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EDITORIAL
Im Fokus: Prostatakarzinome
D as Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes und in der Inzidenz vergleichbar mit dem Brustkrebs der Frau. Über 5000 neue Fälle werden jährlich in der Schweiz diagnostiziert; etwa 1300 Männer sterben jährlich an diesem Tumor. Trotzdem wird sowohl in der Tages- wie auch in der Fachpresse deutlich weniger über Prostata- als über Brustkrebs berichtet. In Medline finden sich unter dem Begriff «prostate cancer» nur rund halb so viele Artikel wie unter «breast cancer». Und doch haben in den letzten Jahren die Forschungsaktivitäten wie auch die therapeutischen Möglichkeiten beim Prostatakarzinom deutlich zugenommen. Für die Umsetzung der interessanten molekularbiologischen Erkenntnisse in die Klinik heisst es noch: abwarten.
Screening hilft Leben retten Eine Früherkennung des Prostatakarzinoms mittels einfachem PSA-Bluttest und rektaler Palpation ist möglich
Prostatakarzinom in den Fokus!
und wird Männern ohne erhöhtes familiäres Risiko ab 50. Lebensjahr vorgeschlagen. Dass durch die frühzeitige Diagnose weniger Männer an Prostatakrebs sterben müssen, hat uns das benachbarte Tirol, wo ein breites PSA-Screening durchgeführt wird, klar gezeigt. Auch wenn aufgrund der derzeitigen Datenlage die Zeit für ein generelles Screening noch nicht gekommen ist, ist es sinnvoll, Männer individuell bezüglich dieser Vorsorgemöglichkeit zu beraten. Dies liegt zu einem grossen Teil in der Hand der Hausärzte. Manche Aspekte der PSAVorsorgeuntersuchung bleiben kontrovers. Franz Recker vermittelt eine Übersicht über die verfügbaren Daten und zieht Schlussfolgerungen für den klinischen Alltag.
Deutliche Fortschritte in der Therapie In den letzten Jahren sind auch therapeutische Möglichkeiten deutlich verbessert respektive neu eingeführt worden. Mit einem Da-Vinci-Operations-Roboter kann eine laparoskopische radikale Prostatektomie sehr schonend durchgeführt werden, wie Hubert John darstellt. Pirus Ghadjar und Daniel Aebersold berichten über Fortschritte der Radiotherapie: die durch intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) erreichbare Dosiserhöhung und die schonende Brachytherapie bei ausgewählten Patienten. Richard Cathomas fasst den aktuellen Stand der systemischen Therapien zusammen. Bei der Hormonbehandlung, seit Langem ein wichtiger Eckstein der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms, ergeben sich neue Aspekte in Bezug auf Indikation, Durchführung und Nebenwirkungen. Kombinationen von Radiotherapie mit gleichzeitiger und sequenzieller Hormonbehandlung können die Therapieresultate im Vergleich zur alleinigen
Strahlentherapie beim lokalisierten Prostatakarzinom verbessern. Beim metastasierten Karzinom hat eine grosse randomisierte Studie ergeben, dass eine intermittierende Hormonbehandlung bezüglich Wirksamkeit zumindest nicht schlechter ist als eine kontinuierliche, jedoch Vorteile in Bezug auf die Lebensqualität aufweist. Im Jahr 2004 wurde gezeigt, dass eine zytostatische Therapie bei fortgeschrittenem hormonrefraktärem Karzinom nicht nur die Lebensqualität, sondern auch das Überleben dieser Patienten verbessern kann. Weitere, neue Zytostatika wie Satraplatin oder Epothilone konnten sich noch nicht als Standard etablieren.
Die Supportivtherapie internistisch im Auge Die Behandlung mit Bisphosphonaten, vor allem Zoledronat, kann Komplikationen der Knochenmetastasierung, wie Frakturen und Schmerzen, lindern oder sogar vermeiden. Neue Behandlungsmassnahmen müssen internistisch überwacht sein, um Nebenwirkungen zu vermeiden oder auch sie erkennen und behandeln zu können. Beispielsweise ist die Nierenfunktion zu überwachen und an eine Kieferknochennekrose zu denken. Als Folge des Testosteronentzugs können Wallungen und Verlust von Potenz und Libido zu behandeln sein wie auch Adynamie, Depression, Muskelschwäche, Osteoporose, Anämie, metabolisches Syndrom und vieles mehr.
Die Artikel der Fachspezialisten, die im Anschluss an das zweite interdisziplinäre Prostatakarzinomsymposium im September 2007 in St. Gallen entstanden sind, sollen Sie auf einige wichtige Neuerungen in der Diagnose und Behandlung des Prostatakarzinoms hinweisen. In den nächsten Jahren werden noch viele weitere Fortschritte erwartet!
Dr. med. Rudolf Morant Ärztlicher Leiter Tumorzentrum ZeTuP St. Gallen
ONKOLOGIE 1/2008
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