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EDITORIAL
Im Fokus: Urologische Tumoren
I m Fokus dieser Herbstausgabe 2013 der SZO stehen zwei Tumorentitäten, bei welchen je nach Krankheitsstadium und klinischer Situation viel interdisziplinäre Behandlungsstrategie auf dem Plan steht.
«Pan-urotheliale» Erkrankung Das muskelinvasive Blasenkarzinom ist im nicht metastasierten Stadium durch die Zystektomie – derzeitiger Goldstandard in dieser Situation – heilbar. Alternativ dazu setzt die Radiochemotherapie neue Hoffnungen auf den Organerhalt. Die Strahlenklinik der Universitätsklinik Erlangen/Deutschland hat diesen therapeutischen Ansatz untersucht, wie PD Dr. Oliver Ott in seinem Artikel erläutert. Diese zweitbeste Alternative kann bei Ablehnung der Zystektomie oder bei Inoperabilität angeboten werden. Auf der ande-
Breite interdisziplinäre Herausforderungen
ren Seite ist zu betonen, dass die Zystektomie prinzipiell in allen Stadien durchführbar ist, auch bei einer «bulky disease». 40% der Patienten haben Mikrometastasen zum Zeitpunkt der Zystektomie («distant failure»). Hier liegt die Domäne der Chemotherapie, die allerdings bei fast der Hälfte der Betroffenen wegen der häufig eingeschränkten Nierenfunktion nicht durchführbar ist. In der Palliation findet daneben die Radiotherapie ihren Einsatz. Die enge interdisziplinäre Kooperation zwischen Urologie, Radio-Onkologie und medizinischer Onkologie ist für die erfolgreiche Behandlung essenziell. Wir sprechen von «pan-urothelialer» Erkrankung, weil in heutiger Diagnostik und Therapie des Blasenkarzinoms der gesamte Harntrakt im Auge zu behalten ist.
Nierenzellkarzinom – das Chamäleon Klassifikation und molekulare Veränderungen des Nierenzellkarzinoms erscheinen als Chamäleon eines Tumors wegen stark wechselnder Langzeitverläufe. Die verschiedenen Nierentumortypen besitzen charakteristische genetische Veränderungen, welche die Grundlage der gegenwärtigen Tumorklassifikation bilden. Klinische Studien müssen eine exakte Berücksichtigung der Nierentumoren nach ihren morphologischen und genetischen Veränderungen fordern. Eine operative Sanierung sollte, wo möglich, auch im metastasierten Stadium favorisiert werden («tumor debulking»).
In der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms stehen viele offene Fragen, denn mehrere Ansätze – Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), Bevacizumab plus Interferon sowie mTOR-Inhibitoren – sind verfügbar. Während in der ersten Linie heute oft ein TKI eingesetzt wird, stehen mTOR-Inhibitoren meist bei «poor risk»-Konstellation und in weiteren Therapielinien an. Die Überlebensvorteile liegen je nach Substanz bei einigen Monaten. Die Frage nach dem Stellenwert der palliativen Tumornephrektomie im Zeitalter der TKI- und mTORTherapien wird derzeit untersucht. Eine Reduktion der Tumormasse respektive Entfernung des Primärtumors ist anzustreben, da dadurch die zu Grunde liegende Tumorerkrankung günstig beeinflusst zu werden scheint. Eine enge Kooperation zwischen Urologie und Onkologie ist auch hier unabdingbar.
Forum Ethik: ärztlich assistierter Suizid Neben dem Ausgabenschwerpunkt zu den urogenitalen Tumoren beschäftigt sich die Rubrik Angewandte Ethik in der Onkologie diesmal mit dem ärztlich assistierten Suizid. Dieses kontrovers diskutierte und brisante Thema wurde erst kürzlich von der SAMW aufgegriffen und eine Studie hierzu ausgeschrieben. Frau Prof. Nikola Biller-Andorno, Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik an der Universität Zürich, pointiert in ihrem Beitrag die Problematik in unserer Gesellschaft und aus Ärztesicht.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Prof. Stefan Hautmann Direktor Klinik für Urologie und Kinderurologie Klinikum Lüdenscheid
und
Dr. med. Timothy D. Collen Mitherausgeber SZO
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2013
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