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Prisma
Harnblasenkarzinom: Frauen erkranken doppelt so häufig wie 1980
Seit Jahren erkranken mehr Frauen an einem Karzinom der Harnblase als an einem Zervixkarzinom – dies bei quasi unveränderter Sterberate. Wahrscheinliche Ursache ist die starke Zunahme des Rauchens bei Frauen. Eine routinemässige Früherkennung wie beim Zervixkarzinom erfolgt allerdings nicht einmal bei Risikopatientinnen. Dabei lassen sich diese gezielt selektieren.
einen Risikocheck für das Internet entwickelt. Das computergestützte Abfrageformular unter www.blasenkrebs.net erfasst Alter, Geschlecht, Rauchverhalten, berufliche Exposition gegenüber Onkogenen und das medizinisch induzierte Risiko für Harnblasenkrebs.
Gegenüber 1980 hat sich heute die Zahl der Neuerkrankungen an einem Harnblasenkarzinom bei Frauen verdoppelt. Damit liegt die jährliche Inzidenz deutlich höher als beim Zervixkarzinom. Dies geht aus aktuellen Erhebungen des RobertKoch-Instituts und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland hervor (1). Diese zeigen, dass 1980 in Deutschland 3467 Frauen an Harnblasenkrebs erkrankt waren; 2004 waren es mit 7336 Neuerkrankungen bereits mehr als doppelt so viele Patientinnen (vgl. Grafik 1 und 2). Inzwischen dürfte die Zahl noch höher oder mindestens gleich hoch liegen. Die Ursache: «Inzwischen raucht fast jede dritte Frau. Daher steigt voraussichtlich die Inzidenz von Blasenkrebs bei Frauen weiter an. Rauchen ist der wichtigste Risikofaktor und etwa für jeden zweiten Fall verantwortlich», erklärte Dr. Gerson Lüdecke, Urologe am Universitätsklinikum Giessen, Deutschland. Daneben ist der Kontakt mit bestimmten krebserregenden Chemikalien ein Risikofaktor für Blasenkrebs. Deswegen ist das Blasenkarzinom von der Berufsgenossenschaft bei einigen Berufen als Berufserkrankung anerkannt.
Risikoadaptierte Früherkennung Eine frühzeitige Diagnose lässt die Blasenkrebsmortalität signifikant sinken. «Im Gegensatz zu anderen Tumorentitäten gibt es beim Harnblasenkarzinom einen Ausweg aus dem Massenscreening», erläuterte Lüdecke. Er hat als Grundlage für die risikoadaptierte Vorsorgeuntersuchung
Urintest deckt selbst Frühstadien auf «Personen mit einem erhöhten Risiko für Karzinome der Harnblase können einfach und mit hoher Sensitivität mithilfe eines Tests auf das nukleäre Matrixprotein 22 getestet werden. Der Urintest weist Harnblasenkarzinome auch in frühen Stadien nach», so Lüdecke. Der NMP22-Schnelltest wurde von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA für die Diagnose von Risikopatienten oder Patienten mit Symptomen und Verdacht auf Blasenkrebs zugelassen. Ausserdem erhielt der Urintest die Zulassung für die Nachsorge von Patienten mit einem therapierten Harnblasenkarzinom. 2006 zeigte eine praxisorientierte deutsche Multizenterstudie (2), dass der NMP22-Test gut für das Screening von Risikogruppen geeignet ist. Die Studie schloss 113 Patienten mit Hämaturie und Verdacht auf Blasenkarzinom ein. Als Ausschlusskriterien galten Harnsteine, Katheter und Infekte des Harntraktes, da diese zu nicht tumorspezifischen Veränderungen des NMP22-Wertes führen können. Die Studie ergab eine Spezifität des Tumormarkers von 98% und eine Sensitivität von 86%. Diese Sensitivität liegt deutlich über der des Pap-Tests beim Zervixkarzinom (2, 3). Der Pap-Test trug wesentlich dazu bei, dass sich die Todesfälle aufgrund eines Zervixkarzinoms in den letzten 20 Jahren
um mehr als die Hälfte reduzierten. Da-
gegen ging die Mortalität durch Blasen-
krebs bei Frauen in den letzten Jahrzehn-
ten nur wenig zurück. Sie sank von 1980
bis 2004 von 2,6 Todesfällen pro 100 000
Frauen auf 2,2 (1).
Dr. Petra von der Lage MasterMedia GmbH D-20357 Hamburg E-Mail: vonder Lage@mastermedia.de
Referenzen: 1. Krebs in Deutschland 2003–2004. Häufigkeiten
und Trends. 6. überarbeitete Auflage. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (Hrsg). Berlin, 2008. www.rki.de, 4.11.2008. 2. Oehr P, Schroeder A: TumorDiagn u Ther 2006; 27: 205–210. 3. Mayrand M-H et al.: N Engl J Med 2007; 57: 1579. 4. Messing EM et al. Cancer 2006; 107(9): 2173– 2179.
ONKOLOGIE 1/2009
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