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Kongressbericht
34. San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), San Antonio/Texas, 8. bis 12. Dezember 2011
Highlights in Brustkrebsstudien
Duale Kombination blockiert besser
Die grösste Brustkrebskonferenz der Welt setzt auch für 2012 therapeutische Massstäbe: So setzt sich der Trend fort, bei HER2-positiven Patientinnen zielgerichtete Therapien zu kombinieren, sodass durch die duale Blockade eine wesentlich bessere Hemmwirkung ausgeübt werden kann. Neben zahlreichen neuen Studien in weiteren Situationen, auch zu operativen und radiotherapeutischen Verfahren, wurde ausführlich der Nutzen der Bisphosphonate beim Mammakarzinom diskutiert.
«Früher galt eine HER2-Überexpression als prognostisch schlecht. Heute wird es aufgrund der vermehrten Behandlungsoptionen in dieser Situation fast schon als Glücksfall gesehen, wenn eine Frau diese spezielle Brustkrebsform aufweist», betonte Prof. Kent Osborne, St. Louis/USA. Nach seiner Ansicht haben HER2-positive Patientinnen durch die zielgerichtete Therapie Aussicht auf ein langes Überleben. Hinzu komme, dass die Behandlungsoptionen ständig erweitert werden. Dabei scheint der duale Ansatz aus der neuen Substanz Pertuzumab und dem Trastuzumab (Herceptin®) besonders erfolgreich zu sein. Dies liegt nach Ansicht der Experten an den zueinander komplementären Wirkmechanismen der beiden Substanzen: Der humanisierte Antikörper Pertuzumab verhindert die Heterodimerisierung des HER2-Rezeptors mit ähnlichen Rezeptoren aus der HER-Gruppe (EGFR/HER1, HER3 und HER4).
noch nicht abschliessend geklärt werden. Aufgrund der ermutigenden neoadjuvanten Daten wurde die TRYPHAENA-Studie gestartet. Diese dreiarmige Studie untersuchte den neoadjuvanten Einsatz von Pertuzumab und Trastuzumab sequenziell oder gleichzeitig mit einer anthrazyklinhaltigen oder anthrazyklinfreien Chemotherapie. Eine erste Auswertung bestätigte die hohe Sicherheit der dualen Gabe im neoadjuvanten Setting (3). Eine unabhängige Data-Monitoring-Kommission bestätigte, dass die zusätzliche Gabe von Pertuzumab nicht mit einem erhöhten Risiko für kardiale Ereignisse respektive einem Absinken der Ejektionsfraktion ver-
bunden war. Die pCR-Rate als sekundärer Endpunkt war in den Armen mit dualer Blockade wiederum ausgesprochen gut (57%–66%).
CLEOPATRA in der metastasierten Situation
Aktuelle Ergebnisse der CLEOPATRA-Studie (CLinical Evaluation Of Pertuzumab And TRAstuzumab) belegen Wirksamkeit und Sicherheit der dualen Blockade auch in der metastasierten Situation (4, 5). Dazu wurden die 808 Frauen dieser Phase-IIIStudie entweder in den Arm Plazebo plus Trastuzumab plus Docetaxel (H+T) oder in den Arm Pertuzumab plus Trastuzumab plus Docetaxel (P+H+T) randomisiert. Die Patientinnen erhielten Pertuzumab und Trastuzumab jeweils initial mit 840 mg respektive 8 mg/kg, danach dreiwöchentlich mit 420 mg respektive 6 mg/kg. Die Dreierkombination führte im primären Endpunkt – dem progressionsfreien Überleben (PFS) – zu einer signifikanten Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung (18,5 vs. 12,4 Monate (HR 0,62; p < 0,001). Das endgültige Gesamtüber-
Kombination überzeugt mit Effektivität und Sicherheit
Bereits 2010 konnte beim SABCS gezeigt werden, dass die Kombination aus Pertuzumab und Trastuzumab im neoadjuvanten Setting zu einer Wirkverstärkung führt (1). Ergänzend zu dieser Studie wurde im Dezember 2011 eine Biomarkeranalyse vorgestellt, die zeigte, dass eine hohe Expression der HER2-Membranproteine, gemessen anhand modifizierter H-Scores, mit einer signifikant höheren Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) einhergeht (2). Inwieweit der PI3K-Mutationsstatus den pCR-Grad senkt, konnte
Dezemberstimmung in San Antonio im südlichen Texas: Hier findet alljährlich zum Jahresende der weltgrösste Brustkrebskongress statt.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2012
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leben wird zwar nicht vor 2013 bekannt sein, aber bereits jetzt zeichnet sich in der Interimsanalyse ein starker Trend zur vorteilhaften Dreierkombination ab: Während es im HT-Arm unter den 402 Frauen bereits 96 Todesfälle gab, waren dies im Pertuzumab-Arm nur 69 Fälle. Als besonders erfreulich hebt der Studienleiter Prof. José Baselga, Boston, die Tatsache hervor, dass die Kardiotoxizität durch die duale Blockade nicht erhöht wurde. Insgesamt erwiesen sich beide Regime als gut verträglich. Baselga äusserte weiterhin: «Vielleicht kann sogar die TrastuzumabResistenz durch die zusätzliche Gabe von Pertuzumab überwunden werden.»
Axilladissektion und ...
Die Operation der Axilla ist bisher die Standardoperation, die auch bei minimaler Belastung der Lymphregion durchgeführt wurde. Ob dies weiterhin der Standard bleiben sollte, ist nach den Ergebnissen der IBCSG 23-01-Studie fraglich (6). Die 931 Frauen der Untersuchung wiesen klinisch einen Lymphknoten-negativen Tumor auf, hatten aber Mikrometastasen im Sentinel oder anderen Lymphknoten. Die meisten der Frauen (85%) hatten 1 oder 2 positive Sentinelknoten, und bei keiner der Frauen waren die Metastasen grösser als 2 mm. Die Randomisierung erfolgte hinsichtlich «keine (nAD) oder eine Axilladissektion (AD)». Nach median 57 Monaten liess sich ein Fünf-Jahres-PFS von 87,3% (AD) und 88,4% (nAD) feststellen. Ebenso war das Fünf-Jahres-Gesamtüberleben in beiden Gruppen nicht unterschiedlich (97,6% vs. 98%). Dr. Vivianna Galimberti, Mailand, kommentierte: «Die minimale Beteiligung der Axillaknoten hat gegenüber zielgerichteten Therapien und Biomarkern ihre prognostische Bedeutung verloren. Daher könnte Frauen, die negative Lymphknoten, aber einen positiven Sentinel haben, zukünftig diese Operation erspart bleiben.»
... Bestrahlung auf dem Prüfstand
Eine radiotherapeutische Studie zeigte unerwartete Ergebnisse und bewies einmal mehr, wie wichtig es ist, dass die Entscheidungsfindung zur jeweiligen Therapie mit der Patientin abzustimmen ist. Die Untersuchung beschäftigte sich mit der mittlerweile häufig vorgenommenen Teil-
brustbestrahlung mittel Brachytherapie und der Frage, ob diese Vorteile gegenüber einer konventionellen Ganzbrustbestrahlung bietet (7). In der Analyse der Daten von 130 535 Frauen stellte sich heraus, dass die Teilbrustbestrahlung das Risiko einer späteren Mastektomie mehr als verdoppelt (p < 0,001). Darüber hinaus kam es bei 9,6% der Frauen unter Brachytherapie gegenüber 5,7% im Vergleichsarm zu Hospitaleinweisungen. Auch die Infektionsrate in der Brachytherapiegruppe war wesentlich höher. Ebenso waren Komplikationen wie Rippenfrakturen, Fettnekrosen und Brustschmerzen deutlich häufiger unter der Brachytherapie ausgeprägt. Allein eine Pneumonitis ereignete sich häufiger bei einer Bestrahlung der gesamten Brust. «Ich bin geradezu geschockt von den Ergebnissen. Allerdings zeigt es uns wieder einmal, dass wir genau hinsehen müssen, was wirklich für unsere Patientinnen gut ist», kommentierte der Studienleiter Prof. Benjamin Smith vom MD Anderson Cancer Center in Houston/USA.
Die «Bisphosphonat-Story» geht weiter
Die Frage nach einem zusätzlichen AntiTumor-Effekt der Bisphosphonate steht weiterhin im Raum. Nachdem beim SABCS im Dezember 2010 in der AZUREStudie nur bei den postmenopausalen Patientinnen ein Vorteil durch die Gabe von Zoledronsäure (Zometa®) nachgewiesen werden konnte, wurde beim SABCS 2011 auf die finalen Ergebnisse der ABCSG-12Studie gehofft (8): In dieser Untersuchung wurden 1803 prämenopausale Patientinnen mit hormonsensiblem Mammakarzinom adjuvant mit Goserelin (Zoladex®) und Tamoxifen oder Goserelin plus Anastrozol (Arimidex®) behandelt – entweder mit oder ohne zusätzliche Gabe von Zoledronsäure. Nach durchschnittlich 76 Monaten Follow-up ergab sich für die ITT-Population (unter Zoledronsäuretherapie) eine signifikante Reduktion von Rezidiven (27%; HR 0,73; p = 0,022) wie auch des Mortalitätsrisikos (41%; HR 0,59; p = 0,027). Im Prinzip bestätigten diese Daten dennoch erneut die der AZURE-Studie, denn nur bei Patientinnen über 40 Jahre konnte ein signifikanter Unterschied durch Zoledronsäure erzielt werden, bei jüngeren Patientinnen
ergab sich keine Verbesserung des Gesamtüberlebens. Die Langzeitergebnisse der ZO-FAST-Studie stützen diese Daten noch einmal: Nach einem medianen Follow-up von 60 Monaten kam es in der Subgruppe der Patientinnen, die zu Studienbeginn bereits mehr als 5 Jahre postmenopausal oder über 60 Jahre alt waren, zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien Überleben (DFS) (HR 0,63; p = 0,052) sowie zu einem verbesserten Gesamtüberleben (HR 0,50; p = 0,022).
Vorläufiger Tenor
Wie sollte aber nun bei prämenopausalen
Patientinnen bezüglich Bisphosphonat-
gabe vorgegangen werden? Nur wenn
diese jungen Frauen besonders niedrige
Östrogenspiegel hätten, dann sei es eine
Überlegung wert, ihnen zusätzlich zur ad-
juvanten endokrinen Therapie nicht doch
Bisphosphonate zu verordnen, so der Te-
nor der Experten in San Antonio. Die post-
menopausalen Patientinnen können da-
gegen eindeutig von Bisphosphonaten
profitieren. Ansonsten wird auch noch auf
die Ergebnisse der D-CARE-Studie mit
Denosumab gewartet.
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Bettina Reich
Quellen: 1. Gianni L et al.: SABCS 2010, Abstract S3–2. 2. Gianni L et al.: SABCS 2011; Abstract S5–1. 3. Schneeweiss A et al.: SABCS 2011; Abstract S5–6. 4. Baselga J et al.: SABCS 2011; Abstract S5–5. 5. Baselga J et al.: Pertuzumab plus Trastuzumab plus
Docetaxel for Metastatic Breast Cancer. N Engl J Med 2011 Dec 7 (epub ahead of print). 6. Galimberti V et al.: SABCS 2011; Abstract S3–1. 7. Smith GL et al.: SABCS 2011; Abstract S2–1. 8. Gnant M et al.: SABCS 2011; Abstract S1–2. 9. De Boer R et al.: SABCS 2011; Abstract S1–3.
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