Transkript
EDITORIAL
Im Fokus: Cancer Survivors
Liebe Leserinnen und Leser
D iese vorweihnachtliche Ausgabe der Schweizer Zeitschrift für Onkologie beschäftigt sich mit den Spätfolgen von Tumortherapien. Im englischsprachigen Raum werden Patienten, die sich in kompletter Remission befinden und das Tumorleiden hinter sich gelassen haben, als «Cancer Survivors» bezeichnet. Auch wenn dieser Begriff nicht hundertprozentig dem Zustand Rechnung trägt, dass ein Patient in seinem Leben eine Tumortherapie erhielt, so haben wir uns doch ganz bewusst für diesen Titel entschieden, denn: Wenn man ein Tumorleiden überlebt – und dies sind heute immer mehr Menschen dank verbesserter Früherkennung und immer wirksameren Therapiemodalitäten – muss man dennoch mit häufig zu beobachtenden Spätfolgen der Therapie kämpfen, welche teilweise erst Jahre nach der Therapie sichtbar werden. Damit stehen die «Survivors» weiterhin im Fokus der Onkologie.
Langzeitfolgen von Kindermalignomen bis zum Fertilitätserhalt im Fokus Nicolas von der Weid zeigt sehr gut die aktuellen Erkenntnisse über therapiebedingte Spätfolgen von Kindermalignomen auf. Als besonders eindrückliche Spätfolge einer Tumortherapie dürfte die Induktion von Sekundärmalignomen sein. Kombinierte Radio-/Chemotherapien und einige spezifische Chemotherapien haben ein hohes Risiko für Zweitleukämien oder solide Tumoren. Nur ein kontinuierliches Screeningprogramm kann dem zur Früherkennung entgegengesetzt werden. Christoph Oehler pointiert die Spätfolgen speziell der Strahlentherapie. Neben der Induktion von Zweitmalignomen und den Frühtoxizitäten spielen radiotherapieinduzierte Spätfolgen eine erhebliche Rolle in der Therapie und Nachsorge. Zum einen dienen sogenannte Dosisvolumenhistogramme dazu, die Toleranzdosen von Normalgewebe nicht zu überschreiten, und zum anderen hat sich ein Dokumentationssystem mit Graduierung der Toxizitäten in der Nachsorge etabliert. Der Artikel betont, dass die Radiotherapie stets auf schmalem Grat zwischen gewünschter Wirkung am Tumor und unerwünschter Wirkung am gesunden Gewebe balanciert. Michael Gregor interviewte eine Patientin nach allogener Stammzelltransplantation bei ALL. Sie beschreibt eindrücklich und sehr persönlich, wie sie die folgenden 6 Jahre erlebte, mit welchen Nebenwirkungen und Komplikationen sie teilweise bis heute zu kämpfen hat. Dass auch die Frage der Reproduktionsfähigkeit nach einer Tumortherapie heute eine immer bedeutendere Rolle spielt, skizziert Wolfgang Paulus in seinem Artikel. Nach einer Tumortherapie treten deutlich weniger Schwangerschaften auf, was auf die gonadotoxischen Wirkungen von Radio- und Chemotherapie zurückgeführt wird. Die modernen Möglichkeiten des Fertilitätserhalts können in einigen Fällen Hilfe bieten.
Sterben im Akutspital im Spannungsfeld Im Forum Ethik in der Onkologie wird diesmal die Sterbekultur im Akutspital thematisiert. Dieses wichtige Thema steht im Zentrum des diesjährigen Ethik-ForenTreffens, welches Anfang Dezember im Luzerner Kantonsspital stattfindet und «Sterben im Spital – ethische Herausforderungen» diskutiert. Der Artikel reflektiert die Situation Sterbender und ihrer Angehörigen im Spannungsfeld der Ars faciendi und der Ars demitendi.
Ich wünsche Ihnen im Namen der gesamten Herausgeberschaft eine besinnliche Weihnachtszeit und eine anregende Lektüre.
Dr. med. Timothy D. Collen
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2014
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