Transkript
EDITORIAL
Im Fokus: Bronchialtumoren
P atienten, die an einem Lungenkarzinom oder Pleuramesotheliom erkrankt sind, und ihre Angehörigen dürfen heute auf eine differenzierte Beratung zur Behandlung ihrer Krankheit hoffen. Ziel ist eine integrative Beratung und Behandlung, welche sowohl die individuelle persönliche Situation als auch in vermehrtem Mass Charakteristika des Tumors zu berücksichtigen vermag. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen diagnostischen und therapeutischen Fachrichtungen unerlässlich.
Frauen überproportional betroffen Im Kanton Zürich erkrankten im Jahr 2005 589 Patienten an einem Bronchuskarzinom und 35 Patienten an einem Pleuramesotheliom. Wie auch in anderen Ländern der westlichen Welt nimmt die Zahl der an Bronchuskarzinom Erkrankten bei Frauen überproportional zu. Das Adenokarzinom der Lunge ist zum häufigsten Lungenkarzinom geworden. Die Erhebung des Krebsregisters
Wachsende Differenzierung der Therapie
des Kantons Zürich ergab, das nur 74% der an Bronchuskarzinom Erkrankten eine Primärtherapie erhielten. Wieso ein Viertel keine Therapie erhielt, bleibt bei dieser Analyse unbeantwortet – ausser einem Hinweis auf das fortgeschrittene Alter dieser Patienten. In Anbetracht der verbesserten therapeutischen Möglichkeiten ist zu hoffen, dass der Anteil der Patienten, die keine Primärtherapie erhalten, in den letzten drei Jahren kleiner geworden ist. Alle Frauen und Männer mit der Neudiagnose «Lungenkrebs» sollen auf die Möglichkeit einer ausführlichen Beratung durch Fachpersonen, die bestenfalls in spezialisierten Einrichtungen stattfindet, aufmerksam gemacht werden!
Systemische Chemotherapie jetzt ab Stadium II Die Chirurgie bleibt die wichtigste Komponente in der kurativen Therapie des nichtkleinzelligen Bronchuskarzinoms (NSCLC). Vorbedingung für eine Entscheidung zur Chirurgie ist eine möglichst genaue Bestimmung des Tumorstadiums, wozu heute verschiedene Techniken zur Verfügung stehen. Die Indikation zu einer systemischen Chemotherapie des NSCLC hat in den letzen Jahren eine grosse Ausweitung erlebt. Neu gehört auch eine Chemotherapie im Stadium II und III zum akzeptierten therapeutischen Standard. Die Indikation einer systemischen Behandlung bei Patienten mit fortgeschrittenem Bronchuskarzinom ist seit Längerem unbestritten. Erkenntnisse der letzten Jahre erlauben, Patienten aufgrund der Charakteristik ihres Tumors eine individualisierte medikamentöse Behandlung anzubieten.
Molekular verschiedene Erkrankungen: unterschiedliche Therapien Zunehmend wird erkannt, dass die Bezeichnung «nichtkleinzelliges Bronchuskarzinom» morphologisch verschiedene Erkrankungen umfasst. Erkannt wurde in jüngster Zeit ferner, dass es sich bei dem Oberbegriff «Adenokarzinom der Lunge» nicht um eine, sondern um molekular distinkte Erkrankungen handelt, die unterschiedliche Behandlungen erfordern. Insbesondere bei Patienten (mit Adenokarzinom der Lunge), bei denen eine aktivierende Mutation im Epidermal-Growth-FactorRezeptor (EGFR) nachgewiesen wurde, kann eine Therapie mit Erlotinib erwogen werden. Jüngste Studiendaten geben in dieser Situation Hinweise auf ein gutes Ansprechen und verlängertes Überleben. Neue Resultate bei Tumoren mit anderen charakteristischen molekularen Eigenschaften zeigen alternative Optionen einer zielgerichteten Therapie auf. Die aktuellen Behandlungsstrategien sind im Artikel ab Seite 14 erläutert.
Pleuramesotheliom: wegweisendes Konzept aus Zürich Wie beim NSCLC ist auch beim Pleuramesotheliom die Behandlung eine fächerübergreifende Aufgabe. In Zürich wurde ein multimodales Behandlungskonzept entwickelt, welches international wegweisend ist und die neoadjuvante Chemotherapie und extrapleurale Pneumonektomie integriert. Anzusprechen ist schliesslich, dass die Häufigkeit dieses Tumors wegen der sehr langen Latenzzeit nach Asbestexposition zunimmt. Wir empfehlen, Patienten zur Abklärung frühzeitig an ein auf diesem Gebiet spezialisiertes Zentrum zuzuweisen, damit die besten Optionen im Behandlungsplan angewandt werden können.
Prof. Dr. med. Rolf A. Stahel Klinik und Poliklinik für Onkologie UniversitätsSpital Zürich
ONKOLOGIE 3/2008
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