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EDITORIAL
Im Fokus: Systemische Therapien bei gastrointestinalen Tumoren
L ange, ja sehr lange haben wir auf Fortschritte in der Behandlung regionärer und fortgeschrittener Magen-Darm-Tumoren gewartet! Obwohl die Forschung als ein Kontinuum angesehen werden kann, sind die klinischen Implikationen dazu häufig schubartig, gelegentlich sogar fast eruptiv. Denken wir an die Behandlung der gastrointestinalen Stromatumoren, der GIST! Für viele Dekaden war die optimale Chirurgie das Vorgehen der Wahl zur Behandlung aller lokalisierten Stadien der Darmtumoren, gelegentlich unterstützt durch Radiotherapie. Für die fortgeschrittenen Stadien war 5-FU, lange alleine, dann mit Leukovorin verstärkt, der einzige Trost für uns Onkologen, dass wir nicht mit ganz leeren Händen dastehen mussten. Dann hat sich die Situation schlagartig geändert mit der Verfügbarkeit der
Damit neue Optionen wirklich ankommen ...
neuen Zytostatika wie Irinotecan und Oxaliplatin, der Tyrosinkinasehemmer und Antikörper, welche zielgerichtet und kausal wirken und heute mit verschiedenen Substanzvertretern kombiniert in der Erst- bis X-Linien-Therapie verfügbar sind.
Problem mancherorts: fehlende Interdisziplinarität Somit hat sich in den letzten zehn Jahren die Situation ganz wesentlich und rasch auch für die Darmtumoren verbessert. Schon die adjuvante Chemotherapie mit FU-basierten Therapien beim operierten Dukes-C-Kolonkarzinom mit 30% weniger Rückfällen war und ist ein dramatischer Erfolg! Allerdings: Leider wurden in der Anfangsphase bei Einführung dieser neuen Therapieoption viele Patienten gar nicht so behandelt wie empfohlen, da an vielen Orten keine verpflichtenden interdisziplinären Besprechungen zwischen Onkologen, Chirurgen und Radiotherapeuten stattgefunden haben. So konnten wir in einer Region der Schweiz feststellen, dass nur ein Drittel der Patienten dem neuesten Stand entsprechend behandelt wurde, zu einem Zeitpunkt, als die erwähnten «stark positiven» Daten für die adjuvante Nachbehandlung beim Kolonkarzinom längst vorlagen. Hier zeigt sich, dass Durchbrüche in der Behandlung Krebskranker letztlich nur dann jeden Patienten erreichen, wenn die interdisziplinäre Zusammenarbeit optimal funktioniert.
Tumorboards vor Behandlungsbeginn Präoperative Tumorboards müssen heute Standard sein. Diese schaffen die Voraussetzung dafür, dass im individuellen Fall die bestmögliche Therapiestrategie ▲ angeboten und sachlich besprochen, ▲ im richtigen Zeitablauf und sachgemäss durch-
geführt, ▲ kompetent begleitet und ▲ nachkontrolliert wird. In der aktuellen Ausgabe der Schweizer Zeitschrift für Onkologie finden wir heutige Standards dargestellt, welche kurativ und/oder palliativ zu wesentlichen Verbesserungen führen und unser therapeutisches Armamentarium wesentlich bereichern.
Politik: Rahmen und Mittel klar festlegen Um flächendeckend optimale Resultate in der Krebstherapie zu erreichen, braucht es entsprechende Versorgungsstrukturen, Netzwerke und auch klare Studienendpunkte, welche gemessen und publiziert werden. Dies ist beispielsweise eine der Zielsetzungen des nationalen Krebsbekämpfungsprogrammes der Schweiz (NKP 2005–2010). Zu hoffen ist, dass solche Rahmenbedingungen von der Öffentlichkeit bald eingefordert werden, denn: mit qualitativ hochstehender Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge sollten die enormen medizinischen Kosten auch gerechtfertigt werden können. Und noch etwas: Das Kolonkarzinom ist exquisit zugänglich für die Früherkennung und könnte bald ein seltener Tumor in der onkologischen Palliativtherapie werden. Wann haben Sie das letzte Mal einem Patienten die Kolonoskopie zum 50. Geburtstag empfohlen?
Prof. Dr. med. Thomas Cerny Chefarzt Onkologie und Hämatologie Kantonsspital St. Gallen Präsident Krebsliga Schweiz
ONKOLOGIE 1/2009
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