Transkript
Im Fokus: Systemische Therapien bei gastrointestinalen Tumoren
Adenokarzinome des Ösophagus und des Magens
Vergleichende Epidemiologie mit markanten Unterschieden Magenkrebs gehört zu den häufigsten Tumorarten weltweit. In der westlichen Welt nimmt die Inzidenz dieses Tumors seit Jahren stetig ab, gleichzeitig findet sich eine dramatische Zunahme der Adenokarzinome am Übergang zum Ösophagus und im distalen Ösophagus.
ROMAN INAUEN, THOMAS RUHSTALLER
Roman Inauen Thomas Ruhstaller
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In der westlichen Welt hat die Inzidenz des Magenkarzinoms über die letzten Jahrzehnte rapide abgenommen (1) (Abbildung 1). Dennoch bleibt diese Tumorentität mit einer Inzidenz von 16,8 Fällen pro 100 000 Einwohner beziehungsweise 6,3% aller Malignome eine beträchtliche Belastung für unser Gesundheitssystem. Die Ursachen für die Abnahme in der westlichen Welt sind nicht gänzlich geklärt. Neben einer gesünderen Ernährung und der verbesserten Lagerung von Nahrungsmitteln spielen sicherlich die Abnahme der Prävalenz und die Behandlung von Helicobacter-pylori-Bakterien als wichtigstes Karzinogen des Magenkarzinoms eine entscheidende Rolle (2, 3). Als Risikofaktoren neben einer Helicobacter-pylori-Infektion gelten: ▲ hoher Salz- und Nitratkonsum ▲ Meiden von frischen Früchten und Gemüsen so-
wie ▲ Rauchen. Häufig liegt eine Kombination dieser Faktoren vor.
Deutliche Unterschiede in Inzidenz und Pathologie
Im Gegensatz dazu steht ein dramatischer Anstieg der Inzidenz der distalen Adenokarzinome des Ösophagus und der gastroösophagealen Übergangskarzinome in der westlichen Welt (4, 5) (Abbildung 2). Die Inzidenz des distalen Adenokarzinoms hat sich in den USA zwischen 1970 und 1980 verdoppelt und steigt seither jährlich um 5 bis 10% an. Gleichzeitig steigt auch die Inzidenz der Übergangskarzinome an, wenn auch weniger schnell. Diese Tumortypen kommen fast nur bei weissen Männern um das 65. Lebensjahr (Altersdurchschnitt) vor. Diese epidemiologischen Charakteristiken weisen darauf hin, dass diese beiden Adenokarzinome mit Beziehung zum Ösophagus sich biologisch vom «normalen Magenkarzinom» unterscheiden.
Adenokarzinom des distalen Ösophagus Das Adenokarzinom des distalen Ösophagus ist klar mit einem gastroösophagealen Reflux assoziiert, der meistens auf dem Boden eines Barrett-Ösophagus entstand. Die Barrett-Metaplasie der Ösophagusschleimhaut ist die wichtigste «precursor lesion» und auch Risikofaktor für die Entwicklung eines gastroösophagealen Übergangskarzinoms. Der Reflux selber ist wiederum assoziiert mit Adipositas, Hiatushernien und sphinkterrelaxierenden Medikamenten. Bei über 80% der Adenokarzinome des distalen Ösophagus findet sich eine intestinale Metaplasie. Die durch Reflux bedingte intestinale Metaplasie kommt auch im proximalen Magen vor, ist dort aber ein viel weniger starker Risikofaktor für die Entstehung eines gastroösophagealen Übergangskarzinoms.
Übergangskarzinome Die Gründe für die Inzidenzzunahme der Übergangskarzinome sind weniger klar. Adipositas scheint auch hier ein unabhängiger Risikofaktor zu sein. Diskutiert wird auch, ob die Helicobacter-Infektion einen gewissen protektiven Effekt für diesen Tumor haben könnte, also genau umgekehrt wie bei den Korpusund Antrumkarzinomen. Weitere Risikofaktoren sind Rauchen und ungünstige (ungesunde) Ernährung.
Verstärkte Forschung erforderlich
Durch Zunahme von Adipositas, Rauchen und FastFood-Ernährung kann der Anstieg der Inzidenz höchstens zum Teil erklärt werden. Die dramatische Zunahme der Adenokarzinome mit Bezug zum Ösophagus erfordert eine verstärkte Forschungstätigkeit in diesem Bereich. Diese wird unter anderem dadurch erschwert, dass diese Tumoren offensichtlich eine heterogene Gruppe mit angelegter Polyklonalität und unterschiedlichem Genmuster darstellen.
ONKOLOGIE 1/2009
Im Fokus: Systemische Therapien bei gastrointestinalen Tumoren
Dies konnte kürzlich in England anhand
multipler Biopsien im gleichen Tumor
nachgewiesen werden.
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Dr. med. Roman Inauen Fachbereich Onkologie und Hämatologie Departement Innere Medizin Kantonsspital 9007 St. Gallen E-Mail: roman.inauen@kssg.ch
Dr. med. Thomas Ruhstaller Fachbereich Onkologie und Hämatologie Departement Innere Medizin Kantonsspital 9007 St. Gallen E-Mail: thomas.ruhstaller@kssg.ch
Quellen:
1. Swiss Association of Cancer Registries. Switzerland estimated. Statistics of Cancer Incidence 1985–2004. Available from: www.asrt.ch
2. Plummer M, Franceschi S et al.: Epidemiology of gastric cancer. IARC Sci Publ. 2004; 157: 311–26.
3. Uemura N, Okamoto S et al.: Helicobacter pylori infection and the development of gastric cancer. N Engl J Med. 2001; 345(11): 784–9.
4. Pera M, Manterola C et al.: Epidemiology of esophageal adenocarcinoma. J Surg Oncol 2005; 92: 151–9.
5. Marsman WA, Tytgat GNJ et al.: Differences and similarities of adenocarcinoma of the esophagus and esophagogastric junction. J Surg Oncol 2005; 92: 160–8.
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Abbildung 1: Inzidenz des Adenokarzinoms des Magens (links) verglichen mit der des Adenokarzinoms des distalen Ösophagus und des ösophagogastralen Übergangs (rechts). Rate pro 10 000 Hospitalisationen in Nordamerika. Modifiziert aus: Stanley R. et al. (Hsrg.): WHO Classification of Tumors, Pathology and Genetics, Tumours of the Digestive
System, IARC Press Lyon 2000.
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2000
Abbildung 2: Relative Veränderung der Inzidenz des ösophagealen Adenokarzinoms und anderer maligner Tumoren zwischen 1975 und 2000 gemäss Daten des «National Cancer Institute’s Surveillance, Epidemiology and End Results Program» mit Altersadjustierung der US-Bevölkerung 2000. Rot: ösophageales Adenokarzinom Blau: Melanom Grün: Prostatakarzinom Gelb: Mammakarzinom Lila: Lungenkarzinom Orange: Kolorektalkarzinom
Abbildung modifiziert nach (5).
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