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Kongressbericht
44. Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2008
ASCO 2008: neue Wege beim frühen und fortgeschrittenen Mammakarzinom
Zur Therapie des Mammakarzinoms gab es in Chicago einiges Neues: Bedeutende Studien, insbesondere zur metastasierten Situation, wurden im Plenum vorgestellt. Zwei Studien, ABCSG-12 und AVADO, wurden schon vorab auf der offiziellen Medienkonferenz als besonders wegweisend herausgehoben.
Die prädiktiven Marker wie beispielsweise HER2 gewinnen immer mehr an Bedeutung, weil sie einerseits eine gezielte Behandlung mit vergrösserten Erfolgsaussichten versprechen, andererseits vielen Patientinnen eine unnötige (da unpassende) Therapie ersparen. Als sehr nützlich kann sich die erneute Bestimmung dieser Marker im Krankheitsverlauf erweisen, denn sowohl die Hormonmarker wie auch der HER2-Status können sich ändern, wie zwei Studien bei Patientinnen mit Mammakarzinom gezeigt haben. In der einen Studie kam es bei 31 von 168 Patientinnen zu einer Änderung des prädiktiven Markers (1). In der anderen Untersuchung war der Krankheitsverlauf ungünstiger, wenn sich der Marker veränderte: Wurden die Hormonmarker sowohl im Primärtumor als auch in den Metastasen exprimiert, dann war die Prognose für das Gesamtüberleben besser, als wenn der Marker nur in einer Tumorphase exprimiert wurde (2).
Zoledronat besitzt «Antitumoreffekt»
Die zusätzliche Gabe von Zoledronat (Zometa®) scheint bei prämenopausalen Frauen im Rahmen einer adjuvanten endokrinen Therapie sinnvoll aufgrund eines bereits dokumentierten «Antitumoreffektes». Wie Studienleiter Michael Gnant, Wien, an der offiziellen ASCOPressekonferenz mitteilte, vermag die Gabe des Bisphosphonats das Therapieergebnis bei Frauen mit frühem hormonpositivem Mammakarzinom noch weiter zu steigern (3). In der ABCSG-12-Studie wurden die operativ und anschliessend mit Goserelin (Zoladex®) vorbehandelten prämenopausalen Frauen (Stage I und II, < 10 positive Lymphknoten, n = 1803) in
vier Gruppen randomisiert. Sie erhielten weitere drei Jahre Tamoxifen respektive Anastrozol (Arimidex®) mit respektive ohne Zoledronat (letzte 2 Gruppen: n = 899 bzw. 904). Das Gesamtüberleben (OS) nach fünf Jahren betrug 98,2% und das krankheitsfreie Überleben (DFS) 94%. Zwischen Tamoxifen und Anastrozol gab es diesbezüglich keine Unterschiede. Vermutlich wurde ein möglicher Behandlungsunterschied laut Gnant durch die Suppression der Ovarien verdeckt. Zoledronat verbesserte das Resultat des primären Endpunkts (HR = 0,643, p = 0,011, verglichen mit der Gruppe ohne Zoledronat). Die Inzidenz von sekundären Malignomen, kontralateralem Brustkrebs, Fernmetastasen und lokal-regionalen Rückfällen war unter Zoledronat tiefer (9 vs. 10, 6 vs. 10, 29 vs. 41, 10 vs. 20). Die zusätzliche Behandlung mit Zoledronat erhöhte das rückfallfreie Überleben signifikant (HR = 0,653, p = 0,014). Beim Ge-
Chicago downtown, nur wenige Kilometer entfernt vom Kongresscenter am McCormick Place, wo das diesjährige ASCO-Meeting stattfand. Über 30 000 Teilnehmer aus aller Welt waren dabei.
samtüberleben weist der Trend in die gleiche Richtung (HR = 0,595, p = 0,101). Zoledronat wurde gut vertragen; es wurden insbesondere keine renalen Toxizitäten oder Osteonekrosen des Kiefers beobachtet.
Paradigmenwechsel bei prämenopausalen Frauen in Sicht
Gemäss dem Fazit der Studienautoren soll die Zugabe von Zoledronat bei einer endokrinen Therapie als Option geprüft werden, um den Behandlungsstandard von prämenopausalen Frauen zu verbessern. Martine Piccart-Gebhart, Freie Universität Brüssel, kommentierte, dass die vorliegende Studie zwar noch keine prompte Praxisänderung bedinge, doch eine wichtige Arbeit darstelle, die auf einen Paradigmenwechsel hindeute. Eine Änderung des Therapiestandards in der Praxis könnte sich dann abzeichnen, wenn entsprechende Resultate weiterer Studien publiziert sind.
32 ONKOLOGIE 4/2008
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44. Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2008
Tabelle:
Lapatinib (L) mit und ohne Trastuzumab (T) beim HER2-positiven metastasierten Brustkrebs (4)
Endpunkt PFS (median, Wochen)* CBR (%)* RR (%)* OS (median, Wochen)
L (n = 145) 8,1
13,2 6,9 39
L + T (n = 146) 12,0 25,2 10,3 51,6
Hazard/OR 0,73 2,1 1,5 0,75
95%-KI 0,57–0,93 1,1–4,2 0,6–3,9 0,53–1,07
*Intent to treat
p 0,008 0,020 0,46 0,106
HER2-positiv: Lapatinib und Trastuzumab mit Synergismus
Bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom dürfte eine zweifache Blockade von HER2 eine höhere «Antitumorwirkung» haben. Gleichzeitig werde die Therapieresistenz gegen HER2 besser überwunden. Trastuzumab (Herceptin®) sollte bei progredientem metastasierendem Mammakarzinom (MBC) nicht weiterhin als Monotherapeutikum eingesetzt werden. Gemäss Joyce O’Shaughnessy, Dallas, der mehrere Studien aufzählte, erweist sich dagegen Lapatinib (Tyverb®) in der Monotherapie als wirksam bei metastatischem HER2-positivem Mammakarzinom und eignet sich daher als Vergleichssubstanz. In seiner Studie setzte O’Shaughnessy Lapatinib einzeln (1500 mg/Tag, n = 148) und in Kombination mit Trastuzumab (T = 4 x 2 mg/kg i.v. qw, L = 1000 mg/Tag, n = 148) ein (4). Bei Fortschreiten der Krankheit nach vier Wochen war ein Crossover zur Kombinationstherapie vorgesehen (n = 73). Eingeschlossen worden waren Patientinnen nach Progression unter Anthrazyklinen, Taxan und Trastuzumab (im Mittel mit 6 Regime vorbehandelt). Lapatinib erwies sich in Kombination mit Trastuzumab als wirksame Behandlung bei progredientem HER2-positivem MBC während oder nach Behandlung mit Trastuzumab. Die Kombination mit Trastuzumab verbesserte das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant (vgl. Tabelle) und verdoppelte die klinische Erfolgsrate auf 25%. Beim Gesamtüberleben schnitt die Kombination im Trend ebenfalls besser ab. Gleichzeitig bestätigt die Studie auch die Wirksamkeit von Lapatinib in der Monotherapie, denn hier kam es zu einer klinischen Erfolgsrate von 12,5% bei Patientinnen, die mehrfach mit Trastuzumab vorbehandelt waren.
An Nebenwirkungen wurden am häufigsten Diarrhö sowie Rash, Nausea und Müdigkeit beobachtet. Weitere Nebenwirkungen waren Erbrechen, Dyspnoe und Husten sowie Kopfschmerzen und Anorexie. Damit hat die Kombination insgesamt ein gut abschätz- und behandelbares Toxizitätsprofil. Die Studie hat gemäss den Schlussfolgerungen von O’Shaughnessy den primären Endpunkt mit einer 27-prozentigen Reduktion des Progressionsrisikos erreicht, und dies bei multipel mit Trastuzumab vorbehandelten Patientinnen. Somit ergibt sich bei HER2-positiven Patientinnen mit MBC die Behandlungsmöglichkeit einer «totalen HER2-Blockade» durch Trastuzumab und Lapatinib, sodass auf Chemotherapie verzichtet werden kann.
Lapatinib plus VEGF-Inhibitor Pazopanib
Dass die chemotherapiefreie Behandlung von HER2-positiven Patientinnen in Reichweite liegt, zeigt auch eine weitere Studie (Phase II): Hier wurde der orale Angiogenesehemmer Pazopanib (400 mg/ Tag) mit Lapatinib (1000 mg/Tag) kombiniert (5). Als Vergleich diente eine Monotherapie mit Lapatinib (1500 mg/Tag). Die theoretische Grundlage dieser randomisierten Studie bildet die Erkenntnis, dass HER2-positive Zellen und Tumoren den VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) im Rahmen der HER2Signalkaskade deutlich heraufregulieren. Daher sollte in der vorliegenden Untersuchung die Wirkung sowohl auf die HER2-Blockade wie auch auf VEGF bei Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasierendem Mammakarzinom (Stage III/IV, HER2+ und FISH+) untersucht werden. Es handelte sich um Patientinnen, die im fortgeschrittenen Stadium noch keine Behandlung erhal-
ten hatten. Gemessen wurde nach zwölf Wochen als primärer Endpunkt das Fortschreiten der Erkrankung (PD-Rate in %, fehlende Patientinnen wurden als Progression gewertet): Die Progressionsrate (PD-Rate) betrug: ▲ unter Lapatinib-Monotherapie (n =
72): 28% (90%-KI; 29, 4–48, 3; p = 0,37) ▲ unter Pazopanib-Lapatinib-Kombi-
nation (n = 69): 25% (90%-KI; 26, 7–45, 8; p = 0,37). Die Behandlung war gut verträglich. Als einzige Grad-3- und -4-Nebenwirkung mit einem Anteil von über 5% stach die Erhöhung der Lebertransaminasen (Monotherapie 7%, Kombination 12%) hervor. In der Kombination war die Diarrhö mit 9% häufiger als in der Monotherapie (5%). Die linksventrikuläre Auswurfsfraktion war bei 1 Patientin klinisch nennenswert eingeschränkt und bei 3 Patientinnen nur apparativ nachweisbar. In allen Fällen war die Erscheinung reversibel. Obwohl nach zwölf Wochen kein signifikanter Unterschied in der Progressionsrate feststellbar war (s.o.), wurden höhere Responseraten im Kombinationsarm beobachtet. Fast alle Patientinnen erreichten unter der Kombination eine Verminderung der Tumormasse. Die Arbeit belegt nicht nur die Einzelwirksamkeit von Lapatinib, sondern mit der Kombinationsbehandlung nebst der Tumorminderung auch ein akzeptables Sicherheitsprofil. Die Hemmung sowohl von HER2 als auch von VEGF erweist sich somit als gangbarer und wirksamer Weg in der Behandlung von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom. Damit liegt eine chemotherapiefreie Behandlungsalternative vor, die ausschliesslich oral verabreicht werden kann. Gemäss Studienpräsentator Dennis Slamon, Los Angeles, sind weitere Studien zu diesem Therapieregime geplant.
AVADO: Bevacizumab in Kombination mit Taxan
Die Exprimierung von VEGF bei Mammakarzinom ist mit verstärktem Tumorwachstum, hohem Metastasierungsrisiko und einer schlechten Prognose assoziiert. Die auf der ASCO-Pressekonferenz ebenfalls herausgehobene AVADO-Studie ist als eine therapeutische Antwort auf die VEDF-Exprimierung bei Brustkrebs konzipiert worden: Der Antiangio-
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genesehemmer Bevacizumab (Avastin®) hat eine gute Wirkung bei soliden Tumoren gezeigt (v.a. bei Kolon-, Bronchus-, Blasen- und Mammakarzinom), mit signifikanter Verlängerung des Gesamtüberlebens sowie der krankheitsfreien Progression. Auch in der Kombination mit einem Taxan wurden bereits Erfolge verzeichnet: In einer Phase-III-Studie bei Patientinnen mit MBC wurde Bevacizumab plus Paclitaxel versus Paclitaxel alleine in der Erstlinientherapie verglichen: Das progressionsfreie Überleben war unter der Kombination besser (Ereignisrate 0,48). Die am ASCO 2008 vorgestellte AVADOStudie in der Erstlinientherapie zeigte, dass die Kombination von Bevacizumab in der tieferen wie in der höheren Dosierung mit Docetaxel (Taxotere®) das progressionsfreie Überleben von Frauen mit HER2-negativem MBC signifikant im Vergleich zur Therapie mit dem Taxan alleine verbessert (6). 726 Patientinnen waren in drei Gruppen randomisiert
worden: Docetaxel/Plazebo; Docetaxel/
Bevacizumab, 7,5 mg/kg, Docetaxel/ Be-
vacizumab, 15 mg/kg. Die Responseraten
(Teil- und Komplettresponse) lagen nach
einer mittleren Beobachtungsdauer von
11 Monaten bei 44,4% respektive 55,2%
respektive 63,1%. In Bezug auf die Be-
handlungssicherheit unterschieden sich
die beiden Bevacizumab-Dosis-Arme
nicht voneinander. Eine signifikante Ver-
längerung des Gesamtüberlebens wurde
aber noch nicht gezeigt, weil die Beob-
achtungszeit zu kurz war.
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Thomas Ferber
Dem Autor wurden ohne Einflussnahme auf den Kongressbericht von GSK und Novartis die Reiseund Hotelkosten erstattet.
Quellen: 1. R. MacFarlane et al.: Molecular changes in the primary breast cancer versus the relapsed/ metastatic lesion from a large population-based database and tissue microarray series. J Clin Oncol 26: 2008 (May 20 suppl; abstr 1000).
2. K. Broglio et al.: Prognostic impact of discordance/concordance of triple-receptor expression between primary tumor and metastasis in patients with metastatic breast cancer. J Clin Oncol 26: 2008 (May 20 suppl; abstr 1001).
3. M. Gnant et al.: Adjuvant ovarian suppression combined with tamoxifen or anastrozole, alone or in combination with zoledronic acid, in premenopausal women with hormone-responsive, stage I and II breast cancer: First efficacy results from ABCSG-12. J Clin Oncol 26: 2008 (May 20 suppl; abstr LBA4).
4. J. O’Shaughnessy et al.: A randomized study of lapatinib alone or in combination with trastuzumab in heavily pretreated HER2+ metastatic breast cancer progressing on trastuzumab therapy. J Clin Oncol 26: 2008 (May 20 suppl; abstr 1015).
5. D. Slamon et al.: Randomized study of pazopanib + lapatinib vs. lapatinib alone in patients with HER2-positive advanced or metastatic breast cancer. J Clin Oncol 26: 2008 (May 20 suppl; abstr 1016).
6. D. Miles et al.: Randomized, double-blind, placebo-controlled, phase III study of bevacizumab with docetaxel or docetaxel with placebo as firstline therapy for patients with locally recurrent or metastatic breast cancer (mBC): AVADO. J Clin Oncol 26: 2008 (May 20 suppl; abstr LBA1011).