Transkript
Kongressbericht/Neue Therapien
European Multidisciplinary Conference in Thoracic Onkology (EMCTO), Lugano, 24. bis 26. Februar 2011
Zweitlinientherapie des NSCLC / Vergleich zu Chemotherapie
TKI-Hemmer: bessere Verträglichkeit bei gleicher Wirkung
Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), deren Krankheit nach der platinbasierten Erstlinientherapie rasch fortschreitet, profitieren von der zielgerichteten Behandlung mit Erlotinib. Bei gleicher Wirksamkeit wie die Chemotherapie zeigen sich kaum schwere Toxizitäten. Dies ergab die Phase-III-Studie TITAN, welche auf der EMCTO-Konferenz kürzlich mit ersten Resultaten vorgestellt wurde.
Es handle sich um die erste Studie, die zeige, dass der Tyrosinkinase-(TKI-)Hemmer Erlotinib (Tarceva®) vergleichbare Antitumorwirkung besitzt wie die Standardchemotherapie, stellte der Studienleiter Dr. med. Tudor Ciuleanu, Klausenburg/Rumänien, heraus. Die Studie schloss nur solche Patienten ein, deren Krankheit unter der platinbasierten Erstlinientherapie rasch progrediert war – eine Entwicklung, die 30 bis 40% aller Lungenkrebspatienten betrifft. Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um eine breite Population, nicht selektiert nach dem EGFR-Mutationsstatus des Tumors. Bisher waren Vergleichsdaten zur Effektivität von Erlotinib, Docetaxel und Pemetrexed in der Zweitlinientherapie des NSCLC sehr limitiert. Zwar hatte sich Erlotinib bisher stets als deutlich verträglicher als die Chemotherapie erwiesen, aber viele Kliniker waren sich über die Wirksamkeit der Substanz bei diesem schwer therapierbaren Patientenklientel mit rascher Progredienz nach der Erstlinientherapie unschlüssig.
Multizentrisch, offen
Die TITAN-Studie untersuchte die Wirksam- und Verträglichkeit von Erlotinib versus Chemotherapie (Docetaxel oder Pemetrexed) in der Zweitlinie, und zwar bei insgesamt 424 NSCLC-Patienten nach rascher Progredienz unter der platinbasierten Chemotherapie. In der Erstlinienbehandlung hatten 2590 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC bis zu vier Zyklen der platinbasierten Standardchemotherapie (PDC-Schema) erhalten. Denjenigen Patienten, deren Krankheit damit stabil blieb, wurde eine Erhaltungstherapie mit Erlotinib angeboten,
welche in der SATURN-Phase-III-Studie weiter untersucht wird. Die TITAN-Studie mit den rasch progredienten Patienten wurde international, multizentrisch und offen geführt. Die Randomisierung erfolgte 1:1 (Erlotinib vs. Docetaxel oder Pemetrexed, Letzteres nach Wahl des Prüfarztes). Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS), sekundäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS), die Gesamtresponserate (ORR), Biomarkeranalysen und Sicherheit.
Keine signifikanten Unterschiede im OS und PFS, aber ...
In die Auswertung kamen die Daten von 203 Patienten der Erlotinib- und von 221 Patienten der Chemotherapiegruppe (n = 116 Docetaxel, 105 Pemetrexed): In beiden Studienarmen zeigte sich kein signifikanter Unterschied im OS (Hazard Ratio [HR] 0,96; 95%-KI 0,97–1,46; p = 0, 73), das mediane OS betrug 5,3 versus 5,5 Monate. Auch zeigte sich kein signifikanter Unterschied beim PFS (HR = 1,19; 95%-KI 0,97–1,46; p = 0,09), das mediane PFS betrug 6,3 versus 8,5 Wochen. Die ORR betrug 7,9% gegenüber 6,3%. Die Überlebensraten waren in den meisten Subgruppenanalysen konsistent, einschliesslich bei Patienten mit bestätigter EGFR-Wildtyp-Erkrankung (hier tendenziell besseres OS). Zu beachten ist, dass im Erlotinibarm ein höherer Prozentsatz an Rauchern, männlichen Patienten, solchen mit Plattenepithelkarzinomen und Stadium-IV-Erkrankung eingeschlossen waren, im Chemotherapiearm befanden sich mehr Patienten mit Performance-Status 1 oder 2.
... kaum schwere Toxizität unter Erlotinib
Bei der Evaluation der therapiebezogenen Nebenwirkungen fiel dagegen ein markanter Unterschied auf: Schwere Nebenwirkungen (Grad 5) waren mit 1,5% unter dem Studienmedikament (vs. 5,2% unter der Chemotherapie) deutlich seltener. Therapiebezogene schwere Nebenwirkungen insgesamt lagen bei 1% (vs. 6,5%), ein Therapieabbruch erfolgte deshalb bei 1% versus 3%. Unter Erlotinib wurde keine hämatologische Toxizität wie unter der Chemotherapie beobachtet. Leichte Nebenwirkungen (Grad 1 und 2), zu denen vor allem Hautreaktionen (Rash) und Diarrhö gehörten, waren unter Erlotinib dagegen häufiger (58,3% vs. 40,8%). Bei Patienten, die durch die fortgeschrittene Krankheit bereits stark leiden, sei das Nebenwirkungspotenzial möglicher Therapien ein starkes Argument für oder gegen eine Behandlungswahl, kommentierte der Studienleiter. «Dieses Studienergebnis ist deshalb interessant, weil durch die Wahl von Erlotinib ein grösseres Benefit durch seine bessere Verträglichkeit entsteht – bei vergleichbarer Wirkung wie unter Chemotherapie.» Dem Onkologen stehe eine wirksame Alternative zur bisherigen Standardchemotherapie in der Zweitlinie zur Verfügung, so Ciuleanu. ▲
Bärbel Hirrle
Die Berichterstattung erfolgte mit finanzieller Unterstützung von Roche Pharma AG, diese nahm aber keinen Einfluss auf den Inhalt.
Quelle: Ciuleanu, T. et al.: Efficacy and safety of erlotinib versus chemotherapy in second-line advanced non small cell lung cancer (NSCLC) with poor prognosis: the phase III TITAN study. Orale Präsentation sowie Poster; 26. Februar 2011, ECTMO-Conference Lugano 2011.
44 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2011