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«Tumortage Winterthur 2008» als Infoplattform für Patienten, Angehörige, Interessierte
«Wir möchten, dass die Menschen mit Krebs ihre Schwellenangst verlieren»
Am 8. und 9. Februar 2008 fanden in Winterthur erstmals «Tumortage» für Betroffene statt, initiiert und organisiert von PD Dr. med. Miklos Pless, Chefarzt Onkologie, und Dr. Urs Meier, Chefarzt der RadioOnkologie am Kantonsspital Winterthur. Mit von der Partie waren leitende Spitalärzte aus der Region, welche in Vorträgen und Workshops neuestes medizinisches Wissen zu Krebs laiengerecht erklärten. Miklos Pless gab zu Hintergründen und Zielen Auskunft.
Schweizer Zeitschrift für Onkologie: Herr Dr. Pless, sind Sie zufrieden mit der bisherigen Resonanz, sprich der Teilnehmerzahl, an diesen «Tumortagen»? PD Dr. med. Miklos Pless: Ja sehr. Es haben 210 Personen, sprich Betroffene, Angehörige oder Interessierte (ausser Veranstaltern und Hilfskräften) an den «Tumortagen» teilgenommen.
Was hat Sie dazu motiviert, diese beiden «Tumortage» für Patienten, Angehörige und Interessierte zu veranstalten? Pless: Nun, Ärzte haben die Möglichkeit, sich an nationalen und internationalen Kongressen fortzubilden und zu diskutieren. Eine solche Infoplattform für Patienten und Angehörige fehlt völlig. Sie können sich bei ihrem Haus- oder Facharzt erkundigen; bei ihm erhalten sie mehr oder weniger laiengerechte Informationen. Wenn sie vertiefte oder weitere Information möchten, gehen sie meist ins Internet und finden dort entweder gute oder aber ziemlich schlechte Seiten, was den Wissenschaftsgehalt angeht. Der Laie hat aber keine Ahnung, wie er solches werten muss. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, die «Tumortage Winterthur» ins Leben zu rufen, wo sich Patienten und Angehörige durch umfassende und direkte Information durch Spezialisten und durch Austausch untereinander eine Meinung bilden können.
Welche Botschaft(en) möchten Sie herüberbringen? Wie möchten Sie die Betroffenen erreichen? Pless: Wir möchten auf dieser Plattform die Menschen als mündige Bürger ansprechen, die sich selbst ein Urteil über Therapien, Präventionsstrategien und vieles mehr bilden sollen. Dafür bieten wir Hauptvorträge und 16 Workshops zu
Aus dem Programm: «Tumortage Winterthur»
Hauptreferate: ▲ Wenn die Brust nicht mehr gesund ist!
(Dr. med. J. Schneider, Wetzikon) ▲ Die moderne Behandlung von Lungenkrebs: endlich Hoffnung!
(PD Dr. med. Miklos Pless, Winterthur) ▲ Darmkrebs: Nutzen und Gefahren einer Operation
(Prof. Dr. med. M. Decurtins, Winterthur)
Öffentliche Veranstaltung: ▲ Interaktives Theater «Alles Liebe ...»
Workshops (3 von insgesamt 16): ▲ Lungenkrebs (Leitung: Dr. med. T. Hess, Winterthur) ▲ Das A und O der Ernährung bei Tumorleiden (Prof. P.E. Ballmer, Winterthur) ▲ Gebärmutter- und Eierstockkrebs – Früherkennung und Therapiemöglichkeiten
(Dr. med. M. Eberhard, Schaffhausen)
verschiedenen Themen rund um Krebs an. Die Teilnehmer können sich über den neuesten Wissensstand informieren, Fragen stellen, diskutieren und Kontakte knüpfen.
Sie beschreiben in Ihrem Vortrag auch neue medikamentöse Therapien für bestimmte Situationen. Fürchten Sie nicht «Halbwissen» oder Complianceprobleme durch möglicherweise falsches Verständnis, beispielsweise dass jetzt vermehrt an Sie herangetreten wird: «Herr Doktor, ich möchte jetzt unbedingt auch das neue Medikament, das Sie da so toll beschrieben haben!»? Pless: Sogenanntes Halbwissen ist wesentlich schlimmer, wenn Patienten zweifelhafte Internetseiten, Broschüren oder Ähnliches als Wissensgrundlage benutzen oder allein vom zufälligen Hörensagen aus der Bekanntschaft ihre Kenntnisse beziehen. Diese Infoplattform soll damit möglichst «aufräumen». Wenn etwas über eine Behandlung falsch verstanden wurde, können wir im Gespräch
erklären, wann dieses oder jenes Medikament angezeigt ist und wann nicht. Ganz wichtig in unserer Absicht ist auch, dass die Menschen bei diesen «Tumortagen» eine gewisse Schwellenangst verlieren und sich trauen, Fragen zu stellen, gerade auch über Dinge, die sie irgendwo gehört oder gelesen haben.
Die Infotage mit einem Teilnehmerbetrag von 75 Franken erscheinen teuer, oder? Pless: Das finde ich nicht. Sehen Sie, die Leute bekommen über fast zwei Tage wertvolle medizinische Information, können Experten befragen, sich unter ebenfalls Betroffenen austauschen, erhalten die Inhalte des Kongresses schriftlich sowie Infomaterial der Krebsliga Schweiz und weiterer öffentlicher Zentren sowie Informationen der Selbsthilfegruppen. Dazu gibt es drei kostenfreie Mahlzeiten und ein Theaterstück, alles in angenehmen Räumen und zentral gelegen. Für Begleitpersonen kostet die Teilnahme 45 Franken. Ich finde das gar nicht zu teuer.
38 ONKOLOGIE 2/2008
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«Tumortage Winterthur 2008» als Infoplattform für Patienten, Angehörige, Interessierte
Zudem: Leute, die das nicht zahlen können, bekommen die Beträge auf Antrag von der Zürcher Krebsliga bezahlt.
Wie wird denn der Grossteil der Veranstaltung finanziert? Wer sind die Partner? Pless: Die Einnahmen durch die Teilnehmerbeträge decken bei Weitem nicht die Kosten dieser Veranstaltung. Finanziert wird durch Sponsoring von Pharmaunternehmen. Diesen gilt ein grosses Lob, denn sie haben uns keinerlei Auflagen oder Vorschriften gemacht; wir sind als Veranstalter vollkommen frei. Träger ist das Kantonsspital Winterthur, fünf weitere Spitäler aus der Region sind involviert. Die Veranstaltung steht ferner unter dem Patronat der Krebsliga Zürich.
Sind weitere «Tumortage» geplant? Pless: Ja, vorgesehen sind regelmässige «Tumortage», am besten jedes Jahr. Wir werden dieses Jahr unsere ersten Erfah-
rungen sammeln. Unser Ziel ist, dass die Menschen mit der Diagnose Krebs ihre Krankheit verstehen lernen und sich nicht damit in ihr Kämmerchen, also in die Isolation zurückziehen. Sie sollen ihre Schwellenangst verlieren, aktiv nachfragen. Wenn so viele Menschen zusammenkommen und sagen «Ich bin Patient», Dann ist das schon ein toller Erfolg!
Herr Dr. Pless, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Die «Tumortage Winterthur» fanden am
8./9. Februar 2008 in den Gebäuden der
Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften in Winterthur statt. Das
Interview führte Bärbel Hirrle.
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Das Tumorzentrum am Kantonsspital Winterthur
Mit dem Ziel, die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Onkologie in der Region weiter zu optimieren, hat das Kantonsspital Winterthur (KSW) das «Tumorzentrum Winterthur» ins Leben gerufen. Die Aktivitäten der medizinischen Onkologie und der Radio-Onkologie werden im Tumorzentrum Winterthur integriert und koordiniert. Hier laufen auch die Fäden aller übrigen krebsmedizinischen Disziplinen am KSW zusammen. Unter der Leitung von PD Dr. Miklos Pless, FMH für Innere Medizin, Medizinische Onkologie und Hämatologie, bietet das Tumorzentrum für die niedergelassenen Ärzte einen telefonischen Konsiliardienst, der für Fachauskünfte reserviert ist. Tel. (Sekretariat): 052-266 33 60