Transkript
Neue Therapien
Metastasiertes Kolorektalkarzinom
Welche Rolle spielt K-RAS für die Anti-EGFR-Therapie?
In der aktuellen Krebstherapie spielt die Prädiktion des Ansprechens maligner Tumoren auf zielgerichtete Medikamente eine immer grössere Rolle. Seit Kurzem gilt dies auch für das metastasierte kolorektale Karzinom: Im Falle einer vorgesehenen EGFR-Therapie mit Cetuximab (Erbitux®) hat sich gezeigt, dass die molekularbiologische Untersuchung von Tumorgewebe und Typisierung als K-RAS-Wildtyp-Tumor Auskunft über die Therapieprognose gibt. Neue Studien haben bei diesen Tumoren in der Erstlinientherapie mit Cetuximab plus Standardchemotherapie signifikante Überlebensvorteile gegenüber der Kontrollgruppe gezeigt.
Biomarker nehmen in der Onkologie immer mehr an Bedeutung zu, weil sie die «richtige Therapie dem richtigen Patienten» versprechen: Sie basieren auf dem Prinzip, dass spezifische genetische Eigenschaften des Tumors mit bestimmten Wirkeigenschaften einer zielgerichteten Therapie korrelieren, sodass vorhersagbar ist, welche Patienten am besten auf die Therapie ansprechen. Dies bedeutet, dass im Tumorgewebe molekularbiologisch das Zielmolekül respektive dessen Aktivität vor der Behandlung bestimmt werden muss. Die dadurch mögliche Anpassung der Therapieabfolge ist besonders in der Erstlinientherapie von grosser Bedeutung, denn damit sollte es gelingen, die beste Behandlungsstrategie für einen Patienten von Anfang an auszuwählen. Andererseits können eine Behandlung, ihre Nebenwirkungen und nicht zuletzt die Therapiekosten solchen Patienten erspart bleiben, bei denen aufgrund der Biomarkerbestimmung die fragliche Therapie wenig effektiv erscheint. Beispiele von etablierten Biomarkern in der Onkologie sind Östrogenrezeptor und HER2 bei Brustkrebs; neu hinzugekommen ist K-RAS bei metastasiertem Kolorektalkarzinom (mCRC). Im Folgenden werden wichtige Studienresultate zum K-RAS-Biomarker bei mCRC erläuternd zusammengefasst.
K-RAS-Status bei mCRC
Das K-RAS-Gen (= Kirsten rat sarcoma 2 viral oncogene homologue Gen) gehört
zur Gruppe der RAS-Proto-Onkogene. Es wurde 1967 erstmals aus einem murinen Sarkomvirus isoliert (Kirsten, WH et Mayer, LA: J. Nat. Cancer Inst. 1967), während einer Forschungspionierperiode über die Rolle der Tumorviren. Erste Daten über den Einfluss des K-RAS-Status in der Anti-EGFR-Therapie beim mCRC wurden 2006 publiziert. K-RAS ist ein Tumorsuppressor-Gen, das ein Protein kodiert (bzw. produziert), welches eine wesentliche Rolle in der Wirkungsentfaltung des EGFR (= epidermal growth factor receptor) spielt. Die komplexe Signalkaskade durch EGFR ist in die Entwicklung und Progression vieler maligner Tumoren involviert. Gesteuert werden im Wesentlichen die Prozesse Tumorüberleben, -angiogenese und -proliferation sowie die Metastasenbildung. EGFR ist in vielen malignen Tumoren überexprimiert, zum grossen Teil auch beim Kolorektalkarzinom, und ist grundsätzlich mit schlechter Prognose assoziiert. Die Anti-EGFR-Therapie hemmt diesen Prozess und führt bei ausgewählten Patientengruppen zu verlängertem Überleben, wie verschiedene Studien gezeigt haben (s.u.). Entdeckt wurden verschiedene Typen des K-RAS-Gens in malignen Tumoren, nämlich «normale» (Wildtyp-K-RAS) und mutierte K-RAS-Gene, welche entsprechende Proteine kodieren. Studien haben gezeigt, dass dieser Status prädiktiv für die Response auf einige Medikamente, insbesondere auf die Anti-EGFR-Therapie, ist. Wie die Abbil-
dungen zeigen, wird bei Tumoren mit Wildtyp-K-RAS-Gen das Protein reguliert durch die EGFR-Signalübertragung: Die Signalübertragungen (downstream effects) sind kontrolliert. In Tumoren mit mutiertem K-RAS-Gen ist das Protein permanent «eingeschaltet», selbst wenn eine Cetuximab-Therapie den EGFR blockiert: Tumorwachstum und -ausbreitung finden in diesem Fall weiterhin statt. Patienten mit Kolorektalkarzinom besitzen zu rund 60% ein Wildtyp-K-RAS. Bei NSCLC haben sogar 80 bis 90% und bei Plattenepithelkarzinomen des Kopfes und Halses sogar 95% der Patienten ein Wildtyp-K-RAS. Bei metastasiertem Kolorektalkarzinom (mCRC) ist es, im Fall einer geplanten Anti-EGFR-Therapie mit Cetuximab, daher sinnvoll, vor der Applikation molekularbiologisch zu analysieren, ob im K-RASOnkogen eine Mutation und damit eine «Daueraktivierung» oder ob der Wildtyp vorliegt. Im Fall des Wildtyp-K-RAS wird davon ausgegangen, dass eine Response auf die Cetuximab-Therapie eher wahrscheinlich ist.
TGFα
Liganden
EGF
EGFR
EGFRSignalweg
e.g.VEGF
Angiogenese
Gentranskription Zellzyklusprogression
Metastasenbildung
Überleben Proliferation
Abbildung 1: EGFR-Wirkung in einer Tumorzelle: Das aktivierte EGFR reguliert andere Proteine so, dass Tumorüberleben, Angiogenese, Proliferation und Metastasenbildung entstehen.
28 ONKOLOGIE 5/2008
Neue Therapien
e.g.VEGF Angiogenese
e.g.VEGF Angiogenese
Liganden TGFα
EGF
Erbitux®
Abbildung 2: Cetuximab hemmt die EGFR-Wirkung und blockiert die Signalübertragungen (downstream effects): Überleben und Proliferation, Angiogenese und Metastasenbildung werden gehemmt.
blockiert EGFR-Dimerisierung
EGFRSignalweg
Gentranskription Zellzyklusprogression
Metastasenbildung Überleben Proliferation
Liganden TGFα
EGF
Erbitux®
Abbildung 3: Bei mutiertem K-RAS-Tumor ist das K-RAS-Protein immer «eingeschaltet»: Anti-EGFR-Therapien hemmen nicht mehr die Angiogenese, das Überleben, die Proliferation und die Metastasenbildung des Tumors.
blockiert EGFR-Dimerisierung
EGFRSignalweg Gentranskription Zellzyklusprogression
Ein mutiertes K-RAS-Gen führt zu einem K-RAS-Protein, welches immer «eingeschaltet» ist, auch wenn Cetuximab den EGFR blockiert.
Die Signalübertragung wird nicht länger gehemmt, der Tumor wächst weiter.
Metastasenbildung Überleben Proliferation
mit Wildtyp-K-RAS. Aufgrund dieser Stu-
dienresultate wurde die Zulassung von
Cetuximab europaweit erweitert, und
zwar gilt sie jetzt auch in der Erstlinien-
therapie bei mCRC mit Wildtyp-Tumor.
Für diese Patientengruppe ist Cetuximab
plus Standardchemotherapie nun auf al-
len Therapielinien des mCRC zugelassen.
Die CRYSTAL-Studie untersuchte die
Wirksamkeit von Cetuximab in Kombina-
tion mit FOLFIRI im Vergleich zu alleiniger
Chemotherapie in der Erstlinientherapie.
Die Ergebnisse zeigten, dass die teilneh-
menden 346 Patienten mit K-RAS-Wild-
typ-Tumor unter Cetuximab einen Über-
lebensvorteil von 3,9 Monaten verglichen
mit Patienten unter alleiniger Chemo-
therapie haben (24,9 Mt. vs. 21,0 Mt.,
HR: 0,84, p = 0,2). Das Gesamtüberleben
von Patienten, deren Tumor eine K-RAS-
Mutation aufwies, unterschied sich zwi-
schen den Behandlungsarmen nicht (17,5
vs. 17,7 Mt., HR: 1,03). Die OPUS-Studie
untersuchte die Cetuximab-Gabe in
Kombination mit FOLFOX und kam zu
ähnlichen Ergebnissen. Ein weiteres Up-
date der Analysen der CRYSTAL-Studie
ergab, dass Patienten mit K-RAS-Wild-
typ-mCRC und ausschliesslichen Leber-
metastasen eine besonders hohe An-
sprechrate von 77% zeigten.
Die ebenfalls während des ESMO-Mee-
tings 2008 vorgestellte CELIM-Studie un-
tersuchte die neoadjuvante Therapie mit
Cetuximab plus FOLFOX oder FOLFIRI
bei nicht resektablen Lebermetastasen
der CRC-Patienten. Die Wirksamkeits-
analyse zeigte, dass es bei 79% der Pati-
enten mit K-RAS-Wildtyp-Tumoren zu
einer Tumorschrumpfung kam, die bei
43% der Patienten eine Resektion er-
möglichte und bei 34% eine komplette
chirurgische Entfernung.
▲
Klinische Studien mit Cetuximab in der Zweitund Erstlinie
Schon vor einigen Jahren hat die BONDStudie gezeigt, dass die zielgerichtete Anti-EGFR-Therapie mit Cetuximab in Kombination mit Standardchemotherapie das progressionsfreie Überleben im Zweitliniensetting bei mCRC verlängert und dabei die Chemotherapie-Resistenz bei Irinotecan-refraktärem mCRC aufhebt. Die EPIC-Studie ergab ein ähnli-
ches Resultat nach Oxaliplatin-Versagen. Entsprechendes zeigten Jackson und Cunningham 2007 im Vergleich zur «best supportive care». Bokemeyer und Van Cutsem zeigten jüngst, während des ASCO- und des ESMO-Meetings 2008, in den Phase-IIIStudien CRYSTAL und OPUS, dass Cetuximab in Kombination mit Standardchemotherapie (FOLFIRI und FOLFOX) auch im Erstliniensetting die Responseraten und das progressionsfreie Überleben erhöhen, und zwar ganz überwiegend bei Tumoren
Bärbel Hirrle
Quelle: Media Educational & Advisory Event (MEET), Merck Serono, Brüssel 29. April 2008.
Referenzen zu den neuesten Studien: 1. Van Cutsem, E. et al.: ESMO 2008; Abstract No. 710 (CRYSTAL). 2. Bokemeyer, C. et al.: ASCO 2008; Abstract No. 4000 (OPUS). 3. Folprecht, G. et al.: ESMO 2008; Abstract 510 (CELIM).
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