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18th Annual Congress of the European Society of Hematology (EHA), Stockholm, 13. bis 16. Juni 2013
Immunthrombozytopenie (ITP)
Gute Langzeitsicherheit und Lebensqualität unter Romiplostim über 5 Jahre
In der Behandlung einer chronischen Immunthrombozytopenie (ITP) weisen die Therapierichtlinien den Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten unterschiedliche Plätze zu, auch aufgrund der begrenzten Langzeiterfahrungen. Zu Romiplostim (Nplate®) liegen nun positive Daten über eine Behandlungsdauer von mehr als 5 Jahren vor. Für die Therapie der ALL befindet sich derzeit mit Blinatumomab ein innovativer, vielversprechender BiTE-Antikörper in klinischer Prüfung.
Chronische Immunthrombozytopenie (ITP)
Obwohl bei der chronischen ITP mehrere internationale Therapieempfehlungen vorliegen, ist insbesondere die Wahl der Zweitlinienbehandlung nach wie vor nicht eindeutig definiert (1, 2). Zur Auswahl stehen neben der Splenektomie und dem Anti-CD20-Antikörper Rituximab auch die Thrombopoetin-RezeptorAgonisten (TPO-RA). Um die Wahl einer Therapie in Zukunft besser treffen zu können, ist es wünschenswert, weitere Daten zum Wirkmechanismus der verschiedenen Substanzen, Langzeitdaten zur Wirksamkeit und Sicherheit und möglicherweise auch prädiktive Faktoren für ein Ansprechen zur Verfügung zu haben.
In einer weiteren, 52-wöchigen Studie mit nicht splenektomierten Patienten erwies sich Romiplostim im Vergleich zur Standardbehandlung als überlegen (4). Bei Patienten unter Romiplostim konnte die Anzahl notwendiger Splenektomien signifikant reduziert werden. «Die TPORA ermöglichen es uns demnach, eine Splenektomie hinauszuzögern», verdeutlichte Prof. Newland. Zur Wirksamkeit und Sicherheit von Romiplostim liegen inzwischen Langzeitdaten über 5 Jahre vor (5). «Die offene Verlängerungsstudie mit einer kontinuierlichen Romiplostimtherapie über mehr als 5 Jahre stellt dabei die längste laufende Studie mit einem TPO-RA dar», so Newland. Wie die Studie zeigte, liess sich mit
einer stabilen Romiplostimdosierung über den gesamten Zeitraum eine mediane Plättchenzahl von 50 bis 200 x 109/l aufrechterhalten (Abbildung 1). Dabei erreichten 95% der Patienten mindestens einmal ein Ansprechen. Prof. Newland betonte, dass bei Patienten, die in der Studie über mehrere Monate stabile Thrombozytenwerte hatten, die Romiplostimdosis reduziert oder die Therapie zum Teil sogar ganz abgesetzt werden konnte. Diese Patienten zeigten anschliessend, auch ohne Romiplostim, stabile Thrombozytenwerte. Behandlungsbezogene Nebenwirkungen traten selten auf und nahmen mit der Behandlungsdauer nicht zu. «Es zeigten sich zudem keine neuen Sicherheitssignale, und auch die Rate an Blutungen blieb anhaltend tief.» Im Rahmen eines globalen Überwachungsprogramms werden laut Newland auch weiterhin Daten zur Langzeitsicherheit von Romiplostim gesammelt.
Romiplostim verbessert die Lebensqualität Zum Schluss ging Prof. Newland auf das Thema der Lebensqualität im Zusam-
Anhaltender Effekt über 5 Jahre Prof. Dr. med. Adrian Newland, London/ Grossbritannien, gab einen Überblick zu den zu Romiplostim vorliegenden Daten. Die erste grosse Phase-III-Studie mit Romiplostim untersuchte Patienten mit respektive ohne Splenektomie versus Plazebo über einen Zeitraum von 24 Wochen (Plazebo entspricht Begleitmedikation, definiert als Kortikosteroide, Azathioprin oder Danazol zum Baselinezeitpunkt) (3). Die Gesamtansprechrate, d.h. mindestens 4 Thrombozytenwerte ≥ 50 x 109/l während der Studie, betrug 83% gegenüber 7% der Kontrollgruppe (p < 0,0001). «In der täglichen Praxis ist es jedoch wichtiger, wie der Patient sich fühlt und nicht, wie hoch die absolute Plättchenzahl ist», so der Referent. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen und Fatigue (3). Abbildung 1: In der Langzeitstudie von Kuter und Kollegen konnten über einen Zeitraum von 5 Jahren mit einer stabilen Romiplostimdosierung anhaltend stabile Thrombozytenzahlen erreicht werden (5). SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2013 27 18th Annual Congress of the European Society of Hematology (EHA), Stockholm, 13. bis 16. Juni 2013 menhang mit ITP ein. «Mittlerweile ist klar, dass Patienten mit ITP eine erhöhte Inzidenz an Fatigue aufweisen.» Ausserdem haben die Patienten generell eine schlechtere Lebensqualität verglichen mit der Allgemeinbevölkerung und Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Hypertonie, Arthritis oder auch Krebs (6). Kuter und Kollegen konnten zeigen, dass es unter der Behandlung mit Romiplostim im Vergleich zur Standardbehandlung zu einer ausgeprägten Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität kommt, darunter auch der Fatigue (7). ALL: neue Hoffnung mit Blinatumomab Der zweite Teil des Symposiums befasste sich mit der akuten lymphatischen Leukämie (ALL). Prof. Dr. med. Renato Bassan, Mestre/Italien, beschrieb verschiedene Hürden, die es bei der Behandlung dieser Erkrankung zu überwinden gilt. «Dank neuer Therapieansätze wie Blinatumomab besteht hier jedoch Hoffnung», meinte er. Mithilfe einer neuen wissenschaftlichen Methode ist es möglich, sogenannte BiTE-Antikörper (bispecific T-cell engager) herzustellen. Blinatumomab ist ein solcher neuartiger Antikörper. Prof. Bassan erklärte in seinem Vortrag: «Ein BiTE-Antikörper ist ein neues Konstrukt mit zwei variablen Regionen.» Im Falle von Blinatumomab reagiert eine dieser Regionen mit normalen CD3+-TZellen, die andere mit CD19+-ALL-Zellen. Das führt zu einer engen interzellulären Verbindung, gefolgt von einer T-Zell-vermittelten Zytotoxizität und Lyse der Tumorzelle (8, 9) (Abbildung 2). Vielversprechende Studienresultate ALL-Patienten mit einer minimalen Resterkrankung (MRD; = quantitativer Nachweis einer geringen Anzahl von Tumorzellen im Knochenmark) nach Chemotherapie stellen eine besondere Herausforderung dar, da diese Patienten eine sehr schlechte Prognose haben. «Bei Patienten mit MRD-positiver ALL kommt es innerhalb weniger Monate zu einem hämatologischen Rezidiv», erläuterte Dr. med. Nicola Gökbuget, Frankfurt/Deutschland. Es seien daher dringend Substanzen gefordert, die in dieser Situation wirken. Abbildung 2: Struktur und Wirkmechanismus des BiTE-Antikörpers Blinatumomab (8, 9). Topp und Kollegen untersuchten Blinatumomab bei Patienten mit minimaler Resterkrankung (≥ 10-4, nach Standardinduktions- und -konsolidierungstherapie) (10). Die Behandlung führte bei 16 von 20 auswertbaren Patienten zu einem kompletten Ansprechen. Die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung vom Grad 3/4 war eine komplett reversible Lymphopenie. Es wurde zudem ein Fall einer ebenfalls reversiblen zentralnervösen Nebenwirkung beobachtet (epileptischer Anfall, Synkope/Konvulsion). Nach einem medianen Follow-up von 33 Monaten lag das hämatologische rezidivfreie Überleben bei 61% der Gesamtkohorte (11). Blinatumomab wurde zudem in einer weiteren Phase-II-Studie bei relapsierten/refraktären ALL-Patienten untersucht (12). Diese Patienten weisen eine schlechte Prognose auf. Mit 72% wurde in der Studie eine sehr hohe Rate an kompletten hämatologischen Remissionen festgestellt. Bei 92% der Patienten kam es innerhalb von zwei Behandlungszyklen zu einer molekularen Remission (MRD < 10-4). Bei einem medianen Follow-up von 10,7 Monaten lag das mediane Überleben der Patienten bei 9,0 Monaten. Eine globale Phase-II-Studie zur Bestätigung dieser Resultate läuft bereits. ■ Therese Schwender Quelle: Satellitensymposium «Breaking Barriers with Biologics: Examples in ITP and ALL». 18. Kongress der EHA. 13. Juni 2013, Stockholm/Schweden. Referenzen: 1. Provan D et al.: International consensus report on the investigation and management of primary immune thrombocytopenia. Blood 2010; 115: 168–86. 2. Neunert C et al.: The American Society of Hematology 2011 evidence-based practice guideline for immune thrombocytopenia. Blood 2011; 117: 4190–207. 3. Kuter DJ et al.: Efficacy of romiplostim in patients with chronic immune thrombocytopenic purpura: a double-blind randomised controlled trial. Lancet 2008; 371: 395–403. 4. Kuter DJ et al.: Romiplostim or standard of care in patients with immune thrombocytopenia. N Engl J Med 2010; 363(20): 1889–99. 5. Kuter DJ et al.: Long-term treatment with romiplostim in patients with chronic immune thrombocytopenia: safety and efficacy. Br J Haematol 2013; 161: 411–23. 6. McMillan R et al.: Self-reported health-related quality of life in adults with chronic immune thrombocytopenic purpura. Am J Hematol 2008; 83: 150–4. 7. Kuter DJ et al.: Health-related quality of life in nonsplenectomized immune thrombocytopenia patients receiving romiplostim or medical standard of care. Am J Hematol 2012; 87(5): 558–61. 8. Bargou R et al.: Tumor regression in cancer patients by very low doses of a T cell-engaging antibody. Science 2008; 321: 974–977. 9. Bassan R et al.: Monoclonal antibody therapy of adult acute lymphoblastic leukemia: progress and challenge for new clinical trials. DCTH (Drugs and Cell Therapies in Hematology) 2013; 1: 5–20. 10. Topp MS et al.: Targeted Therapy With the T-Cell-Engaging Antibody Blinatumomab of Chemotherapy-Refractory Minimal Residual Disease in B-Lineage Acute Lymphoblastic Leukemia Patients Results in High Response Rate and Prolonged Leukemia-Free Survival. J Clin Oncol 2011; 29: 2493–98. 11. Topp MS et al.: Long-term follow-up of hematologic relapse-free survival in a phase 2 study of blinatumomab in patients with MRD in B-lineage ALL. Blood 2012;120(26): 5185–7. 12. Topp MS et al.: Anti-CD19 BiTE Blinatumomab Induces High Complete Remission Rate and Prolongs Overall Survival in Adult Patients with Relapsed/Refractory B-Precursor Acute Lymphoblastic Leukemia (ALL). Blood 2012; 120: Abstract 670. Der Artikel entstand mit finanzieller Unter- stützung von Amgen Schweiz. 28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2013