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Im Fokus: Urologische Tumoren
Hodentumoren und Peniskarzinome
Epidemiologie, Diagnostik,Therapie
Ein «Blick unter die Decke» lohnt sich bei Männern aller Altersgruppen: Die Hodentumoren und das Peniskarzinom sind potenziell sehr aggressive Tumoren, aber rechtzeitig erkannt gut heilbare Neoplasien des äusseren Genitales.
FRIEDRICH VON TOGGENBURG, DANIEL ENGELER, HANS-PETER SCHMID
Friedrich von Toggenburg Daniel Engeler Hans-Peter Schmid
Hodentumoren
Epidemiologie, Ätiologie Hodentumoren stellen mit einer Inzidenz von 3 bis 6 Erkrankungen auf 100 000 Männer/Jahr in Europa 1 bis 1,5% aller Malignome bei Männern dar. Es hat sich aber in den letzten 30 Jahren ein deutlicher Anstieg der Inzidenz in den industrialisierten Ländern gezeigt. Risikofaktoren sind vor allem: ▲ Kryptorchismus sowie ▲ Infertilität oder ein kontralateraler Tumor in der
Anamnese, ▲ ein hypotropher (< 12 ml) oder atropher Hoden und ▲ ein Klinefelter-Syndrom. Ebenfalls stellt ein Hodentumor bei einem erstgradigen Verwandten (Vater, Bruder) ein erhöhtes Risiko dar. Hodentumoren können heute zu 95% geheilt werden, sofern sie in einem frühen Stadium diagnostiziert werden. Diese guten Resultate sind aber abhängig von einem sorgfältigen Staging, einer frühzeitigen interdisziplinären Therapie mittels Chirurgie, Chemo- und Radiotherapie sowie einer genauen Nachsorge.
Diagnostik, Klassifikation und Prognose Die primäre Verdachtsdiagnose wird üblicherweise palpatorisch als schmerzloser einseitiger Tumor im Skrotalfach gestellt. Zur Untermauerung der Diagnose ist ein skrotaler Ultraschall meistens ausreichend. Eine skrotale Magnetresonanztomografie kann im Zweifelsfall die Diagnose sichern, ist aber selten gerechtfertigt. Eine Bestimmung der Serumtumormarker (AFP, β-hCG, LDH) als prognostische Faktoren muss vor Therapie erfolgen, wobei zu beachten ist, dass eine Erhöhung dieser Werte nur bei rund der Hälfte aller Hodentumoren auftritt.
Zur Diagnostik gehört auch ein thorako-abdominopelvines CT und bei Kinderwunsch ein Spermiogramm. Ebenfalls zur Diagnostik gehört die inguinale Semikastration, die zudem als erster therapeutischer Schritt gilt, da die histologische Aufarbeitung entscheidend für die weitere Therapie ist. Kontrovers diskutiert wird die Notwendigkeit einer Biopsie des Gegenhodens zum Nachweis einer testikulären intraepithelialen Neoplasie (TIN). Im Moment wird dies bei hypotrophem Hoden (< 12 ml), der Anamnese eines Leistenhodens oder bei einer schlechten Spermatogenese empfohlen. Eine erste Einteilung der Hodentumoren erfolgt nach dem TNM-System (siehe Tabelle 1), nach der inguinalen Semikastration und der Histologie (Seminom, nichtseminomatöser Keimzelltumor, seltene Hodenstromatumoren). Die klinische Stadieneinteilung wird in Tabelle 2 dargestellt. Für die Prognose bezüglich okkulter Metastasierung der lokalisierten Tumoren ist beim Seminom vor allem eine Tumorgrösse von > 4 cm und eine Infiltration des Rete testis ungünstig, während hier die vaskuläre Infiltration nur bedingt relevant ist. Beim lokalisierten nichtseminomatösen Keimzelltumor ist vor allem die vaskuläre Infiltration prognostisch schlecht. Die metastasierten Tumoren werden in drei Prognosegruppen unterteilt (siehe Tabelle 3)
Fertilität und Andrologie Bei bestehendem Kinderwunsch sollte dem Patienten vor der Therapie eine Spermien-Kryokonservierung, eventuell auch mit einer intraoperativen testikulären Spermienextraktion (TESE), erklärt und angeboten werden. Während der onkologischen Behandlung wird eine Kontrazeption empfohlen; zu beachten ist, dass dafür kein sicherer Nachweis eines er-
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Im Fokus: Urologische Tumoren
Tabelle 1: TNM-Klassifikation für Hodentumoren
(UICC, 2002, 6. Edition)
pT Primärtumor
pTX Primärtumor kann nicht beurteilt werden
pT0 Keine Evidenz für einen Primärtumor
pTis Intratubuläre Keimzellneoplasie (Carcinoma in situ)
pT1 Tumor auf Hoden und Nebenhoden begrenzt ohne Gefässinvasion
oder Invasion der Tunica vaginalis
pT2 Tumor auf Hoden und Nebenhoden begrenzt mit Gefässinvasion
oder Invasion der Tunica vaginalis
pT3 Tumor infiltriert den Samenstrang
pT4 Tumor infiltriert Skrotalwand
(p)N regionärer Lymphknotenstatus (Retroperitoneum)
(p)NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
(p)N0 Keine Evidenz für regionäre Lymphknotenmetastasen
(p)N1 Max. 5 positive Lymphknoten mit max. 2 cm Durchmesser
(p)N2 Lymphknotenmetastasen bis max. 5 cm Durchmesser ohne
extranodale Ausdehnung
(p)N3 Lymphknotenmetastase(n) mit mehr als 5 cm Durchmesser
M Metastasen
MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
M0 Keine Evidenz für Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen vorhanden
S Serumtumormarker (postoperativ, vor Chemotherapie)
SX Serumtumormarker (noch) nicht verfügbar
S0 Serumtumormarker normal
LDH (U/l)
hCG (mIU/ml)
AFP (ng/ml)
S1 < 1,5 x N und < 5000 und < 1000 S2 1,5–10 x N oder 5000–50 000 oder 1000–10 000 S3 >10 x N oder
> 50 000 oder
> 10 000
N entspricht oberem Normalwert
Tabelle 3:
Prognosegruppen der metastasierten Keimzelltumoren
(International Germ Cell Collaborative Group, IGCCCG)
Gute-Prognose-Gruppe
Nicht-Seminome
Alle der folgenden Kriterien:
Fünf-Jahres
– Primärtumor im Hoden oder
Progressionsfreies Überleben 89%
Retroperitoneal
Fünf-Jahres-Überleben 92%
– Keine nichtpulmonalen
Fernmetastasten
– S0–1
Seminome
Alle der folgenden Kriterien:
Fünf-Jahres
– Keine nichtpulmonalen
Progressionsfreies Überleben 82%
Fernmetastasten
Fünf-Jahres-Überleben 86%
– Normales AFP
Mittlere-Prognose-Gruppe
Nicht-Seminome
Alle der folgenden Kriterien:
Fünf-Jahres
– Primärtumor im Hoden oder
Progressionsfreies Überleben 75%
Retroperitoneal
Fünf-Jahres-Überleben 80%
– Keine nichtpulmonalen
Fernmetastasten
– S2
Seminome
Eines der folgenden Kriterien:
Fünf-Jahres
– Nichtpulmonale Fernmetastasen
Progressionsfreies Überleben 67%
Fünf-Jahres-Überleben 72%
– jede Tumormarkerhöhe
Schlechte-Prognose-Gruppe
Nicht-Seminome
Eines der folgenden Kriterien:
Fünf-Jahres
– Mediastinaler Primärtumor
Progressionsfreies Überleben 41%
Fünf-Jahres-Überleben 48%
– Nichtpulmonale Fernmetastasen
– S3
Keine Seminome in der Schlechte-Prognose-Gruppe
Tabelle 2: Klinisches Stadium bei Hodentumoren
Klinisches Stadium I IA IB IC oder IS II IIA IIB IIC IID III
IIIA IIIB IIIC IIID
Definition
Keine Metastasen nachweisbar pT1 N0 M0 S0 pT2–4 N0 M0 S0 pT1–4 N0 M0 S1–3 Lymphknotenmetastasen im Retroperitoneum Alle Lymphknoten < 2 cm Mindestens 1 Lymphknoten 2–5 cm Lymphknoten > 5 cm Tastbarer abdominaler Tumor, inguinal fixierter Tumor Mediastinale oder supraklavikuläre Lymphknotenmetastasen, Fernmetastasen Mediastinale oder supraklavikuläre Lymphknotenmetastasen Fernmetastasen nur in der Lunge Fernmetastasen ausserhalb der Lunge Persistierende Tumormarker ohne sichtbare Metastasen
Tabelle 4: Minimale Nachsorge nach Seminom Stadium I –
unabhängig von der Therapie
(nach Leitlinien der Europäischen Urologengesellschaft [EAU] 2005)
Modalität
Klinische Untersuchung Tumormarker Lungenröntgen Abdominopelvines CT
Jahr 1 3/Jahr 3/Jahr 2/Jahr 2/Jahr
2 3/Jahr 3/Jahr 2/Jahr 2/Jahr
3–4 2/Jahr 2/Jahr 1/Jahr 1/Jahr
5–10 1/Jahr 1/Jahr 1/Jahr 1/Jahr
Tabelle 5: Minimale Nachsorge Nicht-Seminom Stadium I
nach RLA und adjuvanter Chemotherapie
(nach EAU-Guidelines 2005)
Modalität
Klinische Untersuchung Tumormarker Lungenröntgen Abdominopelvines CT
Jahr 1 4/Jahr 4/Jahr 2/Jahr 1/Jahr
2 4/Jahr 4/Jahr 2/Jahr 1/Jahr
3–4 2/Jahr 2/Jahr
5–10 1/Jahr 1/Jahr
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werden. Andernfalls
Tabelle 6:
kann eine Bestrah-
Minimale Nachsorge nach fortgeschrittenem Hodentumor lung der infradia-
(nach EAU-Guidelines 2005)
phragmalen, para-
Modalität
Klinische Untersuchung Tumormarker Lungenröntgen Abdominopelvines CT Thorax-CT Schädel-CT
Jahr 1 4/Jahr 4/Jahr 4/Jahr 2/Jahr Bei Bedarf Bei Bedarf
2 4/Jahr 4/Jahr 4/Jahr 2/Jahr Bei Bedarf Bei Bedarf
3–4 2/Jahr 2/Jahr 2/Jahr 1/Jahr Bei Bedarf Bei Bedarf
5–10 1/Jahr 1/Jahr 1/Jahr 1/Jahr Bei Bedarf Bei Bedarf
aortaen/paracavalen Abflussgebiete oder, nach neueren Daten beim Stadium-I-Seminom gleichwertig, eine CarboplatinMonotherapie durchgeführt werden. Beim Nicht-Semi-
nom Stadium I be-
steht ein 30%-iges
höhten Risikos von Missbildungen des Risiko für okkulte Metastasen, weshalb
Kindes besteht. Frühestens ein Jahr hier eine weitere Risikostratifizierung
nach abgeschlossener Behandlung und empfohlen wird. Patienten im Stadium IA
bei weiter bestehendem Kinderwunsch können einer Surveillance zugeführt
ist eine erneute Hormon- und Ejakulat- werden, wobei auch diesen Patienten
untersuchung sinnvoll. Beim klinischen eine retroperitoneale Lymphadenekto-
Auftreten eines Androgendefizites mie (RLA) oder eine adjuvante Chemo-
oder nach bilateraler Ablatio testis ist therapie erklärt werden muss. Im Sta-
eine Testosteronsubstitution zu disku- dium IB beziehungsweise im Stadium IC
tieren.
sollte eine Chemotherapie mit zwei
respektive drei Zyklen PEB (Cisplatin,
Therapie
Etoposid, Bleomycin) oder eine RLA (bei
Die weitergehende Therapie nach der Patienten die keine Chemotherapie
Semikastration ist abhängig von Histolo- wünschen) durchgeführt werden. Sollte
gie und Stadium.
sich nach der RLA das Tumorstadium
Eine nachgewiesene TIN ist mit einer ku- geändert haben, muss entsprechend
mulativen Wahrscheinlichkeit von 70% therapiert werden.
für die Entwicklung eines Hodentumors Die Standardtherapie des Seminoms
nach sieben Jahren vergesellschaftet. Sie Stadium IIA/B ist die Bestrahlung. Das
sollte deshalb auf jeden Fall behandelt Bestrahlungsfeld muss eventuell an die
werden. Bei erhaltenem Kinderwunsch vorhandenen Lymphome angepasst wer-
kann die Behandlung auch verzögert ein- den. Alternativ kann eine Chemothera-
geleitet werden. Sollte bereits ein thera- pie mit 3 Zyklen PEB oder 4 Zyklen EP
piebedürftiges Androgendefizit vorlie- (Etoposid und Cisplatin) mit ähnlichen
gen, kann eine skrotale Ablatio testis Resultaten durchgeführt werden.
durchgeführt werden. Sonst ist eine Ra- Die Therapie des Nicht-Seminoms Sta-
diatio des Hodens mit 18 bis 20 Gy, in dium IIA/B ist die Chemotherapie mit
Einzeldosen zu 2 Gy, das geeignete Vor- 3 Zyklen PEB. Sollten Residualtumoren
gehen. Ist primär eine Chemotherapie nach Chemotherapie vorhanden sein,
geplant, sollte mit der Bestrahlung zuge- können diese operativ entfernt werden.
wartet werden. Sollte sich sechs Monate Im Falle eines S0-Tumors kann dem Pati-
nach abgeschlossener Chemotherapie in enten auch eine primäre RLA angeboten
der Kontrollbiopsie weiterhin eine TIN werden. Der Vorteil dabei ist, dass sich in
zeigen, kann sekundär bestrahlt werden. bis zu 13% aller Fälle das klinische Sta-
Das Risiko einer okkulten Metastasie- dium II nicht bestätigt und eine Rückstu-
rung beim Vorliegen einer Seminoms fung auf Stadium I erfolgen kann.
Stadium I beträgt 20%. Es stehen zwei Fortgeschrittenere Stadien sollten in der
prinzipielle Strategien zur Auswahl. Ei- «Gute-Prognose-Gruppe» mit drei, in
nerseits kann bei entsprechendem Pati- der «Mittlere- und Schlechte-Prognose-
entenwillen eine «Surveillance» durchge- Gruppe» mit vier Zyklen PEB behandelt
führt werden. Eine Behandlung muss dann werden. Anschliessend hat auf jeden Fall
erst bei manifestem Rezidiv eingeleitet ein Re-Staging stattzufinden. Im Fall
eines Markeranstiegs können im Rahmen von klinischen Studien andere Chemotherapien durchgeführt werden. Residuelle Tumoren sollten im Fall von Seminomen nur bei Grössenzunahme operativ entfernt werden, wobei hier, prognostisch wertvoll, ein Fluorodeoxyglucose-PET (FDG-PET) bei Residualtumoren von > 3 cm Grösse durchgeführt werden sollte. Im Falle von Nichtseminomen sollten Residualtumoren bei normalen Tumormarkern immer entfernt werden. Es zeigen sich in 10% der Fälle ein vitales Malignom, in 50% ein reifes Teratom und nur in 40% der Fälle eine Fibrose. Eine Hirnmetastasierung ist primär bereits ein schlechter prognostischer Faktor, welcher sich im Fall einer sekundären Filialisierung nochmals deutlich verschlechtert (Fünf-Jahres-Überleben 2–5%). Die seltenen Hodenstromatumoren (Leydig-Zell-, Sertoli-Zell- und GranulosaZell-Tumoren) sind meistens benigne. Die malignen Varianten sollten nach der Semikastration eine RLA erhalten.
Nachsorge Je nach Tumor und Behandlung nach der Semikastration sollten unterschiedliche Nachsorgeschemata (siehe Tabelle 4–6) angewendet werden. Im Fall einer Surveillance des Nicht-Seminoms Stadium I wird zusätzlich zum Schema (Tabelle 5) eine weitere abdominopelvine CT im ersten Jahr empfohlen. Sollte das Lungenröntgenbild Auffälligkeiten zeigen, muss eine Thorax-CT durchgeführt werden. Eine Schädel-CT ist nur bei entsprechender Klinik indiziert.
Merksätze
Hodentumoren
▲ Meist heilbare Tumoren bei striktem Diagnose-, Therapie- und Nachsorgeschema.
▲ Betreuung hat immer interdisziplinär zu erfolgen.
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Im Fokus: Urologische Tumoren
Peniskarzinome
Epidemiologie, Ätiologie Das Peniskarzinom stellt mit einer Inzidenz von 1 Erkrankung auf 100 000 Männer/Jahr in Europa nur 0,4 bis 0,6% aller malignen Tumoren beim Mann dar. In den Entwicklungsländern Afrikas und Lateinamerikas ist die Inzidenz wesentlich höher (bis zu 19/100 000). Hier kommt ätiologisch der schwer oder gar nicht retrahierbaren Phimose mit der daraus resultierenden Smegmaretention (oder entsprechenden Hygienevorstellungen) eine bedeutende Rolle zu. Die chronische Balanoposthitis und mangelnde Sexualhygiene gehen ätiologisch in die gleiche Richtung. Eine besondere Rolle scheinen Viren der HPV-Subtypen 16 und 18 zu spielen. Zu beachten ist, dass vor allem bei der penilen intraepithelialen Neoplasie (PIN), die eine obligate Präkanzerose (siehe Tabelle 7) darstellt, diese Viren gefunden werden. Eine HIVInfektion scheint dagegen keine Bedeutung bei der Entstehung des Peniskarzinoms zu haben. Histologisch handelt es sich beim Peniskarzinom meistens (> 95% der Fälle) um ein Plattenepithelkarzinom. Selten können auch mesenchymale Tumoren (Angiosarkom, Kaposisarkom u.ä.) auftreten. Sehr selten sind Tumormetastasen (aus Prostata, Rektum).
Tabelle 7:
Prämaligne Läsionen des Peniskarzinoms
Pseudokanzerosen Bowenoide Papulosis Condylomata Buschke-Löwenstein-Tumor Angiome, Fibrome, Myome
Fakultative Präkanzerosen Hyperkeratose mit Hornbildung Balanitis xerotica Chronisch-entzündliche Prozesse
Obligate Präkanzerosen Leukoplakie Erythroplasia Queyrat Morbus Bowen PIN
Tabelle 8:
TNM-Klassifikation des Peniskarzinoms
T – Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 Keine Evidenz für einen Primärtumor Tis Carcinoma in situ Ta Nicht invasives verruköses Karzinom T1 Tumor infiltriert subepitheliales Bindegewebe T2 Tumor infiltriert Corpus spongiosum oder cavernosum T3 Tumor infiltriert Urethra oder Prostata T4 Tumor infiltriert andere Nachbarstrukturen N – Regionäre Lymphknoten NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 Keine Evidenz für regionäre Lymphknotenmetastasen N1 Metastase in einem solitären inguinalen Lymphknoten N2 Metastasen in multiplen oder bilateralen oberflächlichen Lymphknoten N3 Metastase(n) in tiefen inguinalen oder Beckenlymphknoten M – Fernmetastasen MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden M0 Keine Evidenz für Fernmetastasen M1 Fernmetastasen vorhanden
Klassifikation und Diagnostik Eine TNM-Klassifikation wurde von der UICC, 6. Ausgabe, 2002 vorgegeben (siehe Tabelle 8). Prognostisch wichtig sind vor allem die Eindringtiefe (pT-Stadium), der Malignitätsgrad und die mikrovaskuläre Invasion (lymphatisch und venös) sowie besonders eine Lymphknotenmetastasierung. Die primäre klinische Diagnostik umfasst eine klinische Einschätzung des T-Stadiums sowie die Palpation der inguinalen Lymphknoten. Kann eine maligne Erkrankung nicht ausgeschlossen werden, hat eine Biopsie zu erfolgen. Diese kann in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Bildgebend kann die Infiltrationstiefe sonografisch oder mittels Magnetresonanztomografie relativ sicher bestimmt werden. Bei letzterer Methode wird im Zweifelsfall eine Untersuchung unter arti-
fizieller Erektion empfohlen. Eine Urethroskopie kann nur selten zusätzliche Informationen liefern. Der regionäre Lymphknotenstatus ist bildgebend bei nichtpalpablen Lymphknoten nur mit einer sehr geringen Spezifität zu erheben. Hier kann in Zukunft eventuell eine dynamische Lymphknotenbiopsie mittels radioaktiver Marker (Tc99-Kolloid) bessere Ergebnisse bringen.
Therapie Das primäre Therapieziel ist die sichere und dauerhafte Entfernung des Tumors. Dabei muss aber ein gutes funktionelles und kosmetisches Ergebnis angestrebt werden. Ein lokal begrenzter Tumor kann im Stadium pT1 oder pTis durch eine lokale Exzision mit entsprechendem Sicherheitsabstand in der Regel geheilt werden.
Hierbei sind intraoperative Schnellschnittuntersuchungen der Schnittränder obligat. Es wird üblicherweise ein Sicherheitsabstand von 10 mm empfohlen, wobei in letzter Zeit die Laserablation bei weniger eindeutig definiertem Sicherheitsabstand sehr niedrige Raten an Rezidiven bei deutlich verbesserten kosmetischen Resultaten erzielt. Eine Lymphadenektomie wird bei nichtpalpablen Lymphknoten nur bei sehr aggressivem Tumorgrading empfohlen. Bei einem fortgeschrittenen Peniskarzinom wird eine partielle oder totale Penektomie mit entsprechendem Sicherheitsabstand empfohlen. Eine Laserablation zeigt hier hohe Rezidivraten und sollte deshalb nur in sehr ausgewählten Fällen angewendet werden. Die inguinale Lymphadenektomie wird ab dem Stadium pT2 sofort oder postprimär (in-
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Tabelle 9:
Peniskarzinom-Nachsorge-Schema der EAU
Primärtumor Inquinalregion
Therapie
Konservative Therapie Teil- oder totale Penektomie Surveillance pN0
Intervall Jahr 1–2 2 Monate 4 Monate 2 Monate 4 Monate
pN+ Institutsspezifisch
Jahr 3 3 Monate 6 Monate 3 Monate 6 Monate
Institutsspezifisch
Jahr 4–5 6 Monate 12 Monate 6 Monate Nicht notwendig Institutsspezifisch
Untersuchungen Obligatorisch Klinik/Selbstuntersuchung/QoL Klinik/Selbstuntersuchung/QoL Klinik/Selbstuntersuchung/QoL Klinik/Selbstuntersuchung/QoL
Empfehlenswert Biopsie falls unklarer Status
Klinik/Selbstuntersuchung/QoL/ Knochenszintigrafie CT/Lungenröntgen
nerhalb von 6 Wochen nach der Entfernung des Primärtumors) empfohlen, da die Inzidenz okkulter positiver Lymphknotenmetastasen bei T2–4/G2–3-Tumoren 80% beträgt. Eine verzögerte Lymphadenektomie, sobald Lymphknoten palpabel werden, führt zu signifikant schlechteren Ergebnissen. Es werden verschiedene Ausdehnungen der Lymphadenektomie empfohlen; bei nichtpalpablen Lymphknoten kann eine eingeschränkte Lymphadenektomie medial der V. femoralis von der Einmündung der V. saphena magna bis zum Leistenband durchgeführt werden. Sollten sich hier zwei oder mehr positive Lymphknoten zeigen, muss eine radikale Lymphadenektomie mit gegebenenfalls auch beidseitiger pelviner Lymphadenektomie durchgeführt werden. Eine adjuvante Bestrahlung nach radikaler inguinaler Lymphadenektomie wird
im Moment zwar empfohlen, erhöht aber die bereits beträchtliche Komplikationsrate (30–60%, vor allem Infektionen, Hautnekrosen, Lymphorrhö und Lymphödeme der Beine) weiter. Die prophylaktische Bestrahlung nichtpalpabler Lymphknoten ist nicht sinnvoll. Patienten, die eine operative Versorgung ablehnen, können bei T1-2-Tumoren < 4 cm Grösse einer primären Radiotherapie zugeführt werden. Eine Chemotherapie sollte idealerweise sowohl im neoadjuvanten, adjuvanten wie auch im palliativen Setting im Rahmen klinischer Studien erfolgen. Die besten Ansprechraten zeigen Bleomycinund/oder Methotrexat-basierte Monooder Kombinationstherapien. Wegen des hohen und potenziell letalen Toxizitätsrisikos werden heute praktikable Cisplatin-haltige Kombinationen angewendet. Dr. med. Friedrich von Toggenburg (Korrespondenzadresse) Klinik für Urologie Kantonsspital St. Gallen Rorschacherstrasse 95 9007 St. Gallen E-Mail: friedrich.vontoggenburg@kssg.ch und Dr. med. Daniel Engeler Prof. Dr. med. Hans-Peter Schmid Klinik für Urologie Kantonsspital St. Gallen 9007 St. Gallen Quellen: Albers P et al.: Guidelines on Testicular Cancer. Eur Urol 2005; 48: 885–894. Souchon R et al.: Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Hodentumoren auf Grundlage evidenzbasierter Medizin. München 2002. Solsona E et al.: Guidelines on Penile Cancer. Eur Urol 2004; 46: 1–8. Stancik I et al.: Peniskarzinom. Leitlinien des Arbeitskreises für Urologische Onkologie der Österreichischen Gesellschaft für Urologie. 2008. Merksätze Peniskarzinome ▲ Meist heilbare Tumoren bei striktem Diagnose-, Therapie- und Nachsorgeschema. ▲ Betreuung hat immer interdisziplinär zu erfolgen. Nachsorge Infolge des schrittweisen Progresses des Peniskarzinoms kann unter engmaschiger Nachsorgekontrolle eine gute Überle- benswahrscheinlichkeit erreicht werden. Die meisten Rezidive treten innerhalb der ersten beiden Jahre auf. Spätrezidive sind nicht ausgeschlossen, aber sehr selten. Das Nachsorgeschema der Europäischen Urologengesellschaft (EAU) ist in Tabelle 9 zusammengefasst. ▲ 22 ONKOLOGIE 3/2009