Transkript
Kongressbericht
49. Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2013
Fortgeschrittenes malignes Melanom
Fortschritte durch zielgerichtete Therapien in der metastasierten Situation
Mit den ersten Therapieerfolgen durch Immuntherapie und BRAF-Inhibition ist Bewegung in das Feld der Behandlung des malignen Melanoms gekommen. Der MAPKinase-Signaltransduktionsweg ist ein vielversprechendes Ziel, wie bei der dualen Blockade von BRAF und MEK deutlich wird. Aber auch die Hemmung weiterer Zielstrukturen erscheint aussichtsreich, ebenso wie der Einsatz von Chemo- und Immuntherapie.
Im Folgenden wird eine Zusammenstellung der wichtigsten Studien zum malignen Melanom, die auf der Jahrestagung der amerikanischen Krebsgesellschaft (ASCO) vorgestellt wurden, gegeben.
Zielgerichtete BRAF-Hemmung
Die BRAF-Hemmung mit Vemurafenib (Zelboraf®) ist eine sehr effektive Therapieoption beim BRAFV600E-mutierten metastasierten Melanom, allerdings werden die Patienten relativ schnell resistent gegen die Therapie. Die Mechanismen einer unter Therapie entwickelten Resistenz gegen Vemurafenib werden intensiv erforscht. Ergebnisse einer Schweizer Gruppe um Olivier Michielin, Lausanne, zeigten, dass multiple Escape-Mechanismen einerseits koexistieren und sich andererseits gegenseitig ausschliessen können (1). Das ist von klinischer Bedeutung, denn es zeigt, dass eine lokale Behandlung von isolierten fortschreitenden Läsionen bei kontinuierlicher Vemurafenib-Gabe sinnvoll sein kann, da die Resistenzmechanismen nicht notwendigerweise von anderen Läsionen geteilt werden. Weiter spricht die Koexistenz verschiedener Escape-Mechanismen dafür, dass eine einzige Biopsie bei Tumorprogress nicht die molekulare Komplexität der Tumorprogression reflektiert und daher nicht ausreichend ist, um die optimale Zweitlinientherapie auszuwählen. Mit Dabrafenib (Tafinlar®) erweist sich ein weiterer selektiver BRAF-Inhibitor als effektiv in der Erstlinientherapie des BRAFV600E-mutierten metastasierten Melanoms. Die multizentrische, randomisierte, open-label Phase-III-Studie
BREAK-3 verglich Dabrafenib mit Dacarbazin (DTIC). Die primäre Analyse zeigte ein medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 5,1 Monaten im Dabrafenib-Arm (2). Nach einem zweiten Update der Studiendaten im Dezember 2012 mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,2 (Dabrafenib) beziehungsweise 12,7 Monaten (DTIC) war das Risiko eines Tumorprogresses unter Dabrafenib um 63% reduziert (HR = 0,37) (3). Das mediane PFS betrug im Dabrafenib-Arm 6,9 Monate (versus 2,7 Monate unter DTIC). Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 18,2 versus 15,6 Monate (HR = 0,76), allerdings sind diese Ergebnisse mit 42 und 44% Ereignissen noch unreif. Zudem werden die OS-Ergebnisse durch den erlaubten Cross-over nach Tumorprogress sowie von möglichen weiteren Therapielinien geschwächt.
MEK-Inhibitoren in Monound Kombinationstherapie
In einer randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie wurde der MEK1/2-Inhibitor Selumetinib plus DTIC gegen Plazebo plus DTIC in der Erstlinientherapie des BRAF-mutierten fortgeschrittenen Melanoms im Stadium II bis IV verglichen (4). 91 Patienten konnten eingeschlossen werden. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12,3 Monaten (66 Ereignisse) zeigte sich durch Zugabe von Selumetinib eine Verlängerung des medianen OS von 10,5 auf 13,9 Monate, wobei aber die statistische Signifikanz nicht erreicht wurde (HR = 0,93; p = 0,3873). Das PFS wurde von median 3,0 auf 5,6 Monate dagegen signifikant verlängert (HR = 0,63; p = 0,021). Das Ansprechen
betrug 40% unter Selumetinib versus 26% im Kontrollarm. Die häufigsten Nebenwirkungen im Selumetinib-Arm waren Übelkeit (64%), Rash (52%), Diarrhö (48%), Erbrechen (48%) und periphere Ödeme (43%). Unter Selumetinib kam es häufiger zu Nebenwirkungen, die eine Hospitalisierung erforderlich machten (36 vs. 13%). Das Auftreten von Nebenwirkungen ≥ Grad 3 (68 vs. 42%), schweren Nebenwirkungen (50 vs. 18%) und Nebenwirkungen, die zu einem Therapieabbruch führten (16 vs. 4%) war im experimentellen Arm ebenfalls häufiger. Die Kombination der Blockierung von BRAF und MEK1/2 wurde in einer randomisierten Phase-I/II-Studie sowohl bei BRAF-Inhibitor-resistenten als auch BRAFInhibitor-naiven Patienten untersucht (5). In verschiedenen Phasen der Studie erhielten insgesamt 147 Patienten Dabrafenib plus Trametinib, wobei Patienten der Gruppe mit resistenten Tumoren bereits Dabrafenib oder Vemurafenib als Monotherapie erhalten hatten. Die Resistenz gegen die duale Blockierung des MAPKSignalwegs trat bei BRAF-Inhibitor-naiven Patienten später auf als in der resistenten Gruppe: Das PFS betrug rund 10 Monate versus 3,6 Monate. Zudem wurde ein Ansprechen bei 63 bis 76% der BRAFInhibitor-naiven Patienten versus 9 bis 15% bei den resistenten Patienten beobachtet. Damit scheint die duale Blockade des MAPK-Signalwegs die primäre Resistenz zu überkommen und die sekundäre Resistenz auf die BRAF-Inhibition zu verzögern. Nachdem sich eine Resistenz auf die BRAF-Hemmung entwickelt hat, zeigt die Kombinationstherapie allerdings eine sehr begrenzte Aktivität, und Patienten mit frühem Tumorprogress unter BRAFInhibitor-Monotherapie profitierten nur minimal.
Weitere zielgerichtete Ansätze
Lenvatinib ist ein oraler Tyrosin-KinaseHemmer (TKI), der VEGFR 1-3, FGFR 1-4, RET, KIT und PDGFR-β inhibiert. In einer Phase-II-Studie erhielten randomisiert
32 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2013
Kongressbericht
49. Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2013
78 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom in der Erstlinie Lenvatinib plus DTIC oder DTIC alleine (6). Die Studienarme waren nach LDH-Spiegel und StadiumIV-Subklassen stratifiziert. Der BRAF-Status wurde anhand zirkulierender TumorDNA bestimmt. Der primäre Studienendpunkt war die Verlängerung des PFS nach unabhängiger Bewertung. Bei den Patienten handelte es sich um überwiegend Männer (59%) im Stadium IV M1c (59%). 22% der Patienten hatten ein erhöhtes LDH, 29% eine vorhergehende adjuvante Chemotherapie, und 49% der Tumoren waren vom BRAF-Wildtyp. Das mediane PFS wurde durch Zugabe von Lenvatinib von 7,0 auf 19,1 Monate signifikant verlängert (HR = 0,4; p = 0,0033). Bei den BRAF-Wildtyp-Patienten betrug das mediane PFS 9,3 Monate unter DTIC und 23,9 Monate im experimentellen Arm, die BRAF-mutierten Patienten waren 6,0 versus 6,3 Monate progressionsfrei. Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Kombination waren Bluthochdruck (48%), Übelkeit (38%), Konstipation (33%) und Diarrhö (31%). An Nebenwirkungen Grad 3 bis 4 traten Bluthochdruck (26%) und Neutropenie (10%) am häufigsten auf. Eine weitere vielversprechende Substanz für die Behandlung des fortgeschrittenen Melanoms ist der PD-1-Antikörper Nivolumab. In einer grossen Phase-I-Studie wurden 107 intensiv vorbehandelte Melanompatienten mit Nivolumab in verschiedenen Dosierungen behandelt (7). Insgesamt wurde ein medianes Überleben von 16,8 Monaten erreicht. Nebenwirkungen traten bei 82% der Patienten auf; von Grad 3 bis 4 bei 21% der Patienten, davon am häufigsten Diarrhö (2%), endokrine Störungen (2%) und Hepatitis (1%). Diverse Phase-III-Studien zum optimalen Einsatz von Nivolumab als Mono- oder Kombinationstherapie sind in der Rekrutierungsphase.
Optionen mit Chemound Immuntherapien
In einer Phase-III-Studie wurde bei thera-
pienaiven Patienten mit metastasiertem
Melanom eine signifikante Verlängerung
des progressionsfreien Überlebens (pri-
märer Endpunkt) durch die Behandlung
mit nab-Paclitaxel im Vergleich zu DTIC
erreicht (8). Nun wurden die Daten zum
Effekt des BRAF-Status auf die Wirksam-
keitsparameter präsentiert (9). Die Pati-
enten hatten zu 65% ein Melanom im Sta-
dium IV M1c, das LDH war bei 28% der
Patienten erhöht. In den Studienarmen
wiesen 36% und 38% der Tumoren eine
BRAF-Mutation auf. Der Behandlungsef-
fekt war aber unabhängig vom BRAF-
Mutationsstatus: Das mediane PFS bei
Wildtyppatienten (n = 116) betrug 2,5
(vs. 5,4) Monate (HR = 0,715; p = 0,0088),
bei Tumoren mit V600E-Mutation (n = 65)
3,5 (vs. 5,3) Monate (HR = 0,883; p = 0,656)
und bei unbekanntem Mutationsstatus
(n = 83) 2,2 (vs. 3,7) Monate (HR = 0,684;
p = 0,066). Die Autoren folgern, dass
nab-Paclitaxel eine Therapieoption für
alle chemotherapienaiven Patienten mit
metastasiertem Melanom ist.
Die 2:1-randomisierte Phase-III-Studie
OPTiM verglich eine Immuntherapie mit
T-VEC mit GM-CSF bei Patienten mit
nicht reseziertem, metastasiertem, mali-
gnem Melanom (10). Die ersten Ergeb-
nisse zeigen ein Ansprechen bei 26% der
295 Patienten unter Immuntherapie (CR:
11%) versus 6% der 141 Patienten unter
GM-CSF (CR: 1%). Das andauernde An-
sprechen, definiert als partielle oder
komplette Remission über einen Zeit-
raum von wenigstens 6 Monaten inner-
halb der ersten 12 Monate, betrug 16%
versus 2%. Die häufigsten Nebenwirkun-
gen waren Fatigue, Schüttelfrost und
Fieber. Klinisch relevante Nebenwirkun-
gen traten bei 26% unter T-VEC und bei
13% der Patienten unter GM-CSF auf. T-
VEC repräsentiert somit eine neue po-
tenzielle Therapieoption beim metasta-
sierten Melanom.
L
Ine Schmale
Quellen:
1. Michielin O et al.: Coexistence of multiple escape mechanisms in a BRAF V600E-mutated cutaneous melanoma treated with vemurafenib. ASCO Proceedings 2013, Poster Discussion Session, Abstr. #9014.
2. Hauschild A et al.: An update on BREAK-3, a phase III, randomized trial: Dabrafenib (DAB) versus dacarbazine (DTIC) in patients with BRAF V600E-positive mutation metastatic melanoma (MM). ASCO Proceedings 2013, Poster Discussion Session, Abstr. #9013.
3. Hauschild A et al.: Dabrafenib in BRAF-mutated metastatic melanoma: a multicentre, open-label, phase 3 randomised controlled trial. Lancet 2012; 380: 358–365.
4. Middleton MR et al.: Phase II double-blind, randomized study of selumetinib (SEL) plus dacarbazine (DTIC) versus placebo (PBO) plus DTIC as first-line treatment for advanced BRAF-mutant cutaneous or unknown primary melanoma. ASCO Proceedings 2013, Oral Abstract Session, Abstr. #9004.
5. Sosman JA et al.: BRAF inhibitor (BRAFi) dabrafenib in combination with the MEK1/2 inhibitor (MEKi) trametinib in BRAFi-maie and BRAFi-resistant patients with BRAF mutation-positive metastatic melanoma (MM). ASCO Proceedings 2013, Oral Abstract Session, Abstr. #9005.
6. Maio M et al.: Lenvatinib combined with dacarbazine versus dacarbazine alone as first-line treatment in patients with stage IV melanoma. ASCO Proceedings 2013, Poster Discussion Session, Abstr. #9027.
7. Sznol M et al.: Survival and long-term follow-up of safety and response in patients with advanced melanoma (MEL) in phase I trial of nivolumab (anti-PD-1; BMS-936558; ONO-4538). ASCO Proceedings 2013, Poster Discussion Session, Abstr. #CRA9006.
8. Hersh E et al.: Phase 3, randomized, open-label, multicenter trial of nab-paclitaxel (nab-P) versus dacarbazine (DTIC) in previously untreated patients with metastatic malignant melanoma (MMM). Pigment Cell Melanoma Res 2012; 25: 863.
9. Hersh E et al.: A phase III trial of nab-paclitaxel versus dacarbazine in chemotherapy-naive patients with metastatic melanoma: A subanalysis based on BRAF status. ASCO Proceedings 2013, Poster Discussion Session, Abstr. #9030.
10. Andtbacka RI et al.: OPTiM: A randomized phase III trial of talimogene laherparepvec (T-VEC) vs. subcutaneous (SC) granulocyte-macrophage colony-stimulating factor (GM-CSF) for the treatment of unresected stage IIIB/C and IV melanoma. ASCO Proceedings 2013, Oral Abstract Session, Abstr. #LBA9008.
Interessenkonflikte: keine deklariert.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2013
33