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Kongressbericht
55th American Society of Hematology (ASH) Annual Meeting and Exposition, New Orleans, 7. bis 10. Dezember 2013
Chronische lymphatische Leukämie
Praxisrelevante Fortschritte in der Behandlung der CLL
Die Behandlung der CLL befindet sich im Wandel. Verschiedene Chemotherapien, monoklonale Antikörper und zielgerichtete Therapien wurden in klinischen Studien untersucht, sind bereits zugelassen oder befinden sich in der klinischen Prüfung. Auf dem Jahrestreffen der Amerikanischen Hämatologischen Gesellschaft (ASH) wurden wichtige Ergebnisse zur Therapieoptimierung präsentiert.
Einsatz in frühen CLL-Stadien
In einer deutsch-französischen Studie wurden 800 therapienaive CLL-Patienten im Binet-Stadium A in eine Hochrisikogruppe (definiert als ≥ 2 der Faktoren Lymphozyten-Verdopplungszeit ≤ 12 Monate, Serum-Thymidin-Kinase > 10 U/l, unmutiertes IGHV und del11q, del17p oder Trisomie 12) und in eine Gruppe mit niedrigem Risiko eingeteilt. Patienten mit niedrigem Risiko (n = 599) wurden nach der Watch-&-Wait-Strategie behandelt. Patienten der Hochrisikogruppe (n = 201) erhielten randomisiert sechs Zyklen FCR (Fludarabin/Cyclophosphamid/Rituximab) oder Watch-&-Wait. Erste Ergebnisse zeigten für Hochrisikopatienten im Watch-&-Wait-Arm ein signifikant kürzeres ereignisfreies Überleben (EFS) als für Patienten im FCR-Arm mit einer 5-Jahres-EFS-Rate von 55,3% unter FCR versus 14,8% unter Watch-&-Wait. Im Niedrigrisikoarm lag das 5-Jahres-EFS bei 80,1%. Diese Studie bestätigt die Kriterien zur Identifizierung von Patienten mit hohem Risiko in einem frühen Stadium, die von einer frühen FCR-Therapie profitieren könnten (1). In der Phase-III-Studie CLL10 wurde die Frage gestellt, ob bei fortgeschrittener CLL der Standard FCR durch BR (Bendamustin/Rituximab) ersetzt werden kann. In die Nichtunterlegenheitsstudie wurden Patienten mit einem CIRS-Score ≤ 6 und CrCL ≥ 70 ml/min eingeschlossen. Patienten mit del(17p) waren von der Studie ausgeschlossen. Die Behandlungsarme waren nicht ganz ausgewogen: Das mediane Alter der Patienten war mit 61,0 respektive 62,1 Jahren vergleichbar, aber es waren mehr ältere Patienten ≥ 70 Jah-
re (13,8 vs. 21,5%; p = 0,020) in den BRArm randomisiert. Ein weiterer Bias lag in der Verteilung nach IGHV-Status (55,3% vs. 67,8%; p = 0,003). Nach 28 Monaten Nachbeobachtungszeit waren die Ansprechraten vergleichbar (p = 1,0), aber unter FCR trat häufiger ein komplettes Ansprechen auf (p = 0,031), und es wurde weniger häufig eine minimale Resterkrankung (MRD) gesehen (p < 0,001). Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug im BR-Arm 44,9 Monate und war im FCR-Arm noch nicht erreicht. Die 2-Jahres-Gesamtüberlebensrate betrug unter FCR 94,2% und unter BR 95,8% (p = 0,593). Eine Auswertung gemäss dem Alter der Patienten weist auf eine höhere Effektivität von FCR bei Patienten < 65 Jahre hin, während die Regime FCR und BR bei Patienten ≥ 65 Jahre gleichwertig ist (medianes PFS: FCR 45,6 Monate; BR not reached; p = 0,757). Unter FCR wurden signifikant häufiger schwere Nebenwirkungen beobachtet, vor allem hämatologischer Natur (alle hämatologischen AE: 90% vs. 67%, Neutropenien: 82% vs. 57%, Infektionen: 39% vs. 25%) (2). Wirksame Erstlinienhemoimmuntherapie bei älteren und komorbiden Patienten In der Plenarsitzung wurde, als eine der wichtigsten Studien dieses Kongresses, der Head-to-Head-Vergleich von Obinutuzumab (GA101) und Rituximab präsentiert. In der dreiarmigen, randomisierten Phase-III-Studie erhielten 590 CLL-Patienten mit Komorbiditäten, die nach derzeitigen Empfehlungen nicht für eine FCR-Therapie geeignet sind, als Erstlini- entherapie 2:1:2-randomisiert Obinutuzumab (GA101) plus Chlorambucil (G-Clb) versus Chlorambucil (Clb) allein versus Rituximab plus Chlorambucil (R-Clb), jeweils für sechs Zyklen. Das mediane Alter der eingeschlossenen Patienten betrug 73 bis 74 Jahre, wobei im G-Clb-Arm 46% der Patienten und im R-Clb-Arm 42% der Patienten ≥ 75 Jahre alt waren. Der mediane ECOG-Performance-Status betrug in beiden Studienarmen 1, der mediane CIRS-Score 8,0. 78% beziehungsweise 75% der Patienten hatten einen CIRS-Score > 6. Der primäre Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Im Vergleich der beiden Anti-CD20-basierten Kombinationstherapien betrug das PFS median 11,5 Monate (26,7 vs. 15,2 Monate), was einer Risikoreduktion von G-Clb versus R-Clb von 61% entspricht und statistisch hoch signifikant verschieden ist (HR = 0,39; p < 0,0001). Der signifikante PFS-Vorteil von Obinutuzumab wurde über alle untersuchten Subgruppen beobachtet. Das Ansprechen war mit 78% versus 65% (CR: 21% vs. 7%) unter Obinutuzumab-haltiger Chemoimmuntherapie signifikant höher als unter der Rituximabkombination (p < 0,0001). Das Nebenwirkungsprofil war in beiden Studienarmen annähernd vergleichbar. Unter der Kombination von G-Clb wurden häufiger Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 beobachtet (70% vs. 55%), was hauptsächlich Infusionsreaktionen bei der ersten Infusion geschuldet war (20% vs. 4%) (3). Als weiterer neuer CD20-Antikörper wurde Ofatumumab plus Chlorambucil versus Chlorambucil-Monotherapie bei 447 älteren und/oder komorbiden therapienaiven Patienten in der COMPLEMENT1-Studie untersucht. 69% der Patienten waren ≥ 65 Jahre und 25 bis 28% ≥ 75 Jahre alt. Es zeigte sich nach 28,9 Monaten Nachbeobachtungszeit ein signifikanter Vorteil in Bezug auf das PFS (22,4 vs. 13,1 Monate; HR = 0,57; p < 0,001) und das Ansprechen (82% vs. 69%; OR = 2,16; p < 0,001) mit 12 versus 1 kompletten Remission. Das 2-Jahres-OS 28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2014 Kongressbericht 55th American Society of Hematology (ASH) Annual Meeting and Exposition, New Orleans, 7. bis 10. Dezember 2013 betrug 88,7% unter der Kombination versus 86,7 % im Kontrollarm, das 3-JahresOS 85,1% versus 83,2%. Damit etabliert auch diese Studie die Strategie der Immunchemotherapie in der Behandlung der CLL bei älteren und komorbiden Patienten (4). Brutons-Tyrosinkinaseund B-Zell-Lymphom-2Inhibitoren Der Brutons-Tyrosinkinase-(BTK)-Inhibitor gehört zu den neuen vielversprechenden zielgerichteten Substanzen zur Therapie der CLL. In einer Phase-II-Studie erhielten 53 ältere CLL-Patienten (≥ 65 Jahre) eine Ibrutinib-Monotherapie. Die Substanz erwies sich sowohl bei Patienten mit del17p-Mutation (n = 29) als auch ohne diese Mutation (n = 24) als wirksam. Nach 14 Monaten betrug das geschätzte ereignisfreie Überleben (EFS) 93%. Nach 6 Monaten zeigten insgesamt 66% der Patienten ein partielles Ansprechen (PR) und 28% ein partielles Ansprechen mit Lymphozytose (PRL). Das Ansprechen in Bezug auf das Vorhandensein einer 17p-Deletion verteilte sich wie folgt: 81% (ohne del17p) versus 53% (mit del17p) hatten ein PR, 9% versus 43% ein PRL. (5) Eine weitere Phase-II-Studie untersuchte Ibrutinib in Kombination mit Rituximab. In diese Studie wurden Hochrisikopatienten eingeschlossen, definiert als Patienten mit entweder del17p- oder TP53-Mutation (therapienaiv oder therapieerfahren), einem PFS < 36 Monate nach Frontline-Immunchemotherapie oder rezidivierter CLL mit del11q. 40 Patienten erhielten sechs Zyklen der Kombination, danach eine Ibrutinib-Monotherapie. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 14 Monate. Es wurde eine signifikant verbesserte Lebensqualität laut EORTCQoL-v.3-Fragebogen gegenüber Baseline gesehen. 87% der Patienten erreichten ein partielles und 8% ein komplettes Ansprechen. Die Ansprechrate der 20 Patienten mit del17p- oder TP53-Mutation betrug 90% (6). In Kombination mit Bendamustin und Rituximab wurden für Ibrutinib Ansprechraten von 93,4% beobachtet. In der Phase-Ib-Studie erhielten 30 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL oder SLL sechs Zyklen Ibrutinib plus Bendamustin plus Rituximab und danach sechs Zyklen Ibrutinib-Monotherapie. Die mediane Therapiedauer betrug 16 Monate (7). In früher klinischer Prüfung befindet sich der B-Zell-Lymphom-2-(Bcl-2)-Inhibitor ABT-199. 56 Patienten mit HochrisikoRR-CLL/SLL erhielten eine Monotherapie mit ABT-199. Das Ansprechen betrug 84% mit 23% Komplettremissionen. 82% der 17 Patienten mit del17p-Mutation und 89% der Patienten mit Fludarabinrefraktärität sprachen auf die Therapie an. An klinisch relevanten Nebenwirkungen traten febrile Neutropenien Grad 3 und das Tumorlysesyndrom Grad 3 bei jeweils 5% der Patienten auf. 1 Patient verstarb am Tumorlysesyndrom, woraufhin erfolgreich ein Titrationsschema eingeführt wurde. Phase-II-Studien zur Monotherapie bei Patienten mit del(17p) sowie Kombinationsstudien mit Rituximab oder Obinutuzumab bei rezidivierter CLL rekrutieren derzeit (8). Fazit für die Praxis Für jüngere und «fitte» Patienten bleibt FCR die Standardtherapie. Auch für älte- re oder komorbide Patienten etabliert sich die Immunchemotherapie als Stan- dard, da sich verschiedene Kombinatio- nen mit Chlorambucil gegenüber der Monotherapie bei akzeptabler Verträg- lichkeit als wirksamer erwiesen. Die be- reits in den USA zugelassene Kombina- tion von Obinutuzumab plus Chlorambu- cil zeigte sich in einem Head-to-head- Vergleich mit Rituximab plus Chlorambu- cil als überlegen. Vielversprechend sind die Ergebnisse zum Einsatz von Ibrutinib sowie ABT-199, die zukünftig weitere Therapieoptionen, vor allem für Patien- ten mit Hochrisikomutationen, bieten könnten. L Ine Schmale Quellen: 1. Schweighofer CD et al.: Early versus deferred treatment with fludarabine, cyclophosphamide and rituximab (FCR) improves event-free survival in patients with high-risk binet stage A chronic lymphocytic leukemia – first results of a randomized german-french cooperative phase III trial. ASH 2013, Oral Session, Abstr. #524 2. Eichhorst B et al.: Chemoimmunotherapy with fludarabine, cyclophosphamide, and rituximab (FCR) versus bendamustine and rituximab (BR) in previously untreated and physically fit patients with advanced chronic lymphocytic leukemia (CLL): results of a planned interim analysis of the CLL10 trial, an international, randomized study of the german CLL study group (GCLLSG). ASH 2013, Oral Session, Abstr. #526 3. Goede V et al.: Head-to-head comparison of obinutuzumab (GA101) plus chlorambucil (Clb) versus rituximab plus Clb in patients with chronic lymphocytic leukemia (CLL) and coexisting medical conditions (comorbidities): final stage 2 results of the CLL11 trial. ASH 2013, Plenary Session, Abstr. #6 4. Hillmen P et al.: Ofatumumab + chlorambucil versus chlorambucil alone in patients with untreated chronic lymphocytic leukemia (CLL): results of the phase III study COMPLEMENT 1 (OMB110911). ASH 2013, Oral Session, Abstr. #528 5. Farooqui M et al.: Single agent Ibrutinib (PCI-32765) achieves equally good and durable responses in chronic lymphocytic leukemia (CLL) patients with and without deletion 17p. ASH 2013, Oral Session, Abstr. #673 6. Burger JA et al.: Ibrutinib in combination with rituximab (IR) is well tolerated and induces a high rate of durable remissions in patients with high-risk chronic lymphocytic leukemia (CLL): new, updated results of a phase II trial in 40 patients. ASH 2013, Oral Session, Abstr. #675 7. Brown JR et al.: Ibrutinib in combination with bendamustine and rituximab is active and tolerable in patients with relapsed/refractory CLL/SLL: final results of a phase 1b study. ASH 2013, Oral Session, Abstr. #525 8. Seymour JF et al.: Bcl-2 inhibitor ABT-199 (GDC0199) monotherapy shows anti-tumor activity including complete remissions in high-risk relapsed/refractory (R/R) chronic lymphocytic leukemia (CLL) and small lymphocytic lymphoma (SLL). ASH 2013, Oral Session, Abstr. #872. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2014 29