Transkript
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Multiples Myelom
Kontinuierliches Lenalidomid verlängert progressionsfreies Überleben
Drei kürzlich publizierte Phase-III-Studien haben ergeben, dass die kontinuierliche Anwendung von Lenalidomid (Revlimid®) bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (MM) respektive die Erhaltungstherapie im Anschluss an eine autologe Stammzelltransplantation die Überlebensdauer ohne Krankheitsprogression verlängert.
Für MM-Patienten hat sich in den letzten Jahren durch die Einführung neuer Substanzen wie Bortezomid und Lenalidomid die Behandlung klar optimiert, was sich in einer deutlichen Verlängerung der Überlebensdauer niederschlägt. Zu den ungeklärten Fragen gehörte der Nutzen einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid sowohl bei Patienten nach Stammzelltransplantation als auch bei jenen, für die eine solche nicht in Frage kommt.
Ältere, nicht transplantationsfähige Patienten Die Kombinationen von Melphalan/ Prednison (MP) mit entweder Thalidomid oder Bortezomid gilt inzwischen bei über 65-Jährigen, die für eine Stammzelltransplantation ungeeignet sind, als Standardtherapie. Lenalidomid, kombiniert mit Dexamethason, hat sich bei rezidiviertem oder refraktärem MM und auch bei neu diagnostiziertem MM als effektiv erwiesen. Die kürzlich publizierte Studie von Palumbo und Kollegen (1) untersuchte den Effekt einer Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (= R; Revlimid) in der Kombinationstherapie bei dieser Patientengruppe. Im doppelblinden, multizentrischen, randomisierten Design der Phase-III-Studie erhielten Patienten über 65 Jahre mit neu diagnostiziertem MM, ungeeignet für eine autologe Stammzelltransplantation, (insgesamt n = 459) eine Induktionstherapie. Doppelblind und randomisiert erhielt dann eine Gruppe (n = 152) eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie (Schema MPRR), die anderen Gruppen (n = 153 bzw.
154) die Induktion MPR oder MP ohne die Erhaltungstherapie (d.h. danach folgte Plazebo). Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Im mittleren Follow-up nach 30 Monaten zeigten sich signifikante Unterschiede im PFS unter: ▲ MPR-R: 31 Monate ▲ MPR: 14 Monate (HR: 0,49; p = 0,001) ▲ MP: 13 Monate (HR: 0,40; p = 0,001). Die Ansprechraten waren am höchsten unter MPR-R (77%) und unter MPR (68%) gegenüber MP (50%). Der Vorteil beim progressionsfreien Überleben unter der Studienkombination MPR-R zeigte sich nur bei den 65- bis 75-Jährigen. Eine Analyse der Effekte der Induktionstherapie wies gesamthaft eine Verringerung der Progressionsrate unter MPR-R von 66% nach, dies altersunabhängig. Die häufigsten Nebenwirkungen waren hämatologisch (Grad-4-Neutropenien, v.a. unter MPR-R und MPR: 35% und 32% vs. 8% unter MP).
Erhaltungstherapie nach Transplantation Zwei weitere Studien untersuchten die Anwendung von Lenalidomid (versus Plazebo) als Erhaltungstherapie im Anschluss an eine autologe Stammzellentransplantation (ASCT). Bei jüngeren (unter 65-jährigen) MM-Patienten ist die Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation Standardbehandlung. Die mediane Ansprechdauer liegt allerdings bei drei Jahren, sodass in den Folgejahren ein Rezidiv zu erwarten ist.
CALGB-Studie In einer vom US-amerikanischen National Cancer Institute finanzierten und von der Cancer and Leukemia Group B (CALGB) durchgeführten Studie wurden 460 MMPatienten eingeschlossen, welche sich im stabilen Erkrankungsstadium befanden respektive solche, die in den ersten 100 Tage nach der Transplantation marginal bis komplett auf die Intervention ansprachen. Die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid respektive Plazebo erfolgte zwischen Tag 100 und 110 nach der Transplantation randomisiert und doppelblind. Die Studie wurde 2009 (nach 4 Jahren) entblindet, da eine unabhängige Interimanalyse eine signifikant längere Zeit bis zum Fortschreiten der Krankheit in der Studienpruppe nachwies. Zu diesem Zeitpunkt waren 20% der Patienten in der Lenalidomidgruppe und 44% in der Kontrollgruppe progredient oder waren gestorben. Von den 128 Patienten unter Plazebo-Erhaltungstherapie, die nicht progredient waren, wechselten 86 auf Lenalidomid. Nach einem medianen Follow-up von 34 Monaten kam es ▲ bei 37% (n = 86/231) in der Lenalido-
midgruppe und ▲ bei 58% in der Plazebogruppe
(n = 132/229) zur Krankheitsprogression. Die mediane Zeit bis zur Progression betrug ▲ 46 Monate (Lenalidomid) versus ▲ 27 Monate (Plazebo). Grad-3- und -4-Nebenwirkungen sowie sekundäre Primärtumoren waren häufiger in der Studiengruppe. Die Studienleiter folgerten, dass die Lenalidomid-Erhaltungstherapie, begonnen am Tag 100 nach autologer Stammzelltransplantation, das Gesamtüberleben der MM-Patienten trotz vermehrter Toxizität signifikant verlängert.
IFM-Studie Eine ähnlich konzipierte Studie wurde
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von der Intergroupe Francophone du Myelome (IFM) durchgeführt: Eingeschlossen wurden hier 614 MM-Patienten unter 65 Jahren nach autologer Stammzelltransplantation. Sie erhielten danach randomisiert ebenfalls Lenalidomid respektive Plazebo in den ersten drei Monaten als Erhaltungstherapie. Hier betrug das ▲ PFS: 41 versus 23 Monate (Lenalido-
mid vs. Plazebo). (HR: 0,50; p < 0,001). Der Benefit wurde in allen Subgruppen beobachtet (u.a. zytogenisches Profil, Ansprechen nach der Transplantation).
Nach einem mittleren Follow-up von 45 Monaten lebten 70% der Patienten in beiden Gruppen. ▲ Das mediane ereignisfreie Überleben
war signifikant höher unter der Lenalidomid-Erhaltungstherapie als unter Plazebo mit 40 gegenüber 23 Monaten. In dieser Studie waren Grad-3- und -4Nebenwirkungen ähnlich ausgeprägt und häufig. Die Autoren kamen zum Schluss, dass die Lenalidomid-Erhaltungstherapie das PFS und ereignisfreie Überleben verlängert, während das Gesamtüberleben (4 Jahre
nach der Transplantation/Randomisierung) in beiden Gruppen ähnlich war. ▲
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Palumbo, A et al.: Continuous lenalidomide treatment for newly diagnosed multiple myeloma. NEJM 2012; 366: 1759–69. 2. McCarthy, Ph L et al.: Lenalidomide after stem-cell transplantation for multiple myeloma. NEJM 2012; 366: 1770–81. 3. Attal, M et al.: Lenalidomid maintenance after stem cell transplantation for multiple myeloma. NEJM 2012; 366: 1782–91.
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