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18th Annual Congress of the European Society of Hematology (EHA), Stockholm, 13. bis 16. Juni 2013
Chronische myeloische Leukämie (CML): Nilotinib
Von der Front-Line-Therapie zur therapiefreien Remission
Für den Verlauf einer CML ist das Erreichen eines frühen und möglichst tiefen Ansprechens entscheidend, hierfür besteht immer mehr Evidenz. Aktuellen Daten zufolge lässt sich dieses Ziel mit dem Zweit-Generationen-Tyrosinkinasehemmer (TKI) Nilotinib (Tasigna®) besser erreichen als mit Imatinib. Immer häufiger wird in Studien auch untersucht, ob gerade bei Patienten mit anhaltend tiefem Ansprechen ein Therapieunterbruch eine gangbare Option wäre.
Die therapeutischen Möglichkeiten von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie in der chronischen Phase (CML-CP) haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Mittlerweile stehen mehrere TKI zur Verfügung, deren Wirksamkeit und Sicherheit im Rahmen verschiedener Studien untersucht und bestätigt wurden. Trotz Verbesserung der Prognose dank dieser Substanzen bleiben wichtige Behandlungsziele unerfüllt. Dr. med. Richard E. Clark, Liverpool/ Grossbritannien, betonte: «Nach wie vor ist es uns nicht möglich, progrediente Patienten wirkungsvoll zu behandeln. Unser Therapieziel muss also die Verhinderung der Progression sein.»
positiven Verlauf unter einer Imatinibtherapie herangezogen werden können (4). Marin et al. haben die BCR-ABL-Spiegel bei CML-CP-Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten nach Therapiebeginn studiert und dabei zeigen können, dass die Bestimmung dieses Levels nach 3 Monaten der beste Weg darstellt, um diejenigen Patienten mit einer guten Prognose zu identifizieren (5). Die Wichtigkeit eines schnellen und tiefen Ansprechens widerspiegelt sich auch in den neuen ELN-Guidelines. Neu sollte ein Patient für ein optimales Ansprechen nach 3 Monaten einen BCR-ABL-Spiegel < 10% haben sowie eine MMR nach bereits 12 Monaten aufweisen (6). Studie ENESTnd im 4-Jahres-Follow-up bestätigt Überlebensdaten Im Folgenden wurde unter anderem untersucht, ob die für Imatinib festgestellten Zusammenhänge auch auf den Erstlinieneinsatz der Zweit-Generationen-TKI zutreffen. Es zeigte sich dabei, dass auch in diesen Fällen der BCR-ABL-Transkriptlevel nach 3 Monaten als Prädiktor für den weiteren Verlauf der Erkrankung herangezogen werden kann (7). Im Laufe weiterer Untersuchungen wurde deutlich, dass diese TKI im Vergleich zu Imatinib über gewisse Vorteile verfügen. So war Nilotinib (300 bzw. 400 mg BID) im Rahmen der ENESTnd-Studien in verschiedenen Punkten Imatinib (400 mg QD) überlegen (8, 9). Wie die aktuellsten Daten dieser Studie mit einem Follow-up von 4 Jahren zeigten, erzielte Nilotinib auch über diesen längeren Zeitraum einen anhaltenden Vorteil gegenüber Imatinib (10). So wies nach wie vor ein signifikant höherer Anteil der Patienten unter Nilotinib ein gu- Rasches, tiefes Ansprechen ist entscheidend Für Imatinib konnte in Studien gezeigt werden, dass Patienten, die innerhalb von 18 Behandlungsmonaten kein komplettes zytogenetisches Ansprechen (CCyR) erreicht hatten, ein schlechteres progressionsfreies Überleben (PFS) aufwiesen als Vergleichspatienten mit CCyR (1, 2). Eine deutsche Arbeit stellte zudem fest, dass auch das Gesamtüberleben (OS) schlechter war, falls nach 12 Monaten noch kein CCyR vorlag (3). Mit der Verfügbarkeit moderner molekularer Untersuchungsmethoden wie der RQ-PCR (reverse-transcription quantitative polymerase chain reaction) ist es möglich geworden, zur Überwachung des Therapieverlaufs auch den BCR-ABLTranskriptlevel zu nutzen. Schon bald wurde festgestellt, dass bereits frühe Trends der BCR-ABL/ABL-Ratio für eine Identifikation von Patienten mit einem Abbildung: Unter Nilotinib erreicht ein grösserer Anteil der Patienten bereits nach 3 Monaten einen BCR-ABL-Spiegel von < 10%. Diese Patienten wiesen dann auch ein signifikant besseres Gesamtüberleben nach 4 Jahren auf (10). 30 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2013 18th Annual Congress of the European Society of Hematology (EHA), Stockholm, 13. bis 16. Juni 2013 tes (MMR, BCR-ABLIS ≤ 0,1%) sowie ein tiefes molekulares Ansprechen auf ( MR4, BCR-ABLIS ≤ 0,01% und MR4.5.BCRABLIS ≤ 0,0032%). Dabei erreichten mehr Patienten unter Nilotinib bereits nach 3 Monaten einen BCR-ABL-Transkriptspiegel von < 10% . Diese Patienten wiesen nach 4 Jahren denn auch ein signifikant besseres OS auf als diejenigen, die diesen Meilenstein nicht erreicht hatten (vgl. Abbildung). Zudem kam es bei Patienten unter Nilotinib (einschliesslich derjenigen im Follow-up nach Therapieabbruch) signifikant seltener zu einer Progression in die akute Phase/Blastenkrise. Keiner der Patienten mit einer MR4.5 wurde progredient. Behandlungsfreie Remission als Vision «Trotz dieser grossen Fortschritte wird nach wie vor empfohlen, die Behandlung der Patienten mit CML-CP lebenslang fortzuführen», erklärte Dr. med. Delphine Rea, Paris/Frankreich, im Rahmen des Symposiums. Prospektive Studien wie STIM lieferten jedoch Hinweise darauf, dass es bei Patienten mit einem tiefen und anhaltenden molekularen Ansprechen (BCR-ABL unter der Nachweisgrenze für mindestens 2 Jahre) möglich sein könnte, die Imatinibbehandlung abzubrechen (11). Dr. Rea präsentierte Resultate einer eigenen Untersuchung zur Machbarkeit eines Therapieunterbruchs (12). Dabei zeigte sich, dass das insbesondere bei Patienten, die einen Zweit-Generationen-TKI aufgrund einer Imatinibunverträglichkeit oder aber als Erstlinientherapie erhalten hatten, eine machbare Option darstellte. Dr. Rea betonte jedoch, dass das unter strikten Monitoringbedingungen ge- schehen sei. Wie die ENESTnd Studie gezeigt hat, erreicht unter Nilotinib ein höherer Anteil der Patienten ein tiefes molekulares Ansprechen (MR4.5) als un- ter Imatinib und damit die Voraussetzun- gen für einen Therapiestopp (10). Dabei wiesen Patienten mit einem BCR-ABL- Transkriptlevel < 10% nach 3 Monaten eine signifikant höhere Wahrscheinlich- keit für ein MR4.5 nach 4 Jahren auf. Cer- vantes et al. stellten schliesslich fest, dass eine Umstellung auf Nilotinib bei Patien- ten mit minimaler Residualerkrankung unter Imatiniblangzeittherapie eine Op- tion darstellt, um ein tiefes und anhalten- des Ansprechen zu erreichen (13). «Und damit könnten auch mehr Patienten in die laufenden Studien zur behandlungs- freien Remission aufgenommen wer- den», so Dr. Rea. «Denn», betonte sie ab- schliessend, «dieses Vorgehen ist nach wie vor in einem experimentellen Sta- dium und sollte ausserhalb einer kontrol- lierten Studienumgebung nicht versucht werden.» Novartis hat ein umfangreiches Studienprogramm zur behandlungs- freien Remission initiiert. Insgesamt sind neun sogenannte «Stopp-Studien» in mehr als 50 Ländern geplant. ■ Therese Schwender Quelle: Satellitensymposium «Advances in the management of CML: from frontline therapy to treatment-free remission». 18. Kongress der EHA. 13. Juni 2013, Stockholm/Schweden. Referenzen: 1. 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