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Im Fokus: Systemische Therapien bei gastrointestinalen Tumoren
Magen- und gastroösophageales Übergangskarzinom
Diagnostik und Therapieoptionen des frühen bis metastasierten Tumorstadiums
Die Adenokarzinome am Übergang vom Magen zum Ösophagus unterscheiden sich biologisch klar von den Magenkarzinomen. In diesem Beitrag stellen wir die beiden Tumorentitäten einander bezüglich Pathogenese, Diagnostik und Therapie gegenüber.
ROMAN INAUEN, THOMAS RUHSTALLER
Roman Inauen Thomas Ruhstaller
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Das Magenkarzinom ist eine klar definierte Tumorgruppe, hingegen ist die Klassifizierung der gastroösophagealen Übergangskarzinome nicht einheitlich. Teilweise werden sie zu den Ösophagus-, teilweise zu den Magenkarzinomen hinzugerechnet. Es handelt sich um Adenokarzinome des distalen Ösophagus, die meist aus einem Barrett-Ösophagus entstanden sind, sowie um Übergangskarzinome aus dem Magen mit Infiltration des Ösophagus. In diesem Artikel verwenden wir zur besseren Übersicht den Terminus Übergangskarzinome für beide Typen. Diese unterscheiden sich klar von den Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus hinsichtlich der Genese, des Ausbreitungsmusters und des Verlaufs; ebenfalls unterscheiden sie sich biologisch von den Adenokarzinomen des Magens. Je nach Studiengruppe wurden sie bisher entweder zusammen mit den Ösophagus- oder mit den Magenkarzinomen untersucht. Durch die starke Zunahme ihrer Inzidenz in der westlichen Welt (vgl. Artikel hierzu, Seite 6 bis 7) kann diese Tumorgruppe innerhalb von Studien zunehmend auch isoliert betrachtet und untersucht werden.
Beim Magenkarzinom ist die zusätzliche Einteilung nach Lauren (Tabelle 3) für die Prognose und auch Operationsplanung (Festlegung der Sicherheitsabstände) hilfreich. Bei den gastroösophagealen Übergangskarzinomen Siewert I ist speziell der Befall des zöliakalen Lymphknotens (Stadium M1a) zu erwähnen, der formal einer Fernmetastasierung entspricht, sich aber prognostisch deutlich günstiger verhält.
Diagnostik
Wegen des Fehlens von Frühsymptomen liegt leider bei zwei Drittel der Patienten mit Magenkarzinom zum Zeitpunkt der Diagnosestellung entweder ein lokal fortgeschrittenes (> T3 und/oder N+) oder ein bereits metastasiertes Tumorstadium vor. Bei den gastroösophagealen Übergangskarzinomen ist das Leitsymptom die Dysphagie, aber auch hier liegt bei Diagnosestellung meist schon ein lokal fortgeschrittenes Stadium vor.
Pathologie und Stadieneinteilung
Um einen adäquaten Therapieplan erstellen zu können, ist die Kenntnis des TNM-Tumorstadiums (Tabelle 1) und der Histologie unabdingbar. Auch hier widerspiegeln sich die gegenwärtigen Unsicherheiten bezüglich der gastroösophagealen Übergangskarzinome. Klinisch wird häufig die Siewert-Klassifikation benutzt (Tabelle 2, Abbildung). Bei Lokalisation im distalen Ösophagus (Siewert I) werden sie häufig analog den Ösophaguskarzinomen, sobald die Haupttumorlast in der Kardia liegt (Siewert II und III) entsprechend den Magenkarzinomen beurteilt.
Abbildung: Schematische Einteilung der gastroösophagealen Übergangskarzinome nach Siewert.
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Tabelle 1:
TNM-Klassifikation der Ösophagus- und Magenkarzinome
TNM Ösophagus
Magen
T0 kein Anhaltspunkt für Primärtumor
Tis Intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria
T1 Tumor infiltriert L. propria oder Submukosa
T2 Tumor infiltriert
Tumor infiltriert M. propria
Muscularis propria
(T2a) oder Subserosa (T2b)
T3 Tumor infiltriert
Tumor penetriert Serosa
Adventitia
(viszerales Peritoneum)
T4 Tumor infiltriert benachbarte Strukturen
N0 keine regionären LK-Metastasen
N1 regionäre Lk-Metastasen
1–6 LK-Metastasen
N2 –
7–15 LK-Metastasen
N3 –
mehr als 15 LK-Metastasen
M0 keine Fernmetastasen
M1 M1a: Metastase im zervikalen LK
Fernmetastasen
beim proximalen Karzinom oder Metastase
im zöliakalen LK beim distalen Karzinom
M1b: Fernmetastasen
Tabelle 2:
Einteilung der gastroösophagealen Übergangskarzinome nach Siewert
Typ I Typ II
Typ III
Tumorzentrum 5–1 cm oral der anatomischen Kardia, im Bereich des distalen Ösophagus, typischerweise Adenokarzinom mit intestinaler Differenzierung Tumorzentrum zwischen 1 cm oral und 2 cm aboral; sogenanntes echtes Kardiakarzinom im Bereich des anatomischen gastroösophagealen Übergangs (Beginn der Magenfalten), häufig histologisch einem Barrett-Karzinom entsprechend Tumorzentrum 2–5 cm aboral der Übergangszone, Infiltration der Übergangszone von aboral, in der Regel ein diffus infiltrierendes Karzinom (nach Lauren)
Tabelle 3:
Einteilung nach Lauren (1965)
Intestinaler Typ Diffuser Typ Mischtyp
polypöses Wachstum, gut abgrenzbar, günstigere Prognose infiltratives Wachstum, schlecht abgrenzbar, ungünstige Prognose Bewertung ähnlich Karzinom vom diffusen Typ
Das Ziel der prätherapeutischen Abklärungen besteht im Erkennen von Patienten, welche von einer Operation, allenfalls in Kombination mit einer Chemo-/ Radiotherapie in kurativer Absicht, profitieren können. Neben der üblichen Diagnostik (Labor inkl. CEA, CA 19-9 und CT Thorax/Abdomen) sollte eine Endosonografie durchgeführt werden. Mit dieser Untersuchung kann das T-Stadium am genausten beurteilt werden. Eine diagnostische Laparoskopie mit peritonealer Lavage sollte ebenfalls bei allen Pa-
tienten erfolgen, die für eine Resektion infrage kommen. Durch die Laparoskopie kann eine sonst schwierig zu diagnostizierende Peritonealkarzinose weitgehend ausgeschlossen werden. Das PET-CT hat beim Magenkarzinom keinen gesicherten Stellenwert. Bei den Übergangskarzinomen hingegen können oft weiter entfernte Lymphknotenmetastasen detektiert werden, insbesondere der zytologisch schwierig zu erreichende, zöliakale Lymphknoten.
Therapieoptionen
Grundsätzlich kommen folgende Optionen therapeutisch infrage: ▲ eine alleinige Operation ▲ ein multimodaler Therapieansatz
(Operation zusammen mit Chemound/oder Radiotherapie) ▲ rein palliative Massnahmen mit Chemo- und Radiotherapie in Abhängigkeit des Tumorstadiums.
Lokal begrenztes Tumorstadium (T1/2, N0) Bei diesen seltenen, meist als Zufallsbefund entdeckten Stadien ist sowohl beim Magen- wie auch beim Übergangskarzinom ein chirurgisches Vorgehen die Therapie der Wahl. Das optimale Ausmass der Lymphadenektomie wurde vor allem bei den Magenkarzinomen untersucht und wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Während japanische Chirurgen in der Regel eine erweiterte Lymphknotenresektion (D2) bevorzugen (En-bloc-Resektion von Lymphknoten entlang der Aa. splenica, hepatica communis und gastrica sinistra, dazu Splenektomie und Pankreasteilresektion), entfernen vor allem amerikanische Chirurgen standardmässig lediglich die perigastralen Lymphknoten (D1). Bisherige Studien konnten keinen eindeutigen Vorteil für die erweiterte Lymphadenektomie zeigen (1), weshalb weiterhin beide Modalitäten zur Anwendung kommen. Die erhöhte Morbidität der D2-Resektion ist vor allem durch die Splenektomie und Pankreasteilresektion bedingt, neuerdings wird deshalb meist eine D2-Resektion ohne Organresektionen durchgeführt. Es scheint, dass Patienten mit einem höheren Rezidivrisiko allenfalls von einer D2-Resektion profitieren könnten. Dies hängt aber stark von der Erfahrung des betreffenden Zentrums hinsichtlich Durchführung von D2-Lymphadenektomien ab.
Lokal fortgeschrittenes Tumorstadium (> T3, N+) Die Operation ist auch bei lokal fortgeschrittenen Tumoren der «cornerstone» jeder Therapie, sowohl beim Magenkarzinom als auch beim Übergangskarzinom. Aber die Überlebenszahlen sinken in entsprechenden Studien auf unter 50%, insbesondere beim Vorliegen von Lymphknotenmetastasen. Deshalb wird
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seit Jahren versucht, mit zusätzlicher Chemo- und/oder Strahlentherapie diese Resultate zu verbessern, sofern der Allgemeinzustand, die Komorbiditäten und das Alter des Patienten ein multimodales Therapiekonzept zulassen.
Magenkarzinome Bei den Magenkarzinomen wurde in Europa vor allem die zusätzliche Chemotherapie untersucht. Die wichtigste und grösste Studie kommt aus England. Im Rahmen dieser Studie von Cunningham wurde bei 500 Patienten mit Stadium II–IV (M0) eine perioperative Chemotherapie mit 3 prä- und 3 postoperativen Zyklen mit Epirubicin, Cisplatin und 5-Fluorouracil, das sogenannte ECF-Regime, versus eine alleinige Operation mit systematischer Lymphknotendissektion verglichen (2). Durch die perioperative Chemotherapie konnte die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich verbessert werden. Nach fünf Jahren lebten noch 36%, währenddies nach einer alleinigen Operation nur bei 23% der Patienten der Fall war. Die Befürchtung von vermehrten postoperativen Komplikationen durch die neoadjuvante Chemotherapie liess sich nicht bestätigen. Aus verschiedenen Gründen (Tumorprogression, Patientenwunsch, postoperative Komplikationen) begannen nur 66% der Patienten die postoperative Chemotherapie, und lediglich 42% komplettierten die Therapie mit den vorgesehenen 6 Zyklen. Generell wird die Studie so interpretiert, dass vor allem der neoadjuvante Anteil für den Effekt verantwortlich war und die postoperative Chemotherapie nach dieser Operation oft nicht möglich ist. Neuere Studienkonzepte konzentrieren sich nun auf eine alleinige präoperative Chemotherapie. Mit Capecitabin, einem oralen 5-FU-Analogon, kann die dreiwöchige, kontinuierliche i.v.-Gabe des 5-FU über eine Pumpe im ECF-Regime umgangen werden. Allerdings ist Capecitabin in dieser Indikation in der Schweiz nicht zugelassen und benötigt deshalb vor dem Einsatz eine Kostengutsprache (3). Im Gegensatz dazu wurde in den USA der Einsatz einer postoperativen Radiochemotherapie untersucht. Die von der Southwest Oncology Group durchgeführte Studie von Macdonald schloss 556 Patienten mit operiertem Adenokarzi-
nom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs mit Stadium IB– IVM0 ein (4). Die Patienten wurden in einen Therapiearm mit insgesamt 5 Zyklen Chemotherapie mit 5-Fluorouracil und Leucovorin sowie einer perkutanen Radiotherapie des ganzen Tumorbetts, der Resektionsränder und regionären Lymphknoten über fünf Wochen mit 45 Gy oder in einen Beobachtungsarm randomisiert. Durch die Radiochemotherapie konnte sowohl das Gesamt- wie auch das rezidivfreie Überleben hochsignifikant verbessert werden. Nach drei Jahren waren im Therapiearm noch 48% der Patienten am Leben und rezidivfrei, während dies im Beobachtungsarm nur bei 31% der Fall war. Allerdings waren die therapieassoziierten und hier vor allem hämatologischen und gastrointestinalen Nebenwirkungen beträchtlich, bei 73% der Patienten konnte eine Grad-3oder -4-Toxizität beobachtet werden, 3 Patienten (1%) verstarben an den Folgen der Radiochemotherapie. Diese Toxizität ist gut erklärt mit dem grossen abdominalen Bestrahlungsfeld. Aufgrund dieser Studie hat sich die adjuvante Radiochemotherapie in den USA als klinischer Standard etabliert. Die Europäer interpretieren diese Studie aber eher so, dass mit der hoch toxischen Radiochemotherapie hauptsächlich die suboptimale chirurgische Qualität innerhalb der Studie kompensiert wurde. Bei 54% der Patienten wurde nämlich lediglich eine Gastrektomie ohne grössere Lymphadenektomie (D0) und nur bei 36% respektive 10% eine D1respektive D2-Dissektion durchgeführt (wie dies in der Studie gefordert und in Europa/Japan chirurgischer Standard ist). In der Zwischenzeit laufen verschiedene Studien, die bei vorgeschriebener optimaler Chirurgie die neoadjuvante Chemotherapie mit der adjuvanten Chemoradiotherapie randomisiert vergleichen.
Übergangskarzinome Bei den Übergangskarzinomen sind die Meinungen noch kontroverser. Dieser Tumortyp wurde teilweise zusammen mit den Ösophaguskarzinomen, teilweise mit den Magenkarzinomen, untersucht. Die meisten Zentren behandeln diese Tumoren multimodal mit neoadjuvanter
Chemotherapie analog den Magenkarzinomen oder neoadjuvanter Chemoradiotherapie analog den Ösophaguskarzinomen. Hier ist sicherlich die bisher einzige randomisierte Studie (POET) von der deutschen Gruppe um Michael Stahl zu erwähnen, welche eine neoadjuvante Chemotherapie mit einer neoadjuvanten Chemoradiotherapie spezifisch bei den Tumoren des gastroösophagealen Übergangs verglichen hat. Obwohl die Studie frühzeitig mangels schlechten Accruals geschlossen werden musste, zeigte sich mit dem Zusatz der Radiotherapie ein deutlicher Trend zu besserem Überleben. Die Resultate der Studie wurden am ASCO 2007 präsentiert (5) und werden in Kürze im «Journal of Clinical Oncology» publiziert werden. Die bei den Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus zusätzlich bestehende Option einer alleinigen Chemoradiotherapie kommt bei den Adenokarzinomen des gastroösophagealen Übergangs nur bei aus medizinischen Gründen nicht operablen Patienten zum Zug. Insgesamt bleiben die Fortschritte bei den lokal fortgeschrittenen Tumoren trotz multimodalen Therapieansätzen aber eher klein. Hingegen konnte über die letzten Jahre die therapiebedingte Morbidität deutlich gesenkt werden, dies nicht zuletzt dank besserer Selektion der Patienten.
Metastasiertes Tumorstadium (Stadium IV) Beim metastasierenden Leiden werden die Übergangskarzinome zu den Magenkarzinomen subsummiert. Vier randomisierte Studien, publiziert 1993 bis 1997, konnten nachweisen, dass durch eine palliative Chemotherapie das Überleben (8–12 vs. 3–5 Monate) wie auch die Lebensqualität im Vergleich zur «best supportive care» signifikant verbessert werden kann (6–9). Daher sollte mit den Patienten im Stadium IV eine palliative Chemotherapie besprochen und ihnen angeboten werden. Durch Verwendung neuerer Therapeutika und Kombinationen konnte in den letzten Jahren das mittlere Überleben gegen elf Monate angehoben werden (Tabelle 4). Anfang der Neunzigerjahre wurde der damalige Goldstandard 5FU/Adriamycin/Mitomycin C (FAM) durch
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5-FU/Adriamycin/Methotrexat (FAMTX) ersetzt, basierend auf einer Phase-IIIEORTC-Studie, welche eine signifikante Verbesserung der Ansprechrate und des Überlebens bei geringerer hämatologischer Toxizität nachweisen konnte (10). In einer in England durchgeführten randomisierten Studie wurde 1997 nachgewiesen, dass mit ECF im Vergleich zu FAMTX das Überleben, die Ansprechrate und die Lebensqualität bei tolerabler Toxizität weiter verbessert werden kann (11). Diese Studie führte dazu, dass ECF in Europa zum Standard wurde, insbesondere da in weiteren randomisierten Studien die Resultate (Ansprechrate ≈ 40%, mittleres Überleben > 9 Monate, Ein-JahresÜberleben ≈ 40%) bestätigt werden konnten (12–13). Die Schweizerische Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK) untersuchte in einer randomisierten Phase-ll-Studie, ob der Ersatz des Anthrazyklins im ECF-Regime mit einem Taxan die Effektivität erhöht (14). Es scheint, dass dadurch die Ansprechrate und die Zeit bis zur Response etwas verbessert werden können, allerdings auf Kosten einer erhöhten Toxizität. Eine definitive Beurteilung ist allerdings nicht möglich, da ein direkter Vergleich im Rahmen einer Phase-III-Studie fehlt. Trotzdem werden auch in den USA häufig zusätzlich Taxane verabreicht. Docetaxel/Cisplatin/Fluorouracil (DCF) stellt insgesamt eine mögliche Alternative bei Patienten in gutem Allgemeinzustand dar, da die Ansprechrate mit 37% vergleichbar ist und erstmalig eine Verbesserung der Lebensqualität und des klinischen Benefits durch die Therapie im Vergleich zum Kontrollarm dokumentiert werden konnte (15–17). Obwohl wie oben erwähnt Capecitabin und Oxaliplatin bis anhin für die Behandlung in dieser Indikation in der Schweiz nicht kassenpflichtig sind, stellen beide Medikamente eine interessante Erweiterung der therapeutischen Optionen dar. Im Rahmen der grössten je beim Magenkarzinom durchgeführten Studie wurden in einem Vier-Arm-Design die Elemente 5-FU (mit Capecitabin) und Cisplatin (mit Oxaliplatin) aus dem ECF-Regime ersetzt und mit dem Original-ECF verglichen (3). Es wurde gezeigt, dass der Ersatz beider Medikamente bei gleicher Effektivität möglich ist. Dies erhöht vor
Tabelle 4:
Fortschritte der palliativen Chemotherapie bei Magenkarzinom über die Zeit
Chemotherapieregime Best Supportive Care Anthrazyklin/5-FU-haltige Regime (FAM) Zusatz von Methotrexat (FAMTX) Einführung von Cisplatin (ECF), Taxane
Medianes Überleben 3–4 Monate 5–6 Monate 7–10 Monate 8–11 Monate
allem die Patientenfreundlichkeit, indem sowohl auf die dreiwöchige Pumpe verzichtet als auch die oft starken Nebenwirkungen von Cisplatin vermieden werden können. In der Metaanalyse von Wagner et al. wurde nachgewiesen, dass durch eine kombinierte Chemotherapie eine geringe, aber statistisch signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens gegenüber einer Monochemotherapie erreicht wird (18). Im klinischen Alltag muss allerdings der mögliche Benefit gegenüber der erhöhten therapieassoziierten Toxizität einer kombinierten Chemotherapie beim individuellen Patienten genau abgewogen werden, da viele Patienten aufgrund des Alters und der Begleiterkrankungen nicht der ursprünglichen Studienpopulation entsprechen. Ob eine Monochemotherapie gegenüber «best supportive care» einen signifikanten Vorteil bringt, ist schlecht untersucht. Bis auf die Arbeit von Glimelius et al. (9), in der bei einem Teil der Patienten eine Randomisierung zwischen Monochemotherapie und «Best Supportive Care» durchgeführt, diese Subgruppen aber nicht separat ausgewertet wurden, sind keine randomisierten Studien zu dieser Fragestellung vorhanden. Da Einzelsubstanzen Ansprechraten bis zirka 20% erreichen (19), sollte auf individueller Basis bei Patienten mit einem ausgeprägten Therapiewunsch, welche nicht für eine Kombinationstherapie qualifizieren, zumindest eine Monochemotherapie erwogen werden. Für eine Zweitlinienchemotherapie bei Rezidiv nach einer platinhaltigen Chemotherapie sind keine ausreichenden Daten für ein bevorzugtes Regime vorhanden. Insbesondere bei längerem rezidivfreiem Überleben nach Erstlinientherapie wird üblicherweise eine Zweitlinientherapie diskutiert. Es gibt mehrere
Phase-II-Studien, die eine gewisse Wirk-
samkeit zum Beispiel von Irinotecan,
Taxanen oder Oxaliplatin nachweisen
konnten, allerdings sind die Ansprechra-
ten und die Zeit bis zur Progression in der
Regel bescheiden, sodass die Vor- und
Nachteile einer solchen Therapie mit
dem jeweiligen Patienten genau bespro-
chen werden sollten (20–22). Ähnlich wie
bei anderen Tumorentitäten hat sich in
den letzten Jahren das Verständnis der
molekularen Abläufe beim Magenkarzi-
nom verbessert, sodass der Einsatz ver-
schiedener zielgerichteter Therapeutika
(EGFR-Inhibitoren, Angiogeneseinhibito-
ren, Tyrosinkinaseinhibitoren etc.) neue
Perspektiven eröffnet, verbunden mit
der Hoffnung, dadurch die Resultate bei
Patienten mit Magenkarzinom verbes-
sern zu können (23). Es gibt inzwischen
bereits erste Daten, die eine gewisse
Wirksamkeit von Cetuximab (24), Bevaci-
zumab (25) und Trastuzumab (26) zeigen,
allerdings ist es noch zu früh, um deren
Stellenwert (bezüglich optimalen Ein-
satzzeitpunkts, idealen Kombinations-
partners, Therapiedauer) genauer defi-
nieren zu können.
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Dr. med. Roman Inauen Fachbereich Onkologie und Hämatologie Departement Innere Medizin Kantonsspital 9007 St. Gallen E-Mail: roman.inauen@kssg.ch
Dr. med. Thomas Ruhstaller Fachbereich Onkologie und Hämatologie Departement Innere Medizin Kantonsspital 9007 St. Gallen E-Mail: thomas.ruhstaller@kssg.ch
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