Transkript
49th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2013
Metastasiertes Kolorektalkarzinom:SAKK-Studie
Bevacizumab verzögert Fortschreiten der Erkrankung um rund 5 Wochen
Bei metastasiertem Kolorektalkarzinom (mCRC) führt die Erhaltungstherapie mit Bevacizumab (Avastin®) nach der Erstlinientherapie mit Chemotherapie plus Bevacizumab zur Verzögerung der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung. Das ergab eine multizentrische Phase-III-Studie der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK), welche in einer «oral presentation» vorgestellt und diskutiert wurde.
Studienleiter Dr. med. Dieter Köberle, Chefarzt Onkologie am Claraspital in Basel, präsentierte die offene, klinische Studie (1), welche Patienten mit nicht resektablem mCRC einschloss, nachdem sie eine standardmässige Erstlinientherapie (Chemotherapie plus Bevacizumab) erhalten hatten. 26 Tumorzentren in der Schweiz waren beteiligt.
Wie sinnvoll ist die Erhaltungstherapie für ein verbessertes Überleben?
Aufgrund der Zulassungsdaten bei mCRC soll die Erstlinientherapie mit Bevacizumab bis zum Fortschreiten der Krankheit fortgeführt werden. Das ist aber im Fall der Chemotherapie in der Regel nicht haltbar, weil die ununterbrochene Behandlung die Patienten zu sehr belastet. In der Praxis wird die Chemotherapie daher routinemässig nach 4 bis 6 Monaten Behandlungsdauer abgebrochen. Die Fragestellung dieser Therapieoptimierungsstudie betraf die «non-inferiority» des Absetzens des VEGF-Hemmers, was Aussagen dazu erlauben sollte, inwieweit ein Weiterführen der alleinigen Bevacizumabtherapie Überlebensvorteile bringt. In früheren Studien hatte Bevacizumab als Einzeltherapie nur eine marginale Wirkung gezeigt, zudem kann das Medikament Nebenwirkungen verursachen, und es ist kostenintensiv.
Offene Vergleichsstudie an Schweizer Zentren
262 Patienten mit nicht resektablem mCRC, bei denen es nach 4 bis 6 Monaten unter der genannten Erstlinienbehandlung noch nicht zum Fortschreiten
der Erkrankung gekommen war, wurden im Verhältnis 1:1 einer Behandlungsgruppe mit Bevacizumab (7,5 mg/kg alle 3 Wochen) als Erhaltungstherapie oder der Kontrollgruppe ohne diese Erhaltungstherapie zugeordnet. CT-Aufnahmen erfolgten alle 6 Wochen zwischen Randomisierung und der späteren Krankheitsprogression. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur Progression (TTP). Eine Non-Inferiority-Grenze für die Hazard Ratio (HR) von 0,727 wurde zur Aufdeckung einer Differenz der TTP von 6 Wochen oder weniger gewählt (Signifikanzlevel von 10% und einer statistischen Power von 85%). Die 262 Patienten wurden durchschnittlich 28,6 Monate (0,6 bis 54,9 Monate) beobachtet. Die Hauptresultate, gemessen nach Beginn der Erstlinientherapie: ▲ Die mediane TTP betrug 17,9 Wo-
chen (95%-KI: 13,3–23,4) unter der Bevacizumaberhaltungstherapie versus 12,6 Wochen (95%-KI: 12,0–16,4) bei Absetzen (HR: 0,72; 95%-KI: 0,56–0,92). Der mittlere Zeitgewinn betrug also fast 5 Monate. ▲ Das mediane PFS betrug 9,5 Monate (vs. 8,5 Mo.), das Gesamtüberleben (OS) betrug 24,9 Monate unter der Erhaltungstherapie (vs. 22,8 Mo.) (HR: 0,73; 95%-KI: 0,57–0,94). ▲ Die mediane Zeit von der Randomisierung bis zur Zweitlinientherapie betrug 5,9 Monate unter Bevacizumab (vs. 4,8 in der Kontrollgruppe). ▲ Grad-3- bis -4-Nebenwirkungen unter der Erhaltungstherapie waren selten erhöht. Die Studie spricht folglich für die Weiterführung der Bevacizumabgabe nach der
Erstlinientherapie; die Konfidenzintervalle für die TTP-Hazard-Rate zeigen die Überlegenheit dieser Erhaltungstherapie. Allerdings war der Zeitgewinn bis zum Beginn der Zweitlinientherapie mit weniger als 6 Wochen moderat.
Wie viel darf verlängerte Lebensqualität bei fortgeschrittenem Krebs kosten?
Die Resultate wurden schliesslich einer
Kostenanalyse (2) unterzogen. Hierbei
zeigte sich, dass der Überlebensvorteil
der Bevacizumaberhaltungstherapie von
5 Wochen Zeitgewinn bis zum Fortschrei-
ten der Krankheit durchschnittlich 37 600
Franken kostet. Demgegenüber entstan-
den Gesundheitskosten in der Kontroll-
gruppe (unter «best supportive care»)
von 8200 Franken.
Diese Erkenntnis soll zur öffentlichen Dis-
kussion beitragen, was der Therapienut-
zen kosten darf. Nach Angaben der
SAKK ist die vorliegende Studie ein wich-
tiges Beispiel für eine Therapieoptimie-
rungsstudie, in der eine Behandlung un-
tersucht wird, die für den Patienten weni-
ger belastend ist als die herkömmliche
Chemotherapie.
Unterstützt wurde die Studie von der
santésuisse, dem Branchenverband der
Schweizer Krankenversicherer. Die Ko-
operation war für die vorliegende Studie
ein entscheidender Erfolgsfaktor. Durch
die eingesparten Therapiekosten konnte
die Studie ohne Zusatzkosten für die Prä-
mienzahler finanziert werden. Insgesamt
beteiligten sich 26 kleinere und grössere
onkologische Zentren an Spitälern an
dieser Studie.
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Bärbel Hirrle
Quellen:
1. Köberle, D. et al.: Bevacizumab continuation versus no continuation after first-line chemo-bevacizumab therapy in patients with metastatic colorectal cancer: A randomized phase III noninferiority trial (SAKK 41/06).
ASCO 2013 Oral presentation. JCO 2013; 31, 15S, Proceedings Part I/II: #3503.
2. Medienmitteilung der SAKK vom 31. Mai 2013.
Interessenkonflikte: Zusammenarbeit mit der SAKK als NonProfit-Organisation, keine weiteren deklariert.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2013
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