Transkript
Neue Therapien
Fortgeschrittene Kopf-Hals-Tumoren (SCCHN)
Mit Anti-EGFR-Therapie gelingt ein Durchbruch
In der Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren im rezidivierten oder metastasierten Stadium, die bis anhin mit einer sehr schlechten Prognose verbunden waren, ist ein bedeutender Behandlungsfortschritt gelungen: Durch Zugabe des EGFR-Inhibitors Cetuximab (Erbitux®) zur platinbasierten Standardchemotherapie wurden ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben erreicht. Diese Studienresultate haben zur europaweiten Etablierung einer neuen Erstlinientherapie geführt. Kürzlich wurden zudem aktuelle Daten zur Epidemiologie dieser Tumoren veröffentlicht.
«Kopf-Hals-Tumoren sind medizinisch eine grosse Herausforderung», erklärte Prof. Hansjochen Wilke, Universitätskliniken Essen Mitte, «denn 60% der Betroffenen befinden sich bei Diagnosestellung bereits im lokal fortgeschrittenen Stadium, bei 40% ist der Tumor bereits metastasiert.» Daneben leiden viele Patienten unter chronischen Begleitkrankheiten. Ein Grund für die späte Diagnosestellung besteht darin, dass unspezifische Symptome wie Heiserkeit, Kau- und Schluckprobleme, Schwellungen im Kiefer-, Nasen- und Nackenbereich erst spät bemerkt werden. Besorgniserregend ist seit einigen Jahren die Zunahme der Kopf-Hals-Tumoren unter der jüngeren Bevölkerung, bei denen Infektionen mit dem humanen Papillomavirus nachweisbar sind, so Wilke. Die Plattenepithelkarzinome des Kopfes und Halses (SCCHN = squamous cell carcinoma of head and neck) betreffen zu 43% die Mundhöhle, zu 33% den Pharynx und zu 24% den Larynx. Fast alle KopfHals-Tumoren exprimieren den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR). Diese Expression ist grundsätzlich ein Hinweis für eine schlechte Prognose.
Überlebensdauer unter Chemotherapien unverändert
Etwa die Hälfte der Patienten lebt fünf Jahre nach der Diagnose nicht mehr, erklärte Prof. Jean Louis Lefèbvre, Nothern
France Cancer Center, Lille. Zahlreiche gravierende Risikofaktoren der SCCHNPatienten, insbesondere der übermässige Alkohol- und Zigarettenkonsum über Jahrzehnte, tragen bei zwei Dritteln der Patienten zu den hohen Komplikations-, Nebenwirkungs- und Rückfallraten bei. Die Behandlung der SCCHN erfordert ein multidisziplinäres Team. An erster Stelle steht dabei die chirurgische organerhaltende Behandlung. Zweiter Therapiepfeiler bildet die Radio-(chemo-)Therapie, insbesondere die Entwicklung der intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT), welche weniger gesundes Gewebe zerstört als traditionelle Strahlentherapien. Für fortgeschrittene Stadien stellt die Chemotherapie und seit Kurzem zusätzlich die zielgerichtete Therapie den dritten Pfeiler dar. Von den zielgerichteten Therapien ist einzig die Anti-EGFR-Therapie mit Cetuximab bei SCCHN zugelassen. Die bisherige Erstlinienchemotherapie, Mitte der Neunzigerjahre als Kombination aus Cisplatin (oder Carboplatin) plus 5-FU eingeführt, kann zwar die Ansprechraten (ORR), nicht aber das Gesamtüberleben (medianes OS) verlängern. Auch der Einsatz von Paclitaxel (kombiniert mit Carboplatin) ab 2005 hat das Gesamtüberleben nicht verlängern können, resümierte Lefèbvre. Im rezidivierten oder metastasierten Krankheitsstadium lebten die Patienten durchschnittlich noch sechs bis neun Monate.
EXTREME-Studie: erstmals signifikant verlängertes Leben
Mit der kürzlich publizierten EXTREMEStudie (= ErbituX in 1er-line Treatment of REcurrent or MEtastatic head and neck cancer) (1), welche die Zugabe von Cetuximab zur platinbasierten Standardchemotherapie im randomisierten Vergleich zur alleinigen Chemotherapie untersuchte, konnte zum ersten Mal seit 30 Jahren ein Überlebensvorteil nachgewiesen werden. Studienleiter Prof. Jan B. Vermorken, Chefarzt Onkologie der Universitätsklinik Antwerpen, sprach von einem Meilenstein in der Therapieentwicklung bei den schwierig zu behandelnden Kopf-Hals-Tumoren. An der randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie nahmen 442 Patienten mit rezidivierten oder metastasierten SCCHN teil. Gruppe A erhielt eine platinbasierte Chemotherapie (Cisplatin oder Carboplatin, 5-FU alle 3 Wochen für maximal 6 Zyklen) plus Cetuximab und bei Krankheitsstabilisierung anschliessend Cetuximab allein als Erhaltungstherapie bis zur Krankheitsprogression oder inakzeptabler Toxizität. Gruppe B erhielt die Chemotherapie allein. In der Studiengruppe A zeigte sich gegenüber der Kontrollgruppe B: ▲ eine signifikante Verlängerung des
medianen Gesamtüberlebens um drei Monate: 10,1 versus 7,4 Monate (p = 0,04) mit Reduktion des Mortalitätsrisikos um 20% (HR 0,80) ▲ eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von 3,3 auf 5,6 Monate (p < 0,001), gleichbedeutend mit einer Verlängerung des PFS um 70% ▲ eine signifikante Erhöhung der Ansprechrate um 80% von 20 auf 36% (p > 0,001). Die Nebenwirkungen unterschieden sich in beiden Kollektiven nicht wesentlich, in der Cetuximab-Gruppe kamen lediglich Hautreaktionen deutlich häufiger vor. Bemerkenswert war eine Subgruppenanaly-
36 ONKOLOGIE 2/2009
Neue Therapien
se der Parameter Lebensqualität und globaler Gesundheitsstatus. Hier zeigte sich die Cetuximab-Gruppe vorteilhaft, denn noch sechs Monate nach Therapiebeginn registrierten die Patienten weniger Schmerz, konnten besser sprechen, schlucken und waren weniger beeinträchtigt beim Essen als diejenigen in der Kontrollgruppe. Diese Parameter sind wichtige Therapiekriterien. In der Chemotherapiegruppe konnte nach sechs Monaten nur noch zirka ein Viertel der Patienten den anfänglichen Fragebogen ausfüllen (20 von 94), in der CetuximabGruppe war es immerhin noch fast die Hälfte (45 von 109). Die Studie führte zur Zulassung von Cetuximab in Kombination mit platinbasierter Standardchemotherapie für die Erstlinientherapie bei SCCHN durch die europäische Arzneimittelbehörde EMEA. Für diese Indikation ist Cetuximab in der Schweiz noch nicht zugelassen. Für die Indikation lokal fortgeschrittene (nicht metastasierte) Kopf-Hals-Tumoren in Kombination mit Strahlentherapie ist Cetuximab aufgrund der Studie von Bonner (2) bereits seit 2006 zugelassen.
Schlüssel für neue
Therapiestrategien
»Die Resultate der EXTREME-Studie un-
ter der Zugabe von Cetuximab zur Stan-
dardchemotherapie bedeuten den Be-
ginn einer neuen Story in der Therapie
fortgeschrittener und metastasierter Kopf-
Hals-Tumoren», schlussfolgerte Vermor-
ken. In der Forschung befinden sich wei-
tere Ansätze mit verschiedenartigen
zielgerichteten Therapien, darunter
VEGF-Hemmer, dem Integrininhibitor
Cilengitide, Tyrosinkinasehemmer, p53-
Gentherapie sowie einer solchen Kombi-
nation mit Cetuximab. «Wir haben aber
noch einen sehr langen Weg vor uns!»,
betonte Vermorken.
▲
Bärbel Hirrle
Kasten 1:
Kopf-Hals-Tumoren: kaum im Bewusstsein der Öffentlichkeit
Wieviel weiss «man/frau» über Kopf-Hals-Tumoren?
Mit der repräsentativen Erhebung «About Face» wollte die European Head and Neck Society in 7 europäischen Ländern das Bewusstsein und den Kenntnisstand der Öffentlichkeit über diese häufige Tumorentität in Erfahrung bringen. 7520 Männer und Frauen aus Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden und Grossbritannien wurden dazu befragt. Die vorläufigen Ergebnisse waren alarmierend, zeigten sie doch, dass zwei Drittel der Befragten niemals von diesen Tumoren gehört hatten und somit auch nichts über Häufigkeit, Risikofaktoren, Symptome und Therapiemöglichkeiten wussten. Am häufigsten fand eine Information über die Medien statt. Der Bedarf einer Plattform für Betroffene und Angehörige zum Austausch von Informationen und zur Verbesserung des Wissensstandes wurde für notwendig befunden. Die Studie ist Ende Februar 2009 während der International Conference on Innovative Approaches in Head and Neck Oncology in Barcelona dem Fachpublikum vorgestellt worden. Weitere Informationen sind auf der Website www.ehns.org zu finden.
Kasten 2:
Aktuelle Zahlen zur Epidemiologie
Im Rahmen der «About Face»-Umfrage wurden epidemiologische Daten zu SCCHN aus Studien und statistischen Auswertungen erhoben.
Wussten Sie, dass ... ▲ die Kopf-Hals-Tumoren weltweit an 6. Stelle stehen ▲ weltweit jährlich eine halbe Millionen Menschen daran erkranken ▲ allein in Europa pro Jahr rund 143 000 Neuerkrankungen auftreten ▲ in Europa jedes Jahr rund 6800 Menschen an diesen Tumoren sterben ▲ 90% der Kopf-Hals-Tumoren Plattenepithelkarzinome (SCCHN) sind ▲ fast alle Tumoren den Wachstumsfaktor EGFR exprimieren (grundsätzlich schlechte Prognose) ▲ der Grossteil der Patienten sich bei Diagnose im fortgeschrittenen Stadium befindet ▲ die Tumoren bei mindestens 75% der Patienten auf die Hauptrisikofaktoren Rauchen und Alkohol-
konsum zurückzuführen sind ▲ Männer 2- bis 3-mal häufiger erkranken als Frauen ▲ Frauen bezüglich Inzidenz aktuell «stark aufholen» ▲ die Tumoren bei jüngeren Patienten immer mehr zunehmen und aggressiv verlaufen ▲ HPV-Infektionen bei 25% der SCCHN nachweisbar sind (Risiko Oralsex) ▲ SCCHN bei jüngeren Menschen v.a. auf sexuell übertragene HPV-Infektion, Rauchen und Alkohol-
konsum zurückgeführt werden?
Quelle:
Head & Neck cancer: the hidden threat. Medienveranstaltung organisiert von Merck Serono Oncology, Antwerp University Hospital in Edegem/ Belgien, 23. Januar 2009.
Referenzen:
1. Vermorken, JB et al.: Platinum-based chemotherapy plus cetuximab in head and neck cancer. NEJM 2008; 359: 1116–27.
2. Bonner, JA et al.: Radiotherapy plus cetuximab for squamous-cell carcinoma of head and neck. NEJM 2006; 354: 567–579.
ONKOLOGIE 2/2009
37
Goserelin Goserelin
Der moderne Klassiker
In der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms
Spritze vor Applikation
Spritze nach Applikation Zoladex® SafeSystem Z: Goserelinum; Fertigspritze à 3,6 mg mit Sicherheitssystem; Liste A. I: fortgeschrittenes, hormonabhängiges Prostatakarzinom; adjuvante Hormontherapie beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom (Stadium T3–4) kombiniert mit Strahlentherapie; Endometriose; Uterusmyom; endometriale Ablatio; adjuvante Therapie des Mammakarzinoms und Therapie des metastasierenden Mammakarzinoms bei prä- und perimenopausalen Patientinnen; assistierte Reproduktionsmedizin. D: Injektion s.c. 3,6 mg alle 28 Tage. KI: Überempfindlichkeit auf LHRH oder LHRH-Analoga; nicht abgeklärte Vaginalblutungen; Schwangerschaft und Stillzeit. V: Ureterobstruktion; Rückenmarkskompression; sehr selten Hypophysenapoplexie meist im Zusammenhang mit diagnostiziertem Hypophysenadenom; Therapiezyklen länger als 6 Monate bei Endometriose; ovarielle Hyperstimulation; polyzystisches Ovarsyndrom; nicht bei Kindern anwenden. IA: keine klinisch relevanten bekannt. UEW: Hitzewallungen, Potenzverminderung, Libidoveränderung,Veränderung der Brustgrösse, Kopfschmerzen, nicht-spezifische Parästhesien, Stimmungsveränderungen, Scheidentrockenheit, Amenorrhoe, Reduktion der Knochenmineralisation, sehr selten Hypophysenapoplexie. Zoladex® LA SafeSystem Z: Goserelinum; Fertigspritze à 10,8 mg mit Sicherheitssystem; Liste A. I: fortgeschrittenes, hormonabhängiges Prostatakarzinom; adjuvante Hormontherapie beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom (Stadium T3–4) kombiniert mit Strahlentherapie; Endometriose; Uterusmyom. D: Injektion s.c. 10,8 mg alle 12 Wochen in der Gynäkologie, 10,8 mg alle 3 Monate in der Urologie. KI: siehe Zoladex®, hormonunabhängiges Prostatakarzinom. IA: siehe Zoladex®. V: siehe Zoladex®. UEW: siehe Zoladex®. Weitere Informationen: Arzneimittel-Kompendium der Schweiz oder AstraZeneca AG, 6301 Zug. www.astrazeneca.ch
ZOLU_11_d_R_05/07