Transkript
Im Fokus: Bronchialtumoren
Die operative Behandlung beim NSCLC
Moderne Techniken in frühen und fortgeschrittenen Stadien
Wenn eine Heilung möglich ist, ist die Chirurgie die wichtigste Behandlungsmodalität in den frühen Stadien des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC). Im fortgeschrittenen Stadium ist sie wichtiger Bestandteil einer multimodalen Therapie.
WALTER WEDER, SVEN HILLINGER
Häufig wird erst durch die chirurgische Resektion eine exakte pathologische Stadieneinteilung (Abbildung 1) ermöglicht, was wiederum Basis für eine adjuvante Therapie ist. Im späten, metastasierten Stadium wird die Chirurgie sehr restriktiv eingesetzt, mehrheitlich zur Palliation des Patienten. In ausgewählten Fällen kann die Resektion in Kombination mit anderen Massnahmen auch in dieser Situation einen Überlebensvorteil bringen.
Chirurgie zur Diagnostik
Die Chirurgie kommt häufig bereits für die Diagnosestellung des Bronchialkarzinoms zum Einsatz. Entweder ▲ zur Histologiegewinnung eines neu aufgetrete-
nen oder im Verlauf an Grösse zunehmenden Lungenrundherdes mittels thorakoskopischer Wedgeresektion oder ▲ zur Diagnostik von im Thorax-CT vergrösserten oder PET-positiven Lymphknoten im Mediastinum. Die thorakoskopische Wedgeresektion unklarer Rundherde erlaubt – im Gegensatz zur endobronchialen oder CT-gesteuerten, transthorakalen Punk-
tion zu diagnostischen Zwecken – eine eindeutige Diagnose und, bei Karzinomnachweis, gleichzeitig die tumorbiologisch adäquate komplette Entfernung des Befundes. Zur Abklärung suspekter Lymphknoten im Mediastinum stellt die chirurgische Mediastinoskopie den Goldstandard für die genaue Erfassung des Lymphknotenbefalls dar. Die EBUS (= endobronchialer Ultraschall)-gesteuerte transbronchiale Punktion verdächtiger Lymphknoten im Mediastinum gewinnt aufgrund ihrer geringeren Invasivität und hoher Sensitivität zunehmend an Bedeutung. Allerdings hat sie Grenzen durch eine erhöhte Rate von falschnegativen Resultaten. Eine nicht mehr wegzudenkende Rolle beim Staging des Bronchialkarzinoms hat die Positronenemissionstomografie (PET), vor allem als Kombinationsuntersuchung mit der Computertomografie (CT), dem sogenannten PET-CT. Bei der Planung einer chirurgischen Resektion kann mithilfe dieses bildgebenden Verfahrens zum einen das Resektionsausmass bestimmt werden, zum anderen werden – dank dem hohen negativen Voraussagewert des PET bezüglich mediastinaler Lymphknotenmetastasen oder extrathorakaler Metastasen – unnötige Eingriffe verhindert, oder allenfalls die Chirurgie erst nach einer neoadjuvanten Therapie eingesetzt.
Abbildung 1: Stadieneinteilung des NSCLC nach UICC (Stand 2008)
Empfehlung: Eine möglichst exakte präoperative, durch Gewebeuntersuchung hinterlegte Diagnostik und Stadieneinteilung ist essenziell für die optimale Therapieempfehlung.
Chirurgie im frühen Stadium (Stadium I bis II)
Das nichtkleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) im frühen Stadium schliesst Patienten im Stadium I (T1– T2 N0 M0) oder Stadium II (T1–2 N1 M0 oder T3 N0 M0) ein. Nahezu 30% aller Patienten präsentieren
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sich bei Diagnosestellung im Stadium I oder II der Erkrankung. Die klinische Erfahrung, basierend auf grossen retrospektiven Datenanalysen, zeigt, dass die chirurgische Entfernung des Tumors die beste Aussicht auf Heilung in diesen frühen Stadien bringt. Die Fünf-JahresÜberlebens-Raten betragen 60 bis 80% im Stadium I und 40 bis 50% im Stadium II. Eine anatomische Lobektomie sollte bei allen Patienten, die dies tolerieren, einer «sublobaren» Resektion (= nicht anatomische Keilresektion oder anatomische Segmentresektion) vorgezogen werden. Die Lokalrezidivrate wird dadurch dreifach vermindert und das Langzeitüberleben verbessert. Jedoch haben Patienten mit einem peripher gelegenen Tumor, kleiner als 2 cm, und ohne Lymphknotenmetastasen ein gleich gutes Langzeitüberleben mit einer anatomischen Segmentresektion wie mit einer Lobektomie. Zusätzlich profitieren Patienten, welche eine grössere Resektion aufgrund ihrer schlechten Lungenfunktion nicht tolerieren, von einer Segmentektomie – im Vergleich zu einer nicht chirurgischen Intervention. Ein fester Bestandteil der Operation ist die systematische radikale Lymphadenektomie, die eine präzise pathologisch definierte Stadieneinteilung erlaubt. Der Eingriff sollte von einem Thoraxchirurgen mit Schwerpunkt Lungentumoren durchgeführt werden, da damit die perioperative Mortalität und auch das Langzeitüberleben der Patienten besser ist, verglichen mit den Interventionen durch Chirurgen, welche diese Operationen nur gelegentlich durchführen (Abbildung 2). Die Verwendung der minimalinvasiven videoassistierten Technik (VATS) ist für Tumoren bis 5 cm im Stadium I und II eine akzeptierte Alternative zu den offenen Verfahren – sofern der Eingriff durch Chirurgen erfolgt, welche in dieser Technik sehr erfahren sind. Auch hierbei wird die Lobektomie anatomisch durchgeführt, und die intraoperative systematische mediastinale Lymphknotendissektion wird als integraler Bestandteil der Operation eingeschlossen. Eine platinhaltige Chemotherapie sollte allen vollständig resezierten Patienten im Stadium II und in gutem Allgemeinzustand angeboten werden. Die adjuvante Therapie kann nach minimalinvasiver Lobektomie
Abbildung 2: Einfluss der Fallzahl auf das Überleben nach chirurgischer Resektion beim NSCLC (Bach et al., NEJM 2001)
Abbildung 3: Minimalinvasive videoassistierte (VATS-)Lobektomie
früher gegeben werden; sie wird zudem von den Patienten besser toleriert. Nicht chirurgische Behandlungsansätze sollten in den Stadien I und II der Erkrankung nur in kontrollierten, vergleichenden Studien erfolgen.
Empfehlung: In den frühen Stadien des Bronchialkarzinoms ist die chirurgische Resektion die primäre Therapie der Wahl, eventuell unterstützt durch eine adjuvante Therapie. Die minimalinvasive Technik durch VATS gewinnt hier in erfahrenen Händen zunehmend an Bedeutung (1).
Chirurgie im fortgeschrittenen Stadium (Stadium IIIA)
Bei Patienten im Stadium IIIA (ca. 10% aller Patienten) steht vor allem das Vorliegen von ipsilateralen mediastinalen Lymphknotenmetastasen (N2) im Vordergrund. Patienten mit einer T3N1-Erkran-
kung gehören zwar – aufgrund ähnlicher Überlebensraten wie bei denjenigen mit mediastinalem Lymphknotenbefall – ebenfalls in die Stadium-IIIA-Gruppe, die Therapieempfehlungen sind jedoch dieselben wie im Stadium II. Erweiterte Resektionen bei Einwachsen des Tumors in die Brustwand oder in das Mediastinum führen bei radikaler Entfernung des Tumors zu einem Fünf-Jahres-Überleben von 40 bis 50%. Ob eine zusätzliche Radiotherapie oder Chemotherapie indiziert ist, hängt vom Resektionsabstand respektive dem Lymphknotenbefall ab und wird individuell entschieden. Die Fünf-Jahres-Überlebens-Rate liegt bei diesen Patienten bei nur 20–25%; bei keiner Patientengruppe wird die zu empfehlende Therapie so kontrovers diskutiert. Hauptprobleme bereiten: ▲ das breite Spektrum des Lymphkno-
tenbefalls – von der auf eine Lymphknotenstation beschränkten Mikro-
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metastase bis zum ausgedehnten, die Lymphknotenkapsel überschreitenden Mediastinalbefall ▲ eine gewisse Schwierigkeit, den Befall dieser Lymphknoten bereits vor einer geplanten chirurgischen Resektion genau zu diagnostizieren und zu differenzieren. Bei bis zu 25% der Patienten wird trotz sorgfältiger präoperativer Diagnostik inklusive PET-CT und Mediastinoskopie ein okkulter N2-Befall erst im Rahmen der chirurgischen Resektion des Tumors festgestellt. Bei einem Drittel der Patienten mit mediastinalem Lymphknotenbefall sind die hilären oder lobären Lymphknoten (N1) nicht befallen, was die Notwendigkeit einer systematischen mediastinalen Lymphknotendissektion zur genauen pathologischen Stadieneinteilung deutlich macht. Ob die radikale Resektion aller mediastinalen Lymphknoten bei der Operation einen Überlebensvorteil bringt, ist nach wie vor unklar. Entscheidend für die Therapieabfolge ist also, ob vor der geplanten chirurgischen Resektion ein N2-Befall nachgewiesen werden kann oder nicht. Die hier zur Verfügung stehenden Methoden wurden oben bereits erwähnt. Patienten, bei denen intraoperativ eine okkulte N2-Erkrankung diagnostiziert wird, profitieren von einer vollständigen Resektion des Primärtumors und der mediastinalen Lymphknoten. Diese Patienten sollten bei gutem Allgemeinzustand einer adjuvanten Chemotherapie zugeführt werden. Eine zusätzliche lokale Radiotherapie zur Prävention eines Lokalrezidivs kann anschliessend diskutiert werden. Eine postoperative kombinierte Chemoradiotherapie wird in diesen Fällen nur im Rahmen von klinischen Studien empfohlen. Bei präoperativ bekanntem N2-Stadium sollte vor der definitiven Therapieempfehlung ein interdisziplinäres Panel, bestehend aus Thoraxchirurgen, Onkologen, Strahlentherapeuten und Pneumologen, das am besten geeignete Vorgehen besprechen. Die chirurgische Resektion als primäre und solitäre Therapie wird generell nicht empfohlen. Sowohl neoadjuvante (Induktionschemo- oder Chemoradiotherapie) als auch adjuvante Therapien sollten im Rahmen von klinischen Studien erfolgen. Aufgrund der jetzigen
Datenlage verspricht die neoadjuvante Therapie einen leichten Überlebensvorteil. Ein klinisches und gegebenenfalls pathologisches Re-Staging ist nach neoadjuvanter Therapie vor der geplanten Resektion unbedingt durchzuführen. Ein Tumordebulking ohne komplette Resektion ist im Stadium IIIA (aber auch in anderen Stadien) nicht empfehlenswert. Jedoch können Patienten mit kompletter Resektion bei N2-Erkrankung von einer postoperativen platinhaltigen Chemoradiotherapie profitieren. Patienten mit einem Multi-Level-N2-Befall und einem guten Allgemeinzustand sollten nicht mehr nur radiotherapiert, sondern einer kombinierten platinhaltigen Chemo(-radio)therapie zugeführt werden. Auch hier sollte bei gutem Ansprechen und bei zu erwartender kompletter Resektion (mit akzeptablem Mortalitätsrisiko) die Operation geprüft werden.
Empfehlung: Im fortgeschrittenem Stadium (Stadium IIIA) des Bronchialkarzinoms mit mediastinalem Lymphknotenbefall wird die chirurgische Resektion nicht als alleinige Therapie empfohlen, sondern in Ergänzung mit adjuvanten Therapien, entweder vor oder nach der Resektion. In aller Regel erfolgt dies vor der Resektion. Entscheidend sind Radikalität und systematische Dissektion der mediastinalen Lymphknoten für ein exaktes histopathologisches Staging (2).
Chirurgie im späten Stadium
Tumoren in den Stadien IIIB und IV gelten in der Regel als nicht resektabel, sie werden also primär einer nicht chirurgischen Therapie zugeführt. Wird das späte Stadium erst intraoperativ diagnostiziert, sollte trotzdem eine möglichst radikale Resektion geprüft werden, sofern dies mit akzeptablem Risiko erfolgen kann. Bei nicht gegebener lokaler Radikalität der Operation steht die Palliation des Patienten im Vordergrund. Entsprechend ist der Entscheid zum Abbruch des Eingriffs zu treffen. Bei Vorliegen von singulären Metastasen eines Bronchialkarzinoms (nicht selten wird der Primärtumor erst nach Resektion z.B. einer zerebralen Metastase gefunden) und gutem Allgemeinzustand
des Patienten hat die chirurgische Resek-
tion eine klare Bedeutung. So kann bei
radikaler Resektion des primären Lun-
gentumors nach zerebraler Metastasen-
resektion ein Fünf-Jahres-Überleben von
bis zu 40% erreicht werden. Auch hier
empfiehlt sich die systematische Dissek-
tion der mediastinalen Lymphknoten zur
Entscheidungsfindung einer allfälligen
adjuvanten Therapie.
Im Übrigen steht die Chirurgie als Pallia-
tivtherapie im späten Stadium der Er-
krankung zur Verfügung.
▲
Empfehlung: Im späten Stadium der Erkrankung steht in erster Linie die Palliation des Patienten im Vordergrund, so auch bei der chirurgischen Therapie. Bei singulären Metastasen kann die radikale Resektion des Primärtumors und der Metastase aber auch einen Überlebensvorteil bringen.
Prof. Dr. med. Walter Weder (Korrespondenzadresse) Direktor Klinik für Thoraxchirurgie UniversitätsSpital Zürich Rämistr. 100 8091 Zürich E-Mail: walter.weder@usz.ch
und
PD Dr. med. Sven Hillinger Oberarzt Klinik für Thoraxchirurgie UniversitätsSpital Zürich Rämistr. 100 8091 Zürich E-Mail: sven.hillinger@usz.ch
Quellen: 1. Scott, W.J. et al.: Treatment of Non-small Cell Lung Cancer Stage I and Stage II. ACCP EvidenceBased Clinical Practice Guidelines. Chest. 2007; 132: 234S–242. 2. Robinson, L.A. et al.: Treatment of Non-small Cell Lung Cancer Stage IIIA. ACCP Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest. 2007; 132: 243S–265.
Weitere Literatur bei den Verfassern.
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