Transkript
SAaKkKtuellSeite der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
SAKK-Studien auf dem ASCO-Jahreskongress 2012
Palliativmedizin in der Schweiz
Hohe Patientenzufriedenheit mit Therapieentscheiden
Patienten in der Schweiz sind sehr zufrieden mit Therapieentscheiden in der palliativen Situation. Eine Studie mit Beteiligung der SAKK zeigte, dass die Zeitdauer der Konsultation ein wichtiger Faktor ist.
Behandlungsentscheide bei fortgeschrittenen Tumoren hängen von zahlreichen patienten-, therapie- und krankheitsbezogenen Variablen ab. Die Studie der Ostschweizer Autoren wollte erfahren, welche Faktoren im Entscheidungsprozess überwiegend die Zufriedenheit der Patienten bestimmen. Patienten, die eine neue Palliativtherapie erhalten hatten, füllten dazu einen multi-
dimensionalen Fragebogen 4 bis 6 Wochen nach dem Therapieentscheid aus. Analysiert wurden soziodemografische Daten, Zufriedenheit mit der Entscheidung (= primärer Endpunkt) sowie diesbezügliche Vorlieben, subjektive Therapieziele, Gesundheit sowie verschiedene Kriterien zur Lebensqualität. Medizinische Informationen zur Krankheit wurden von den behandelnden Ärzten geliefert und in Beziehung gesetzt. Die Zufriedenheitsfaktoren (Messskala 0 bis 30) wurden mit uniund multivariaten Regressionsmodellen bewertet.
Resultat: Genügend Zeit finden für das Gespräch
445 von 480 Patienten, die in 8 Spitälern und 2 Privatpraxen behandelt wurden,
hatten alle Fragen zum primären Endpunkt beantwortet, 44% bevorzugten eine gemeinsame Arzt-Patienten-, 42% die arztzentrierte Entscheidung. 326 Patienten (73%) waren sehr zufrieden. In der univariaten Analyse waren verschiedene Faktoren (v.a. Lebensqualität, Allgemeinbefinden, Therapieziel, «locus of control», Prognose sowie Dauer der Konsultation) signifikante Prädiktoren. In der multivariaten Analyse war allein die Dauer der Konsultation (im Schnitt der Studie 30 Minuten, Spanne: 10–200 Min.) positiv mit der Zufriedenheit assoziiert (p = 0,01). Die Autoren folgerten, dass ein «Sich-ZeitNehmen» in der betriebsamen Alltagspraxis eine ganz wichtige und einfache Massnahme ist, um die Patientenzufriedenheit zu gewährleisten. hir
Quelle:
Hitz F. et al.: Predictors of satisfaction with decision in patients with advanced cancer. J Clin Oncol 2012; 30; # 9045.
Chronisch myeloische Leukämie (CML)
Neue Prognosemarker für ein Langzeitüberleben unter Therapie
Eine deutsch-schweizerische Studie (SAKK; German CML Study Group) fand die prognostische Bedeutung des frühen molekularen und zytogenetischen Ansprechens für ein langzeitiges PFS und OS bei CML unter Imatinibtherapie heraus. Die Marker zeigen an, ob und wann ein Therapiewechsel sinnvoll ist.
Für eine optimale Langzeittherapie bei CML ist die frühe Prognosevorhersage unter Imatinib-Erstlinientherapie sinnvoll. Das frühe Ansprechen dient dabei als Prä-
diktor für ein günstiges Langzeitüberleben. Insgesamt wurden 1303 Patienten mit neu diagnostiziertem und Imatinib-behandeltem CML (aus der CML-Studie IV) untersucht hinsichtlich einer Korrelation des molekularen und zytogenetischen Ansprechens nach 3 und 6 Monaten mit dem progressionsfreien und Gesamtüberleben (PFS und OS). Die mediane Beobachtungszeit betrug 4,7 Jahre (Spanne: 0–9). Die BCR-ABL-Expression wurde mittels quantitativer RT-PCR bestimmt und gemäss der internationalen Skala (BCR-ABLIS) standardisiert. Die Proportion der PhiladelphiaChromosom-positiven Metaphasen (Ph+) wurde mittels konventioneller Metapha-
senanalyse bestimmt. Zur Bestätigung der prognostischen Bedeutung des molekularen Ansprechens wurde eine unabhängige Validierung bei 174 CML-Patienten unter Imatinib aus der IRIS-Studie hinzugezogen.
Resultate
Die Persistenz nach 3 Monaten von ◆ > 10% BCR-ABLIS unterschied eine
Hochrisikogruppe (28% der Pat.; 5Jahres-OS: 87%) von einer ◆ Gruppe mit 1 bis 10% BCR-ABLIS (41%; 5-Jahres-OS: 94%; p = 0,012) und von einer ◆ Gruppe mit < 1% BCR-ABLIS (31%; 5Jahres-OS: 97%; p = 0,004).
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2012
37
SAaKkKtuellSeite der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
Mittels Zytogenetik konnten Hochrisikopatienten durch die Persistenz > 35% Ph+ identifiziert werden (27% der Pat.; 5-Jahres-OS: 87%) verglichen mit denen, die ≤ 35% Ph+ zeigten (73%; 5-Jahres-OS: 95%; p = 0, 036). Die Situation nach 6 Monaten: ◆ Die Gruppe mit > 1% BCR-ABLIS (37%;
5-Jahres-OS: 89%) zeigte ein verringertes Überleben verglichen mit der Gruppe mit ≤ 1% (63%; 5-Jahres-OS: 97%; p < 0,001). ◆ Die Gruppe mit > 0% Ph+ (34%; 5-Jah-
res-OS: 91%) zeigte ein verringertes Überleben verglichen mit der Gruppe mit 0% Ph+ (66%; 5-Jahres-OS: 97%; p = 0,015). Der Vergleich mit der Studie IRIS: Patienten mit BCR-ABLIS > 10% nach 3 Monaten (25%; 8-Jahres-OS: 81%) hatten ein kürzeres Überleben als diejenigen mit ≤ 10% (75%; 8-Jahres-OS: 93%; p = 0,011). Die Autoren folgerten, dass mangelndes Ansprechen mit Raten von ◆ 10% BCR-ABLIS oder 35% Ph+ nach 3monatiger Imatinibtherapie respektive
◆ 1% BCR-ABLIS oder 0% Ph+ nach 6-monatiger Imatinibtherapie
Hochrisikopatienten definiert, bei welchen ein früher Therapiewechsel diskutiert werden muss. hir
Quelle: Hehlmann R et al.: The prognostic significance of early molecular and cytogenetic response for longterm progression-free and overall survival in imatinib-treated chronic myeloid leukemia (CML). J Clin Oncol 2012; 30; # 6510.
Kolonkarzinom
Kombination Genexpressionsanalyse plus TNM-Staging verbessert Prognoseaussagen
Kombinierte Risikoscores aufgrund von Genexpressionstests bei resektiertem primärem Darmkrebs verbessern aktuelle prognostische Modelle wie das traditionelle TNM-Staging-System. Eine schweizerisch-belgische Studie bei einer unabhängigen Darmkrebspatientenkohorte hat zwei Tests auf die prognostische Vorhersagekraft überprüft.
Die Prognosevorhersage bei resektiertem primärem Darmkrebs basiert traditionell auf dem TNM-Staging-System. Neue Genexpressions-basierte Risikowerte müssen in Zusammenhang mit klinischen respektive TNM-Staging-Variablen validiert wer-
den. Zwei in den USA zugelassene Genexpressionstests von Veridex (aVDS) und Genomic Health (aGHS) wurden hinsichtlich ihres prognostischen Wertes für ein Rezidiv unabhängig geprüft. Die Risikoscores beider Tests wurden auf die existierenden Genexpressionsdaten von 580 Tumoren im Stadium III und 108 Tumoren im Stadium II in der Studie PETACC-3 angewendet. Dann wurden die Werte mit den Daten des rezidivfreien und Gesamtüberlebens einzeln und danach mit dem TNM-System und anderen klinisch-pathologischen Variablen assoziiert. Mittels Univariat-, Multivariat-Cox-Regressionmodellen sowie Logrank-Test wurde ausgewertet.
Resultate
Die Risikowerte in beiden Tests stimmten signifikant mit dem rezidivfreien Überleben bei Patienten mit Stadium III-Tumoren überein. Die höchsten Effektgrössen (effect sizes) mit zusätzlichen Informationen wurden in einem kombinierten Modell erreicht, welches beide Werte sowie das T- und NStadium und den MSI-Status einschloss. Die Analyse der Stadium-II-Tumoren ergab ähnliche Effektschätzungen (Tabelle). hir
Quelle:
Arnaud Roth A et al.: Validation of two gene-expression risk scores in a large colon cancer cohort and contribution to an improved prognostic method. J Clin Oncol 2012; 30; # 3509.
Tabelle
Genexpressionstest
Modell Univariat Multivariat Kombinierte Analyse (aGHS + aVDS)
aGHS Rezidivfreies Überleben Gesamtüberleben HR (95%-KI) p-Wert HR (95%-KI) p-Wert 1,32 (1,10–1,58) 0,0023 1,35 (1,10–1,65) 0,0043 1,24 (1,04–1,49) 0,0190 1,27 (1,03–1,58) 0,0255 1,36 (1,13–1,65) 0,0014 1,40 (1,11–1,75) 0,0037
aVDS Rezidivfreies Überleben Gesamtüberleben HR (95%-KI) p-Wert HR (95%-KI) p-Wert 1,25 (1,05–1,50) 0,0130 1,22 (0,99–1,50) 0,0571 1,28 (1,05–1,55) 0,0130 1,25 (1,00–1,56) 0,0500 1,41 (1,15–1,73) 0,0011 1,38 (1,09–1,75) 0,0074
Prognostische Aussagewerte beider Genexpressionsanalysetests (Hazard ratios, HR, for 1 interquartile range variation).
38 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2012