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Im Fokus: Hereditäre Tumorkrankheiten bei Frauen
Die Durchführung eines Gentests
Praktische Aspekte und genetische Beratung bei hereditären Tumoren
Genetische Untersuchungen zum Nachweis spezifischer Mutationen bei hereditären Tumorerkrankungen können aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. Im Folgenden werden Indikationen, Voraussetzungen und Konsequenzen einer Genanalyse für die Betroffenen und Angehörigen sowie psychologische Aspekte in der Beratung aus der Sicht des medizinischen Genetikers aufgezeigt.
PETER MINY, DENISE HÜRLIMANN
Genetische Veränderungen liegen letztlich den meisten Krebserkrankungen zugrunde. Dabei handelt es sich meist um erworbene, lokale (d.h. auf das betroffene Gewebe beschränkte) Veränderungen, die als somatische Mutationen nicht vererbt werden. Sie spielen allerdings in der Diagnostik von vielen Krebserkrankungen eine zunehmend wichtige Rolle, da genetische Merkmale wichtige Hinweise für Prognose und Therapie geben können.
Die Situation bei hereditären Tumoren
Im Gegensatz zu Genanalysen in dieser Absicht sind genetische Untersuchungen zum Nachweis spezifischer Mutationen bei hereditären Tumorerkrankungen selten. Diese Untersuchungen können indiziert sein: ▲ bei manifester Erkrankung zur Bestätigung der
klinischen Verdachtsdiagnose ▲ bei Angehörigen von Erkrankten, um eine prädis-
ponierende Mutation nachzuweisen oder auszuschliessen ▲ auf Wunsch einer Person, die einer Population mit erhöhtem Erkrankungsrisiko für einen Tumor angehört, kann nach häufigen prädisponierenden Mutationen gefahndet werden. Das jeweilige Vorgehen bei Vorbereitung und Durchführung einer genetischen Untersuchung hängt von der Indikation sowie der infrage stehenden Tumorerkrankung ab. Hereditäre Tumorerkrankungen sind insgesamt selten und betreffen vermutlich weniger als 5% aller Tumorpatienten. Etwa 50 monogen erbliche Tumorerkrankungen, die nach den Mendelschen Regeln
vererbt werden, sind heute bekannt. Tabelle 1 zeigt diejenigen, deren Untersuchung in der Schweiz von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen wird. Zusätzlich sind gegenwärtig etwa 100 weitere monogene Erkrankungen bekannt, die mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen. Bei den hereditären Tumorerkrankungen sind pathogenetisch beispielsweise aktivierende Mutationen in Onkogenen (z.B. RET bei der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2) oder der Verlust der Heterozygotie (LOH) bei Tumor-Suppressor-Genen nach dem «Twohit-Modell» (z.B. BRCA1 und BRCA2 beim erblichen Brustkrebs) von Bedeutung (1). Genetische Untersuchungen bei hereditären Tumorund anderen genetischen Erkrankungen sind seit dem vergangenen Jahr in der Schweiz durch das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) geregelt (2). In der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) und ihrem Anhang, der Analysenliste, sind die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung in diesem Zusammenhang definiert.
Genetische Untersuchungen bei Erkrankten
Bei manifester Erkrankung ist eine genetische Untersuchung indiziert, wenn der vermutete hereditäre Charakter der Tumorerkrankung bestätigt werden soll. Der Nachweis einer spezifischen Mutation kann für die Prognose, die Behandlung sowie bei jungen Patientinnen auch für Entscheidungen im Rahmen der Reproduktion von Bedeutung sein. Sie ist zudem eine unabdingbare Voraussetzung für den sicheren Nachweis respektive Ausschluss einer Prädisposition
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Tabelle 1:
Kostenübernahme der genetischen Untersuchung
A Hereditäre Tumorerkrankungen Bei Verdacht auf folgende Erkrankungen wird die genetische Untersuchung von der obligatorischen Krankenversicherung erstattet: ▲ Hereditäres Brust- oder Ovarialkrebs-Syn-
drom, Gene BRCA1 und BRCA2 ▲ Polyposis coli oder attenuierte Form der
Polyposis coli, Gen APC ▲ Hereditäres Kolonkarzinom-Syndrom ohne
Polyposis (hereditary non polypotic colon cancer HNPCC), Gene MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 ▲ Retinoblastom, Gen RB1 ▲ Li-Fraumeni-Syndrom ▲ Multiple endokrine Neoplasien
für die Tumorerkrankungen bei Familienangehörigen mit Risiko. Heute wird häufig übersehen, dass ohne Untersuchung des Indexpatienten eine verlässliche Diagnostik bei Angehörigen unmöglich ist. Auch bei dieser sogenannten diagnostischen Testung ist ein Einverständnis der Patientin (bzw. ihres gesetzlichen Vertreters) erforderlich. Rein formaljuristisch gelten allerdings etwas weniger strenge Bestimmungen im Vergleich zur genetischen Untersuchung mit prädiktivem Charakter. Trotzdem empfiehlt sich eine eingehende Besprechung des Zwecks der Untersuchung sowie der Bedeutung des Nachweises (bzw. auch eines Nicht-
Nachweises) einer Mutation. Während die genetische Beratung in jedem Falle von der obligatorischen Krankenversicherung zu übernehmen ist, gilt dies für die eigentliche Laboruntersuchung nur für Erkrankungen, die in der sogenannten Analysenliste aufgeführt sind (Tabelle 1). Dies ist leider heute insbesondere für zahlreiche seltene erbliche Tumorerkrankungen nicht der Fall. Hier empfiehlt sich ein vorgängiges Kostengutsprachegesuch an die Krankenversicherung, auch wenn dies leider – aus rein formalen Gründen – häufig abschlägig beschieden wird.
Genetische Tests zur Diagnose einer Prädisposition
Wenn bei einem erkrankten Familienangehörigen die zugrunde liegende Mutation identifiziert werden konnte, besteht die Möglichkeit, eine prädiktive Diagnostik bei nicht erkrankten Familienangehörigen durchzuführen. Für eine solche Untersuchung kann es gute Gründe geben, jedoch sollten Vor- und Nachteile sorgfältig erwogen werden. Im GUMG sind aus diesem Grunde strenge Anforderungen an die vorgängige Beratung sowie die informierte Zustimmung der Patientin festgeschrieben. Präsymptomatische genetische Untersuchungen dürfen nach Artikel 132 GUMG nur von Ärztinnen und Ärzten veranlasst werden, die über eine entsprechende Weiterbildung verfügen. Darüber hinaus haben sie für eine genetische Beratung zu sorgen. Diese soll vor und nach der Unter-
Tabelle 2:
Kostenübernahme der genetischen Untersuchung
B Prädisposition für hereditäre Tumorerkrankungen (Angehörige von Patienten) Die genetische Untersuchung wird – unter bestimmten Voraussetzungen* – von der obligatorischen Krankenversicherung bei Angehörigen ersten Grades von Patientinnen und Patienten mit folgenden Erkrankungen erstattet: ▲ hereditärem Brust- oder Ovarialkrebs-Syndrom ▲ Polyposis coli/attenuierter Form der Polyposis coli ▲ hereditärem Kolonkarzinom-Syndrom ohne Polyposis (hereditary non polypotic colon cancer HNPCC) ▲ Retinoblastom.
* Genetische Beratung, Indikationsstellung für genetische Untersuchungen und Veranlassen der dazugehörigen Laboranalysen gemäss Analysenliste (AL) durch Fachärztinnen und Fachärzte für Medizinische Genetik oder Mitglieder des «Network for Cancer Predisposition Testing and Counseling» des Schweizerischen Instituts für Angewandte Krebsforschung (SIAK), die den Nachweis einer fachlichen Zusammenarbeit mit einem Facharzt oder einer Fachärztin medizinische Genetik erbringen können (KLV Art. 12v).
suchung stattfinden und dokumentiert werden (Art. 14 GUMG). Zwischen Beratung und Durchführung der Untersuchung soll eine angemessene Bedenkzeit liegen. Im Artikel 14 ist ebenfalls der Umfang der Beratung recht ausführlich beschrieben. Die Zustimmung zur Untersuchung hat schriftlich zu erfolgen. Beim Abschluss privater Versicherungen dürfen Lebensversicherer nur dann eine Offenlegung verlangen, wenn die Versicherungssumme 400 000 Franken übersteigt oder die freiwillige Invaliditätsversicherungen eine Jahresrente von 40 000 Franken übersteigt (Art. 27 GUMG). Damit wurde die jahrelange Moratoriumsregelung, welche mit vielen Unwägbarkeiten verbunden war, durch eine klare Bestimmung ersetzt, die den Anliegen der meisten betroffenen Patientinnen entgegenkommen sollte (3). Der Nachweis einer prädisponierenden Mutation erlaubt eine Optimierung der Vorsorgemassnahmen respektive eine prophylaktische chirurgische Therapie. Um den Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung nicht zu unterlaufen, kommt eine Untersuchung bei Kindern nur dann infrage, wenn sich therapeutische Konsequenzen bereits im Kindesalter ergeben. Eine Kostenübernahmepflicht für Prädispositionsuntersuchungen besteht ebenfalls nur für wenige Erkrankungen, die im Massnahmenkatalog Prävention (Krankenpflegeleistungsverordnung Art. 12v; [Tabelle 2]) aufgeführt sind. Die gesetzlichen Regelungen sind insbesondere für Familien mit seltenen hereditären Tumorerkrankungen derzeit äusserst unbefriedigend, da diese Betroffenen aus administrativen Gründen von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind.
Psychologische Aspekte
Worauf soll eine Ärztin oder ein Arzt aus psychologischer Sicht bei der genetischen Beratung von Personen mit einem Tumorrisiko achten? Im Folgenden werden einige psychologische Aspekte beschrieben, welche für die genetische Beratung von Personen mit einem Tumorrisiko zu beachten sind. Im Anschluss werden konkrete Hinweise für die Beratungsgespräche gegeben.
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Risikopersonen Die in Tabelle 3 aufgeführten psychologischen Aspekte sollen deutlich machen, wie wichtig die Berücksichtigung der individuellen psychologischen Situation einer Patientin ist: Eine Patientin mit dem Risiko für eine Tumorerkrankung hat häufig Angst vor einer möglicherweise progredienten Erkrankung, welche die körperliche Integrität bedroht. In dieser Ausgangslage befinden sich die meisten Patientinnen, welche sich von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt hinsichtlich einer genetischen Testmöglichkeit beraten lassen. Die medizinisch komplexe Thematik (Krankheitsbild, Testmöglichkeiten, Untersuchungsablauf und vieles mehr) sowie die Arzt-Patienten-Asymmetrie, welche sich beispielsweise im unterschiedlichen Wissensstand deutlich macht, wirken auf viele Patientinnen zusätzlich verunsichernd. Unsicherheit ist ein psychologisches Konstrukt, welches in einer solchen Beratungssituation bei sehr vielen Patientinnen vorhanden und für ein Beratungsgespräch durchaus prägend ist. Auch über den Ausgang eines möglichen Tests herrscht Unsicherheit. Das Resultat könnte positiv sein und eine Patientin damit vor zahlreiche neue Probleme stellen, oder es könnte negativ sein, was auch wieder weitere Probleme nach sich ziehen kann. Bei einem negativen Bescheid fühlen sich manche Patientinnen schuldig, man spricht in diesem Kontext vom «Survivor guilt» oder «Survivor syndrome», insbesondere wenn andere Familienmitglieder ein positives Resultat erhalten. Die Antizipation des möglichen Testresultats kann bei den zu beratenden Patientinnen einen Einfluss haben. Die Situation der Patientin mit einem Tumorrisiko in einer genetischen Beratung erfüllt die von Mason (4) definierten Stressfaktoren: ▲ Unkontrollierbarkeit (bspw. über den
Testausgang, den Ausbruch der Krankheit) ▲ Neuartigkeit ▲ Ego-Involvement (es geht um nichts Geringeres als die eigene Gesundheit) ▲ Unvorhersagbarkeit ▲ Antizipation (beispielsweise einer Diagnose).
Ein Beratungsgespräch kann für eine Patientin psychosozialen Stress bedeuten. Die Lebensumstände der Patientin dürfen bei der Beurteilung der psychologischen Dimension der genetischen Beratungsgespräche nicht ausser Acht gelassen werden. Der Beruf, die Partnerschaft, die Familie und grundsätzlich die Ressourcen, welche eine Patientin zur Verfügung hat, spielen eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang soll auch der Aspekt der Laientheorie zur Ätiologie von Krebs angesprochen werden. Häufig haben Krebspatientinnen eine Erklärung dafür, weshalb die Krankheit bei ihnen ausgebrochen ist. Das ist nachvollziehbar: Da es sich mit Unsicherheit nur schwer leben lässt, neigt die Betroffene nicht selten dazu, sich eine Erklärung zurechtzulegen. In diesen Erklärungen sind Schuldthemata, aber auch Aspekte einer «Krebspersönlichkeit» häufig anzutreffen. Die Erklärungen können deutlich dysfunktional sein. Auch Angehörige und Risikopatientinnen machen sich häufig Gedanken über den Grund einer Erkrankung; Laientheorien zur Krankheitsentstehung werden psychologisch sehr wichtig. Weitere psychologische Aspekte mit Einfluss auf die Beratungssituation nach einem Test sind: ▲ Irreversibilität der genetischen Tests ▲ Lieferung einer Wahrscheinlichkeits-
aussage statt sichere Aussage zum Ausbruch und Ausmass einer Tumorerkrankung ▲ verstärkte Wahrnehmung möglicher Krebssymptome («Interozeption») (z.B. Schmerzen in bestimmten Körperregionen). Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass eine Patientin an einer psychischen Störung leiden und dies die Beratungssituation prägen kann. Denkbar ist eine Trauerreaktion über den Verlust eines Familienangehörigen bis hin zur komplizierten Trauer, Anpassungsstörung, Angststörung oder affektiven Störung. Eine manifeste psychische Störung sollte auf jeden Fall behandelt werden.
Hinweise zur Informationsweitergabe
Häufig sind in den Beratungsprozess einer Patientin oder «Risikofrau» zahlreiche
Tabelle 3:
Psychologische Aspekte bei Risikopersonen
▲ Angst vor einer möglicherweise progredienten Erkrankung
▲ Medizinisch komplexe Thematik (Wissensgefälle)
▲ Unsicherheit über möglichen Testausgang ▲ Survivor syndrome ▲ Stressfaktoren: Unkontrollierbarkeit,
Neuartigkeit, Ego-Involvement u.a. ▲ Beeinflussende Lebensumstände: Beruf,
Partnerschaft, Familie ▲ Irreversibilität der Tests ▲ Tests liefern nur Wahrscheinlichkeitsaus-
sagen ▲ Laientheorien (Schuldthematik u.a.) ▲ Verstärkte Wahrnehmung möglicher Krebs-
symptome ▲ Mögliche Komorbiditäten (Trauer, Angst-
störung u.a.)
Tabelle 4:
Hinweise zu den Beratungsgesprächen
▲ Rahmenbedingungen guter Kommunikation einhalten
▲ Grund für genetische Abklärung abklären ▲ Erfahrungshintergrund der Patientin klären ▲ Möglichst Angehörige einbeziehen ▲ Gefühle einbeziehen ▲ Information pro Konsultation begrenzen
(Aufnahmekapazität!) ▲ Explizit Gelegenheit für Fragen geben ▲ Unterlagen abgeben ▲ Auf alternative Massnahmen eingehen ▲ Ggf. Dolmetscher bei fremdsprachigen
Patientinnen einbeziehen ▲ Sachverhalt grafisch darstellen ▲ Hilfestellungen bei der Interpretation, dem
Umgang mit Risiko geben ▲ Aktive Bewältigungsstrategien ermöglichen ▲ Hilfen beim Entscheid für oder gegen pro-
phylaktische Massnahmen geben
Fachexperten involviert: Hausarzt, Gynäkologe, Onkologe, Genetiker, die Krebsliga, plastische Chirurgen (u.a.). Dies, vor allem aber die psychologische Betroffenheit und die Komplexität des Themas, macht den Beratungsprozess wichtig und anspruchsvoll. Dabei sind insbeson-
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dere die Kommunikation und die Wahrnehmung von Risiken problematisch. Ein aus psychologischer Sicht wichtiges Ziel der genetischen Beratung ist es, eine Patientin zu befähigen, einen Entscheid bezüglich genetischer Testmöglichkeiten zu fällen. Zudem muss grundsätzlich eine Haltung gegenüber der potenziellen Tumorerkrankung eingenommen werden (Tabelle 4). Das Einhalten der Rahmenbedingungen guter Kommunikation wie genügend Zeit, ein adäquater Ort sowie die Ungestörtheit im Gespräch darf hier vorausgesetzt werden. In den Beratungsgesprächen ist es wichtig, den Grund für die genetische Abklärung und damit den Auftrag an den Arzt oder die Ärztin gut abzuklären: ▲ Warum kommt eine Patientin zum
jetzigen Zeitpunkt zur Beratung? ▲ Weshalb ist das Thema Tumorrisiko
jetzt gerade aktuell? Ebenso wichtig ist, die Patientin bei ihren Vorstellungen «abzuholen», das heisst die Erwartungen und den Erfahrungshintergrund zu klären. Es gilt also herauszufinden, was für ein Vorwissen die Patientin mitbringt und wie sie mit dem Krankheitsbild konfrontiert wurde (hat sie evtl. ihre kranke Mutter bis zum Tod gepflegt und begleitet?). Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einbezug von Angehörigen von den Betroffenen positiv und unterstützend erlebt wird (5). Deshalb sollten, wenn immer möglich, die Angehörigen in die Beratung miteinbezogen und auch explizit eingeladen werden. Ein weiterer Punkt, den zu berücksichtigen nicht einfach, aber notwendig ist, sind die Gefühle. Emotionen wie Angst,
Sorge, Depression, Hilflosigkeit und
Hoffnungslosigkeit sollten angespro-
chen werden. Zu beachten ist, dass nicht
zu viel Information in einer Konsultation
vermittelt werden sollte, die Aufnahme-
kapazität ist grundsätzlich beschränkt,
insbesondere in einer belastenden Situa-
tion. Entgegnen kann man diesem Um-
stand, indem man im Beratungsge-
spräch der Patientin explizit Gelegenheit
gibt, Fragen zu stellen. Durch Gegenfra-
gen kann abgeklärt werden, ob Informa-
tionen verstanden wurden. Die Abgabe
von Merkblättern kann der Betroffenen
den Überblick erleichtern und hat auch
einen positiven Effekt auf die Patien-
tinnenzufriedenheit (6). Wenn möglich,
sollten Sachverhalte (z.B. Risikokonstella-
tionen, Testverfahren) grafisch darge-
stellt werden.
Die Entscheidung für oder gegen gene-
tische Tests kann für die Patientin er-
leichtert werden, indem explizit auf Al-
ternativen eingegangen wird. Es wird
beispielsweise diskutiert, was es heissen
würde, keinen Test zu machen.
Bei der Weitergabe und Interpretation
von Testresultaten, dem Risiko und den
Wahrscheinlichkeiten einer Tumorerkran-
kung, ist eine Patientin auf die Hilfe des
Arztes angewiesen. Ein Arzt oder eine
Ärztin sollte die Entwicklung von aktiven
Verarbeitungs- und Bewältigungsstrate-
gien ermöglichen. Auch der Entscheid
für oder gegen prophylaktische Mass-
nahmen muss begleitet werden.
Eine schwierige und häufig nicht gelöste
Frage ist diejenige nach dem Umgang
mit fremdsprachigen Patientinnen. Der
Einbezug eines (Kultur-)Dolmetschers ist
in der Praxis meistens eine «Luxusvari-
ante».
▲
Prof. Dr. med. Peter Miny (Korrespondenzadresse) Medizinische Genetik UKBB/DKBW Universität Basel Römergasse 8 4005 Basel E-Mail: peter.miny@unibas.ch
und
Dr. phil. Denise Hürlimann Psychologin FSP St. Wolfgangstr. 29 6331 Hünenberg E-Mail: denise.huerlimann @psychologie.ch
Quellen:
1. Kuschel B, Köchli OR, Niederacher D, Müller H, Beckmann MW.: Hereditäre Karzinomsyndrome in der Frauenheilkunde: Was der Praktiker wissen sollte! Schweiz Med Wochenschr. 2000; 130(10): 362–375.
2. Miny P, Fokstuen S.: Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG): Praktische Konsequenzen für Anbieter, Ärzte und Patienten. Schweiz Ärztezeitung 2007; 88: 580–582.
3. Suter PA.: Beitrag des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV: Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG). Schweiz Ärztezeitung 2007; 88: 586–587.
4. Mason JW.: A review of psychoendocrine research on the pituary-adrenal cortical system. Psychosom Med. 1968; 3, 576–607.
5. Hürlimann D.: Der Beratungsprozess in der Pränatalen Diagnostik. Zentralstelle der Universität Zürich, Zürich 2005.
6. Little P, Dorward M, Warner G, et al.: Randomised controlled trial of effect of leaflets to empower patients in consultations in primary care. BMJ 2004; 328, 441.
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