von Alkylanzien ist das Zeitfenster der Fertilität bei den betroffenen Frauen eingeschränkt. Die Wahrscheinlichkeit eines kompletten Verlustes der Ovarialfunktion steigt mit zunehmendem Alter. Frauen über 40 haben eine geringere Eizellreserve, sodass bei ihnen bereits bei Strahlentherapie mit Dosen zwischen 5 und 6 Gy mit einem dauerhaften
Funktionsverlust gerechnet werden muss. Jüngere Frauen dagegen können unter Umständen bis zu 20 Gy tolerieren. Eine Strahlentherapie des Beckens im Kindes- oder Jugendalter kann zu einem reduzierten Uterusvolumen, einer geringeren Endometriumdicke oder einem Elastizitätsverlust der Uterusmuskulatur führen. Als bedeutendste Einflussgrössen für ein akutes Versagen der Ovarialfunktion gelten Bestrahlungen des Beckens mit einer Gesamtdosis über 10 Gy, die Anwendung von Procarbazin sowie der Einsatz von Cyclophosphamid im Alter zwischen 13 und 20 Jahren (4). Ein akutes Ovarialversagen trat bei 215 (6,3%) von 3390 Patientinnen in der Childhood Cancer Survivor Study (CCSS) in den USA auf (5). Unter den 5149 weiblichen Überlebenden im Alter zwischen 15 und 44 Jahren lag die Schwangerschaftsrate im Vergleich zu unbelasteten Geschwistern um 19% niedriger (RR = 0,81; 95%-KI: 0,73–0,90). Unregelmässige Zyklen weisen oft auf einen frühen Eintritt der Menopause hin. Erniedrigtes AMH (AntiMüller-Hormon) respektive Inhibin B sowie erhöhtes FSH am dritten Zyklustag und der fehlende sonografische Nachweis reifender Follikel zeugen von einer Störung der Ovarialfunktion und eignen sich als diagnostisches Kriterium.
Männliche Fertilität nach Tumortherapie
Bei Männern kann es bereits bei Strahlendosen von 0,1 Gy zu einer temporären Oligospermie kommen. Höhere Dosen führen oft zu einer kompletten Unterbrechung der Spermienproduktion. Allerdings wurde mitunter nach Jahren eine Rückkehr der Fertilität registriert. Strahlendosen über 6 Gy verursachen häufig eine dauerhafte Infertilität. Die Angaben über die Höhe der Strahlendosen bei Verlust der Fertilität variieren in der Literatur erheblich (6). 30% der Tumortherapien im Kindesalter führen bei Jungen zu gonadotoxischen Effekten mit einer permanenten Infertilität (7). Das Ausmass und die Dauer des Schadens hängen vom verabreichten Zytostatikum und der Gesamtdosis ab. Insbesondere Alkylanzien wie Busulfan, Cisplatin, Cyclophosphamid, Ifosfamid und Procarbazin sind für eine anhaltende Infertilität bekannt (8). Die meisten Chemotherapien im Kindesalter bestehen aus Kombinationen mehrerer Zytostatika, wobei synergistische Effekte schon bei geringeren Dosen der einzelnen Wirkstoffe zu Infertilität führen können. Neben pathologischen Spermiogrammen zeugen niedriges Inhibin B und erhöhtes FSH vom Ausmass der eingeschränkten männlichen Fertilität.
Fertilitätsprotektion
Werden gonadotoxische Therapien bei Patienten im fertilen Alter erforderlich, sollte heutzutage eine aus-
18 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2014
Im Fokus: Cancer Survivors
führliche Aufklärung zu den Optionen fertilitätserhaltender Massnahmen erfolgen. Im Rahmen des Therapiekonzeptes sind daher reproduktionsmedizinische Massnahmen mit Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen zu diskutieren. Während dies bei Sperma unproblematisch ist, gibt es bei der Kryokonservierung befruchteter Embryonen nach In-vitro-Fertilisierung einige kritische Punkte: Die hormonelle Stimulation des Ovars zur Gewinnung von Eizellen verzögert nicht nur die Chemotherapie, sondern kann bei hormonrezeptorpositiven Tumoren möglicherweise auch das Tumorwachstum anregen.
Massnahmen bei Männern Fertilitätserhaltende Massnahmen bei Männern vor zytotoxischer Therapie sind relativ einfach durchzuführen und sind seit vielen Jahren etabliert. Eine Fertilitätsreserve kann bei allen postpubertären Männern angelegt werden, die in der Lage sind, mindestens eine Ejakulatprobe abzugeben, oder bei denen die Durchführung einer Hodenbiopsie respektive einer Spermiengewinnung aus dem Nebenhoden möglich ist. Präpubertäre Knaben haben nur unreifes Hodengewebe mit diploiden Spermatogonien und Spermatozyten. Nach Kryokonservierung einer Gewebeprobe wäre eine Retransplantation möglich, um die Fertilität des onkologisch erfolgreich therapierten Patienten wiederherzustellen. Diese Verfahren befinden sich allerdings erst in der Entwicklung. Hat eine Tumorbehandlung zu einer Azoospermie geführt, können Spermien auch mithilfe der testikulären Spermienextraktion (TESE) operativ aus dem Hodengewebe gewonnen werden.
Massnahmen bei Frauen Fertilitätserhaltende Massnahmen bei Frauen sind demgegenüber wesentlich komplizierter und befinden sich teilweise erst im experimentellen Stadium. Der Nutzen eines Schutzes des Ovars durch «Ruhigstellung» der Hypophysen-Ovar-Achse während der Chemotherapie mittels LHRH-Agonisten wird kontrovers diskutiert. Mehrere Phase-III-Studien ergaben widersprüchliche Resultate (9). Die ovarielle Stimulationsbehandlung zur Gewinnung von Eizellen und die Kryokonservierung befruchteter Eizellen sind im Rahmen der In-vitro-Fertilisation etablierte Routineverfahren. In spezialisierten reproduktionsmedizinischen Zentren erfolgt auch die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen. Eine ovarielle Stimulation zur Gewinnung von Oozyten kann bei postpubertären Frauen bis zum Alter von zirka 40 Jahren durchgeführt werden. Die Chance auf eine Schwangerschaft nach Kryokonservierung von befruchteten Eizellen vor zytotoxischer Therapie beträgt bei Patientinnen im Alter von 18 bis 25 Jahren
schätzungsweise 40%, mit 26 bis 30 Jahren zirka 35%, mit 31 bis 35 Jahren zirka 30% und mit 36 bis 40 Jahren zirka 25%; bei diesen Zahlen handelt es sich um kumulative Schwangerschaftsraten nach mehreren Auftauzyklen (10). Die laparoskopische Entnahme und Kryokonservierung von Ovarialgewebe ist demgegenüber eine noch experimentelle Technik zur Fertilitätserhaltung. Dafür eignen sich insbesondere junge Frauen mit einer hohen Ovarreserve. Die Kryokonservierung von Ovarialgewebe kommt vor allem bei Tumorpatientinnen infrage, die eine rasche gonadotoxische Therapie benötigen, sodass keine Zeit für eine Stimulationsbehandlung mit Gewinnung von Oozyten bleibt. Diese Methode ist aber eine relevante Option für präpubertäre Mädchen. Bei der Transplantation von Ovarialgewebe muss allerdings auch das potenzielle Risiko einer Übertragung maligner Zellen in Betracht gezogen werden (11). Bei einer therapeutischen Bestrahlung des Beckens bietet sich die chirurgische Transposition der Ovarien (Oophoropexie) an, um das Ovarialgewebe aus dem unmittelbaren Strahlenfeld zu entfernen.
Prognose für Schwangerschaften und Tumorerkrankung
Unklarheit besteht oft über das nötige Zeitintervall zwischen Abschluss der Chemotherapie und Eintritt einer Schwangerschaft. Häufig wird zu einem Abstand von zwei Jahren nach Abschluss der Tumortherapie geraten, vor allem, da bei aggressiven Tumoren die Rezidivgefahr kurz nach der Tumortherapie am grössten ist. Unter ehemaligen kinderonkologischen Patienten mit einem Durchschnittsalter von rund 24 Jahren lag die Kinderwunschrate bei 77% im Vergleich zu 90% in der altersentsprechenden Gesamtbevölkerung. In diesem Zusammenhang äusserten die Betroffenen vor allem Ängste, dass das Kind auch an Krebs erkranken oder dass die eigene Krankheit neu ausbrechen könnte (12). Die Schwangerschaftsraten erfolgreich behandelter Tumorpatientinnen liegen je nach Tumortyp deutlich unter den Angaben in der vergleichbaren Allgemeinbevölkerung (13) (Abbildung 2). In Abhängigkeit vom Tumortyp sind die Betroffenen mitunter auch in Sorge, inwieweit eine Schwangerschaft die Prognose der mütterlichen Grunderkrankung verschlechtern könnte. Offensichtlich hat eine spätere Schwangerschaft aber keinen negativen Einfluss auf die Prognose. Das gilt auch für hormonabhängige Tumoren wie das Mammakarzinom (2). Nach Anwendung kardiotoxischer Zytostatika sollte bei Kinderwunsch fertiler Frauen ihre kardiale Funktion überprüft werden. Die erhöhte Volumenbelastung kann bei kardialer Vorschädigung in der Schwangerschaft zu mütterlicher Herzinsuffizienz führen.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2014
19
Im Fokus: Cancer Survivors
Schilddrüsenkrebs Melanom
Non-Hodgkin-Lymphom Hodgkin-Lymphom Alle Malignome Hirntumore Keimzelltumore Akute Leukämien Zervixkarzinom
Epitheliales Ovarialkarzinom Mammakarzinom
(Zeitraum: 1973–2000) im Vergleich zu einer unbelasteten Kontrollgruppe (n = 14 278). Dabei ergab sich eine signifikante Zunahme von Frühgeburten (RR = 1,54; 95%-KI: 1,30–1,83) und Nachkommen mit einem Geburtsgewicht unter 2500 g (RR = 1,31; 95%KI: 1,10–1,57). Auch hier wurde kein Anstieg von Fehlbildungsrate, intrauterinem Fruchttod oder Chromosomenaberrationen bei den Nachkommen beobachtet (16). Eine entsprechende Auswertung der Schwangerschaften überlebender männlicher Tumorpatienten (n = 470) zeigte dagegen keinen Anstieg von Frühgeburten, Wachtumsretardierungen, der Fehlbildungsrate oder von Chromosomenaberrationen (17).
Abbildung 2: Schwangerschaftsraten überlebender Tumorpatientinnen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (nach [9])
Tabelle 3:
Anomalien bei den Nachkommen (nach [3])
Zytogenetische Anomalie Einzelgen-Mutation Fehlbildung Gesamt
Nachkommen von Überlebenden nach Tumortherapie (n = 6129)
n% 7 0,1 14 0,2 136 2,2 157 2,6
Nachkommen von Geschwistern (n = 3101) (Kontrollgruppe) n% 6 0,2 8 0,3 97 3,1 111 3,6
Prognose für Fehlbildungen der Nachkommen
Nach erfolgter Tumortherapie belasten die werdenden Eltern häufig auch Fragen zu einer möglichen Schädigung der Nachkommen. Das Fehlbildungsrisiko der Kinder ist nach elterlicher Chemotherapie nach bisherigem Kenntnisstand nicht erhöht. Das Follow-up von über 4000 Schwangerschaften nach mütterlicher Chemotherapie ergab keinen Anstieg der kindlichen Fehlbildungsrate (14). Die Datenbank des amerikanischen National Cancer Institute umfasst über 10 000 Patienten mit malignem Tumor in Kindheit respektive Jugend, die zwischen 1970 bis 1986 behandelt worden sind. Ein Geburtsgewicht unter der 10. Perzentile wurde mit 18,2% versus 7,8% (OR = 4,0; 95%-KI: 1,6–9,8; p = 0,003) signifikant häufiger registriert, vor allem nach uteriner Radiatio über 5 Gy (15). Bei den Nachkommen zeigte sich jedoch keine Zunahme von angeborenen Organanomalien, zytogenetischen Syndromen oder Gendefekten (Tabelle 3). Eine retrospektive Kohortenstudie mit Daten aus Krebs- und Geburtenregistern von vier US-Regionen analysierte die Nachkommen von 1898 Tumorpatientinnen mit einer Erstdiagnose vor dem 20. Lebensjahr
Fazit
Im Hinblick auf einen späteren Kinderwunsch sollten
bei Tumorpatienten nach Möglichkeit Therapiere-
gime gewählt werden, die wenig toxisch für die Go-
naden sind. Die Kryokonservierung von Spermien
und befruchteten Embryonen ist eine Option, post-
pubertären Patienten nach Abschluss der Therapie
den Kinderwunsch zu erfüllen. Die Fehlbildungsrate
der Nachkommen von Tumorpatienten ist nicht er-
höht. Tritt eine Schwangerschaft bei betroffenen
Frauen nach Tumortherapie ein, ist eine sorgfältige
Überwachung erforderlich, um drohende Frühgebur-
ten und fetale Wachstumsretardierungen frühzeitig
zu erkennen.
Grundsätzlich sollte man Paare nach erfolgreicher
Tumortherapie durchaus ermutigen, ihren Kinder-
wunsch zu realisieren. Eine gute interdisziplinäre
Kooperation der betreuenden Fachärzte kann dabei
helfen, vorhandene Bedenken bei den Betroffenen
zu reduzieren. 2010 wurde das gesamtschweizerische
Netzwerk FertiSave (www.sgrm.org/wb/pages/de/
fertisave-kommission.php) zur Qualitätssicherung
fertilitätserhaltender Massnahmen bei Männern und
Frauen im fertilen Alter mit einem Krebsleiden ein-
gerichtet. Dieses interdisziplinäre Forum dient der
weiteren Verbesserung der Betreuung von Eltern
nach Tumortherapie im fertilen Alter.
L
Dr. med. Wolfgang E. Paulus Institut für Reproduktionstoxikologie Krankenhaus St. Elisabeth (Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm) Elisabethenstrasse 17 D-88212 Ravensburg E-Mail: paulus@reprotox.de
20 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2014
Im Fokus: Cancer Survivors
Merkpunkte
L Die Planung einer Tumortherapie sollte im Hinblick
auf späteren Kinderwunsch eine Erörterung fertilitäts-
protektiver Massnahmen einschliessen.
L Die gonadotoxische Wirkung einer Chemotherapie
hängt vom jeweiligen Zytostatikum und seiner Dosis
ab.
L Bei Schwangerschaften von Tumorpatientinnen ist
auf das erhöhte Risiko von Frühgeburten und fetalen
Wachstumsretardierungen zu achten.
L Die Nachkommen von erfolgreich behandelten
Tumorpatienten weisen nicht vermehrte Fehlbildun-
gen oder genetische Defekte auf.
Quellen: 1. Bundesamt für Statistik (BFS): Krebs in der Schweiz. Stand und Entwicklung von 1983 bis 2007. Neuchâtel 2011. 2. Partridge AH, Ruddy KJ: Fertility and adjuvant treatment in young women with breast cancer. Breast 2007; 16 Suppl 2: S175–81. 3. Green DM, Sklar CA, Boice JD Jr, et al.: Ovarian failure and reproductive outcomes after childhood cancer treatment: results from the Childhood Cancer Survivor Study. J Clin Oncol 2009; 27(14): 2374–81. 4. Chemaitilly W, Mertens AC, Mitby P, et al.: Acute ovarian failure in the Childhood Cancer Survivor Study. J Clin Endocrinol Metab 2006; 91: 1723–28. 5. Metzger ML, Meacham LR, Patterson B, et al.: Female reproductive health after childhood, adolescent, and young adult cancers: guidelines for the assessment and management of female reproductive complications. J Clin Oncol 2013; 31(9): 1239–47. 6. Bruhn C: Schwangerschaft nach oder während einer Krebserkrankung. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1146–47.
7. Green DM, Kawashima T, Stovall M, et al.: Fertility of male survivors of childhood cancer: a report from the Childhood Cancer Survivor Study. J Clin Oncol 2010; 28(2): 332–39.
8. Ginsberg JP.: Educational paper: the effect of cancer therapy on fertility, the assessment of fertility and fertility preservation options for pediatric patients. Eur J Pediatr. 2011; 170(6): 703–08.
9. Peccatori FA, Azim HA Jr, Orecchia R, Hoekstra HJ, et al.: Cancer, pregnancy and fertility: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2013; 24 Suppl 6: vi160–70.
10. Wunder C, Huober-Zeebb C, Moffat R, Stiller R, Ambrosetti A, Xie M, von Wolff M: Schweizerische Empfehlungen zur Fertilitätserhaltung für Patientinnen und Patienten im fertilen Alter vor zytotoxischen Therapien. Schweiz Med Forum 2012; 37: 708–09.
11. American Society for Reproductive Medicine, Practice Committee: Ovarian tissue cryopreservation: a committee opinion. Fertil Steril 2014; 101(5): 1237–43.
12. Reinmuth S, Liebeskind AK, Wickmann L, et al.: Having children after surviving cancer in childhood or adolescence – results of a Berlin survey. Klin Padiatr 2008; 220: 159–65.
13. Stensheim H, Cvancarova M, Møller B, Fosså SD.: Pregnancy after adolescent and adult cancer: a population-based matched cohort study. Int J Cancer 2011; 129: 1225–36.
14. Hawkins MM.: Pregnancy outcome and offspring after childhood cancer. BMJ. 1994; 309(6961): 1034.
15. Green DM, Kawashima T, Stovall M, et al.: Fertility of female survivors of childhood cancer: a report from the childhood cancer survivor study. J Clin Oncol 2009; 27(16): 2677–85.
16. Mueller BA, Chow EJ, Kamineni A, et al.: Pregnancy outcomes in female childhood and adolescent cancer survivors: a linked cancer-birth registry analysis. Arch Pediatr Adolesc Med 2009; 163(10): 879–86.
17. Chow EJ, Kamineni A, Daling JR, Fraser A, et al.: Reproductive outcomes in male childhood cancer survivors: a linked cancer-birth registry analysis. Arch Pediatr Adolesc Med. 2009; 163(10): 887–94.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2014
21