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Kongressbericht
50. Jahrestreffen der American Society of Hematology (ASH), San Francisco, 6. bis 9. Dezember 2008
Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
Erfolgreiche Phase-lll-Studien und vielversprechende neue Substanzen
In der Erstlinientherapie wie in der Rezidivbehandlung der CLL ist die Immunchemotherapie mit Rituximab, Fludarabin und Cyclophosphamid der alleinigen Chemotherapie mit Fludarabin und Cyclophosphamid (bzgl. Ansprechrate, Qualität des Ansprechens und Ansprechdauer) überlegen. Mit Ofatumumab, Fostamatinib und Flavopiridol zeigten neue Substanzen ein überraschend gutes Ansprechen bei fortgeschrittener CLL.
Nachdem in den Vorjahren vorwiegend neue biologische Erkenntnisse und Prognosemarker der CLL präsentiert wurden, standen beim ASH-Jahreskongress 2008 Therapiestudien im Mittelpunkt des Interesses.
Phase-III-Studien: Immunchemotherapie verlängert signifikant das PFS
Die Kombination von Fludarabin und Cyclophosphamid (FC) galt bisher als Standardtherapie in der Erstbehandlung der CLL bei jüngeren Patienten ohne Ko-
morbidität. In einer bereits publizierten Phase-ll-Studie schien es, dass die Gabe von Rituximab (Mabthera®) zusätzlich zu Fludarabin und Cyclophosphamid (FCR) die Ansprechrate und das progressionsfreie Überleben deutlich verbessern kann (1). In der am ASH-Meeting 2008 vorgestellten CLL-8-Studie der Deutschen CLLStudiengruppe (DCLLSG) wurde die bisherige Standardtherapie FC erstmals direkt mit der Immunchemotherapie FCR verglichen (2). 817 unbehandelte CLL-Patienten mit Therapiebedarf, aber ohne
relevante Komorbidität, wurden für die bisherige Standardbehandlung FC oder die experimentelle Immunchemotherapie FCR randomisiert. Beide Therapien wurden gut toleriert und konnten bei der Mehrzahl der Patienten planmässig durchgeführt werden. Dosisreduktionen waren jedoch bei 37% notwendig (FC 27%, FCR 47%). Die häufigste therapiebedingte WHO-Grad-3/4Nebenwirkung war eine Hämatotoxizität, insbesondere Neutropenie. Letztere waren unter FCR häufiger (34%) als unter FC (21%). Der Unterschied bei Infektionen im WHO-Grad-3/4 war jedoch statistisch nicht signifikant (FCR 19% vs. FC 15%). Die Behandlung mit FCR war bezüglich Ansprechrate und des Anteils kompletter Remissionen der FC-Therapie signifikant überlegen. Bereits bei der ersten Studienauswertung nach 25,5 Monaten wurde zudem eine signifikante Verlängerung des progressionsfreies Überlebens (PFS) beobachtet (= primärer Studienend-
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doch für viele jüngere Patienten ohne relevante Komorbidität ein starkes Argument, diese Behandlung als Ersttherapie zu wählen. Bei einer späteren Krankheitsprogression, oftmals erst nach mehreren Jahren, werden möglicherweise neue wirksame Therapien zur Behandlung der CLL zur Verfügung stehen.
Phase-II-Studien mit neuen Medikamenten
Am ASH-Meeting 2008 wurden mehrere Studien mit neuen Substanzen vorgestellt, welche in den nächsten Jahren diese Behandlungsmöglichkeiten bei der CLL eventuell ergänzen werden.
Ofatumumab
FCR: Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab FC: Fludarabin, Cyclophosphamid
Ofatumumab (früher bekannt als HuMaxCD20) ist ein vollständig humanisierter monoklonaler Antikörper. Er bindet an
einer anderen Bindungsstelle des CD20-
punkt) . Die Patienten mit FC-Therapie gnifikanten Verlängerung des PFS von Antigens auf der Oberfläche von B-Lym-
erreichten ein medianes PFS von 32,3 median 20,6 Monaten mit FC auf 30,6 phozyten und bewirkt in vitro eine aus-
Monaten, während die Patienten mit FCR Monate mit FCR (p < 0,001). geprägtere komplementvermittelte Zyto- median 42,8 Monate progressionsfrei toxizität als Rituximab. verblieben (p < 0,001) (Abbildung). Bedeutung der Studienresultate In einer Phase-II-Studie wurde Ofatumu- Eine Auswertung der mittels quantitati- Die Kombinationstherapie FCR wird auf- mab bei stark vorbehandelten Patienten ver Flowzytometrie gemessenen mini- grund der oben genannten Studien mit fortgeschrittener CLL untersucht (5). malen Resterkrankung (MRD) bei der demnächst als Ersttherapie in der Diese Patienten zeigten entweder kein CLL-8-Studie zeigte, dass die Qualität Schweiz und auch in der Rezidivtherapie Ansprechen sowohl auf eine Fludarabin- des Ansprechens ein relevanter prognos- (nur in der EU, zunächst nicht in der haltige Therapie wie auch auf Alemtuzu- tischer Marker für die Dauer des PFS ist. Schweiz) zugelassen. Ob FCR bereits als mab (double refractory = DR) oder kein Bei einer MRD von < 10-4, zwei Monate Ersttherapie oder erst im Rezidiv einge- Ansprechen auf eine Fludarabin-haltige nach Therapieabschluss, zeigen rund setzt werden soll, bleibt derzeit offen, da Therapie bei ausgeprägter Lymphadeno- 75% der Patienten nach dreijähriger Be- bei der frühen Auswertung beider Studi- pathie, wenn ein Ansprechen auf Alemtu- obachtungsdauer keine Krankheitspro- en keine Verlängerung des Gesamtüber- zumab nicht zu erwarten ist (bulky fluda- gression. Bei einer MRD > 10-2 betrug lebens nachgewiesen werden konnte. rabine refractory = BFR). Für diese pro-
das mediane PFS nur 16 Monate. Es Schon die Verlängerung des PFS ist je- gnostisch sehr ungünstigen Patienten-
scheint egal zu sein, ob ein bestimmtes
MRD-Niveau mit FC- oder FCR-Therapie
erreicht wird. Patienten mit FCR erreichten jedoch signifikant häufiger eine niedrige MRD (3). In der als «late breaking abstract» vorge-
Tabelle:
Ofatumumab (HuMax-CD20) als Therapie der CLL refraktär auf Fludarabin und Alemtuzumab (DF) oder refraktär auf Fludarabin mit Bulk (BFR)
stellten REACH-Studie wurde bei 552 we-
DR (n = 59)
BFR (n = 79)
nig vorbehandelten CLL-Patienten (meist Anzahl Vorbehandlungen
5 (1–14)
4 (1–16)
mit Chlorambucil) eine Therapie mit FC Binet Stadium C
51% 65%
und FCR verglichen (4). Auch in dieser Pa- Bulk > 5 cm
93% 100%
tientengruppe verbesserte die Zugabe Vortherapie mit Rituximab
59%
54%
von Rituximab die Ansprechrate (ORR mit Ansprechrate (ORR)
51% 44%
FCR 70%, mit FC 58%; p = 0,003). Der Un- Partielle Remissionen (PR)
51%
43%
terschied bei der Ansprechrate war auch Stabile Erkrankung (SD)
39%
43%
hier durch die höhere Anzahl kompletter Progression (PD)
3% 10%
Remissionen bedingt (CR mit FCR 24%, Therapiefreies Überleben
9,0 Monate
7,9 Monate
mit FC 13%; p < 0,001). Die bessere Qua- Gesamtüberleben 13,7 Monate 15,4 Monate lität des Ansprechens führte zu einer si- 26 ONKOLOGIE 2/2009 Kongressbericht 50. Jahrestreffen der American Society of Hematology (ASH), San Francisco, 6. bis 9. Dezember 2008 gruppen existiert derzeit keine wirksame Standardbehandlung. Ofatumumab wurde achtmal im wöchentlichen Abstand und anschliessend viermal im monatlichen Abstand intravenös verabreicht. Die häufigste Nebenwirkung waren infusionsbedingte Reaktionen und Infektionen (Schweregrad WHO 3/4 bei rund 25%). In beiden Gruppen sah man bei rund der Hälfte der Patienten ein Ansprechen, mehrheitlich eine partielle Remission, daneben oft eine stabile Erkrankung. Die Gesamtüberlebenszeit dieser Patienten mit fortgeschrittener prognostisch ungünstiger CLL lag bei knapp 15 Monaten (Tabelle). Flavopiridol Flavopiridol ist ein zyklinabhängiger Kinaseinhibitor, welcher eine p53-unabhängige Apoptose der CLL-Zellen in vitro verursacht. Frühere Studien mit unterschiedlicher Verabreichungsart zeigten kein ausreichendes Ansprechen. Aufgrund pharmakokinetischer Vorstudien wurde ein neues Therapieschema entwickelt. Eine 30-minütige Bolusinfusion, gefolgt von einer kontinuierlichen vierstündigen Infusion an vier aufeinanderfolgenden Tagen alle sechs Wochen, führt zu wirksamen Serumkonzentrationen des Medikaments bei CLL-Patienten. In der am ASH-Meeting 2008 vorgestellten Phase-II-Studie erreichte von 117 Patienten mit Rezidiv einer CLL (116 nach Purinanaloga-haltiger Therapie, 85 refraktär auf Purinanaloga) rund die Hälfte ein Ansprechen. Das Ansprechen war dabei unabhängig von ungünstigen Prognosemarkern wie ausgeprägte Lymphoadenopathie, Deletion 17p, Deletion 11q sowie komplexe zytogenetische Anomalie (6). Fostamatinib Eine Signalübermittlung über den B-ZellRezeptor (BCR) ist notwendig für das Überleben von normalen und malignen B-Zellen. SYK (= splenic tyrosine kinase) ist ein wesentlicher Verstärker des über BCR vermittelten Signals. Fostamatinib ist ein oraler SYK-Inhibitor. Er wurde im Rahmen einer frühen Phase-ll-Studie an 68 Patienten mit unterschiedlichen rezidivierten oder refraktären lymphoiden Neoplasien untersucht. Von den 11 Patienten mit CLL erreichten 54% eine partielle Remission (7). Bewertung und Ausblick Von den neuen Substanzen zur Behand- lung der CLL ist die klinische Entwicklung von Ofatumumab am meisten fortge- schritten. Die Ansprechrate von Ofatu- mumab als Monotherapie bei Patienten mit fortgeschrittener refraktärer CLL ist beeindruckend. Eine Zulassung in der EU bei refraktärer CLL wird aufgrund der am ASH-Meeting vorgestellten Daten dem- nächst beantragt. Sowohl Flavopiridol als auch Fostamati- nib erscheinen wegen des innovativen molekularen Therapieansatzes beson- ders vielversprechend. Flavopiridol zeigt eine gute Ansprechrate bei CLL-Patien- ten mit fortgeschrittener Erkrankung. Das Ansprechen scheint dabei unabhängig von prognostischen Markern, welche bei konventionellen Therapien mit schlechter Prognose assoziiert sind. Fostamatinib ist in einer wesentlich früheren Phase der kli- nischen Entwicklung. Für diese Substanz braucht es weitere grössere Phase-II-Stu- dien in einem homogeneren Patienten- kollektiv mit CLL. Bei allen vorgestellten neuen Substanzen bietet sich auch eine Kombinationsbehandlung mit konventio- neller Chemotherapie oder Antikörper- therapie an. ▲ Dr. med. Michael Gregor Oberarzt Hämatologische Abteilung Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16 E-Mail: michael.gregor@ksl.ch Interessenkonflikte: Der Artikel wurde firmenunabhängig vom Autor verfasst. Referenzen: 1. Tam CS, et al.: Long-term results of the fludarabine, cyclophosphamide, and rituximab regimen as initial therapy of chronic lymphocytic leukemia. Blood 2008; 112: 975–980. 2. Hallek M, et al.: Immunochemotherapy with fludarabine (F), cyclophosphamide (C), and rituximab (R) (FCR) versus fludarabine and cyclophosphamide (FC) improves response rates and progression-free survival (PFS) of previously untreated patients (pts) with advanced chronic lymphocytic leukemia (CLL). Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2008; 112: Abstract 325. 3. Boettcher S, et al.: Quantitative MRD assessments predict progression free survival in CLL patients treated with fludarabine and cyclophosphamide with or without rituximab – a prospective analysis in 471 patients from the randomized GCLLSG CLL8 Trial. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2008; 112: Abstract 326. 4. Robak T, et al.: Rituximab, fludarabine, and cyclophosphamide (R-FC) prolongs progression free survival in relapsed or refractory chronic lymphocytic leukemia (CLL) compared with FC alone: final results from the international randomized phase III REACH trial. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2008; 112: lba-1. 5. Osterborg A, et al.: Ofatumumab (HuMaxCD20), a novel CD20 monoclonal antibody, is an active treatment for patients with CLL refractory to both fludarabine and alemtuzumab or bulky fludarabine-refractory disease: Results from the planned interim analysis of an international pivotal trial. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2008; 112: Abstract 328. 6. Lin TS, et al.: Flavopiridol (Alvocidib) Induces Durable Responses in Relapsed Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL) Patients with High-Risk Cytogenetic Abnormalities. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2008; 112: 46. 7. Friedberg JW, et al.: Fostamatinib disodium (FosD), an oral inhibitor of Syk, is well-tolerated and has significant clinical activity in diffuse large B cell lymphoma (DLBCL) and chronic lymphocytic leukemia (SLL/CLL). Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2008; 112: 3. ONKOLOGIE 2/2009 27