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EDITORIAL
Im Fokus: Maligne Lymphome und multiples Myelom
D iese Ausgabe der Schweizer Zeitschrift für Onkologie enthält vier ausgezeichnete Beiträge, die eindrücklich die therapeutischen Fortschritte aufzeigen, die sich in jüngster Zeit bei den lymphoiden Neoplasien ergeben haben.
CLL und MM: individualisierte Therapie in Sicht Bezeichnend sind die Artikel zur chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) und zum multiplen Myelom (MM). Beide Krankheiten galten bis vor kurzem als «wissenschaftlich uninteressant», da seit Jahrzehnten überhaupt kein Fortschritt – weder beim biologischen Verständnis noch bei den Therapiemöglichkeiten – zu verzeichnen war. Inzwischen hat sich die Situation völlig verändert: In wenigen Jahren
Lymphome: «Die Zukunft hat begonnen!»
wurden zur CLL und zum MM eine Fülle biologischer Erkenntnisse gewonnen, die dazu geführt haben, dass sich die Behandlungsmöglichkeiten jeweils vervielfachten. Vor allem haben sich dadurch die Aussichten für die Patienten markant verbessert. Bei beiden Erkrankungen kann man heute bereits den Zeitpunkt erahnen, zu dem wir fähig sein werden, auf der Basis feiner biologischer Parameter Behandlungen zu individualisieren. Nach frustranen Standardantworten von vor wenigen Jahren wie «Gib ein bisschen Alkeran» oder «... ein bisschen Leukeran»: welch ein Unterschied heute!
Extranodale Lymphome: Primärtumor entscheidend Eine ähnliche Revolution hat bei den extranodalen Lymphomen stattgefunden, die 30 bis 40% aller malignen Lymphome darstellen. Die schiere Existenz der wichtigsten Untergruppe dieser Lymphome, der MALT-Lymphome, wurde erst vor weniger als zehn Jahren, in der neuen WHO-Klassifikation, anerkannt. Bis vor kurzem wurden die Magen-MALT-Lymphome (als Paradebeispiel) noch operiert; heute werden die meisten nur mit Antibiotika behandelt. Die Liste der extranodalen Lymphome, die aufgrund einer Autoimmunkrankheit oder einer chronischen Infektion entstehen, wird jedes Jahr länger. Entsprechend än-
dern sich die Therapiemöglichkeiten. Vor allem aber haben wir gelernt, dass bei dieser Art von Lymphomen die Primärlokalisation des Tumors eine entscheidende prognostische Bedeutung hat. Für vertiefte Einsichten in das Krankheitsbild an jeder Lokalisation ist die Bildung multinational kooperierender Forschungsgruppen erforderlich; die Gründung der International Extranodal Lymphoma Study Group (IELSG) war ein wichtiger Schritt.
Follikuläre Lymphome: Hoffnung auf Heilung Auch bei diesen Lymphomtypen haben sich die Überlebenschancen mit den neuen Therapien klar verbessert. Dennoch: In fortgeschrittenen Stadien bleibt die Heilung derzeit unerreicht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass sich die Situation in Kürze zum Besseren verändert. Rituximab und die Radioimmunbehandlung haben bereits jetzt ihren festen Platz im Therapieplan. Neuere Antikörper wie auch Zytostatika mit einem verbesserten therapeutischen Index stehen in der Prüfungsphase. Zudem sind die Möglichkeiten der Transplantationen noch lange nicht ausgeschöpft. Wir müssen, so bin ich überzeugt, lernen, alle diese Möglichkeiten «klug und richtig zu kombinieren», dann werden höchstwahrscheinlich auch follikuläre Lymphome in einem beträchtlichen Ausmass heilbar sein. Wir dürfen optimistisch sein!
Prof. Dr. med. Franco Cavalli Direktor Oncology Institute of Southern Switzerland Präsident UICC
ONKOLOGIE 4/2008
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