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Neue Therapien
14. Europäische Krebskonferenz (ECCO14), Barcelona, 23. bis 27. September 2007
Metastasierendes Mammakarzinom
HER2-Blocker und Tyrosinkinasehemmer: Therapiestrategien
Im Rahmen des Symposiums zum metastasierenden Mammakarzinom standen erneut neue interessante Studienresultate mit dem HER2-Blocker Trastuzumab (Herceptin®) und dem Tyrosinkinasehemmer Lapatinib (Tyverb®) im Mittelpunkt.
Die Prognose bei Patientinnen mit HER2positivem, metastasierendem Mammakarzinom hat sich seit der Verfügbarkeit der HER2-Blocker verbessert. Doch es ist gemäss Expertenmeinungen vielfach immer noch unklar, wie bei der metastasierten Form des Mammakarzinoms am besten vorgegangen werden soll.
Second Line auch Trastuzumab einschliessen?
Bringt es etwas, wenn bei Progression unter Chemotherapie plus Trastuzumab eine zweite (andere) Chemotherapie wieder mit Trastuzumab kombiniert wird? Bisher gab es nur retrospektive Analysen, die auf eine weitere Response hinwiesen. Dabei waren die Ergebnisse mit denen der Chemotherapie ohne Trastuzumab vergleichbar. Eine Antwort auf die Frage versucht die retro- und prospektive Studie HERMINE zu geben. Die Untersuchung geht der Frage nach, ob die Fortsetzung von Trastuzumab eine valable Option nach Progression eines mit Trastuzumab behandelten metastasierenden Mammakarzinoms darstellt (1). Geprüft wurden folgende Optionen: ▲ Fortführen der Therapie mit Trastuzu-
mab, aber Wechsel des Chemotherapeutikums oder ▲ Absetzen von Trastuzumab und Wechsel zu einem anderen Chemotherapeutikum. Von 250 angefragten Onkologen sagten 116 zu und liessen 102 von insgesamt 623 Brustkrebspatientinnen an der Studie teilnehmen. Diese hatten 2002 mit einer Trastuzumabtherapie begonnen. Die Daten wurden ab Anamneseerhe-
bung, zwischen November 2003 und März 2005, erfasst. Es handelt sich um Patientinnen unter Trastuzumab als Erst(n = 221), Zweit- (n = 138) oder Mehrfachbehandlung (n = 243). Die Daten von weiteren 21 Patientinnen waren nicht erhältlich.
Studienresultat: weiterhin Trastuzumab trotz Progression Die mittlere Nachbeobachtungsdauer für die Erstbehandlung mit Trastuzumab lag bei 24,4 Monaten. Die progressionsfreie Zeit betrug 10,3 Monate und die mittlere Überlebenszeit 30,3 Monate. Aus dieser Kohorte erhielten 107 Patientinnen nach einer Progression weiterhin Trastuzumab. Für diese Frauen betrug die mittlere Überlebenszeit insgesamt 21,3 Monate (ab dem erstmaligen Einsatz von Trastuzumab). Für diejenigen, die Trastuzumab absetzten, lag diese Zeit bei 4,1 Monaten (p < 0,0001). Das Gesamtüberleben der Patientinnen mit First-line-Trastuzumab lag nach zwei Jahren bei 73,7%, sofern diese Therapie weitergeführt wurde, bei Therapieabbruch dagegen bei 24,7%. Von den 110 Frauen, die Trastuzumab als Zweitbehandlung (second line) erhielten, setzten 87 nach der Progression die Behandlung damit fort. Sie erreichten eine mittlere Überlebenszeit von 27,2 Monaten ab ursprünglichem Therapiebeginn. Diejenigen, welche die Behandlung abbrachen, lebten im Mittel 15,6 Monate (p = 0,076). Die Autoren kommen zum Schluss, dass die Behandlung mit Trastuzumab trotz Progression des metastasierenden Mammakarzinoms weiterhin mit klinischem Erfolg fortgesetzt werden kann.
Lapatinibkombinationen
Lapatinib hat sich gemäss der EGF100151-Studie bei trastuzumabresistentem HER2-positivem Mammakarzinom als wirksam erwiesen (2, 3). Auch Auswertungen im weiteren Studienverlauf bestätigten die Wirksamkeit (4). Am ECCO14 wurden die neuesten Studiendaten zur Wirksamkeit präsentiert (5). Die Studie umfasst 399 Patientinnen, die mit Anthrazyklinen, Taxanen und Trastuzumab, jedoch nicht mit Capecitabin, vorbehandelt waren. Sie wurden randomisiert und erhielten in dreiwöchigen Zyklen entweder eine Kombination von Lapatinib und Capecitabin oder nur Capecitabin.
Steigerung der Tumorantwort Die Zeit bis zur Progression betrug in der Monotherapiegruppe 4,3 Monate und in der Kombinationsgruppe 6,2 Monate. Von den Letzteren verstarben 41%, in der Monotherapiegruppe waren es 51%. Die Ereignisrate liegt damit in der Lapatinibgruppe bei 0,57 (p = 0,00013). Die Zugabe des Tyrosinkinasehemmers vermochte die Tumorantwort von 13,9 auf 23,7% zu steigern. Bezüglich Hirnmetastasen als Erstmanifestationsort der Tumorprogression schnitt die Kombinationsbehandlung tendenziell besser ab als die Capecitabingruppe. Hinsichtlich der Nebenwirkungen fiel deutlich auf, dass in der Lapatinib/Capecitabin-Gruppe häufiger Diarrhö und Hautausschlag auftrat als in der Monotherapiegruppe.
Paradoxes Resultat bei HER2-negativen Tumoren Wie schneidet Paclitaxel plus Lapatinib als Kombination gegenüber Paclitaxel allein in der First-line-Behandlung ab? Die Frage wurde in Abhängigkeit von bestimmten Biomarkern wie Hormonrezeptoren, EGFR und HER2, untersucht (6). Wird keine Selektion gemäss Biomarkern vorgenommen, so ist die Zugabe von La-
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patinib nicht gerechtfertigt. Hingegen hatten die (selektierten) HER2-positiven Patientinnen unter Lapatinib einen Vorteil, sie erreichten eine signifikant längere rückfallsfreie Phase. Bei Expression von Östrogen- und Progesteronrezeptoren wurde bei HER2-negativen Tumoren kein Nutzen von Lapatinib beobachtet. Waren hingegen die Östrogenrezeptoren stark und die Progesteronrezeptoren nur schwach (aber nicht fehlend) ausgeprägt, dann schienen die betroffenen Frauen paradoxerweise von Lapatinib zu profitieren. Bei positiven Östrogen-, jedoch negativen Progesteronrezeptoren schneidet die Kombination schlechter ab als Paclitaxel alleine. Somit kann bei Fehlen von HER2 die Quantifizierung der Hormonrezeptoren noch hilfreich sein. Ob HER2-negative Patientinnen tatsächlich bei stark ausgeprägten Östrogen- und schwach vorhandenen Progesteronrezeptoren besser abschneiden, wenn zu Paclitaxel Lapatinib hinzugegeben wird, muss in weiteren Untersuchungen bestätigt werden.
Direktvergleich Trastuzumab und Lapatinib gestartet
Mit den Studien ALTTO und Neo-ALTTO kommt es jetzt zu einem Direktvergleich zwischen Trastuzumab und Lapatinib. Gleichzeitig sollen weitere Indikationen von Lapatinib geprüft werden. Bei der ALTTO-Studie (Adjuvant Lapatinib and/or Trastuzumab Treatment Optimisation Trial) handelt es sich um eine randomisierte multizentrische Studie (Open Label, Phase 3), welche Lapatinib mit Trastuzumab in der adjuvanten Therapie von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom vergleicht. Das Ziel von Neo-ALTTO liegt in der Prüfung, ob die chirurgische Resektion von HER2positiven Mammakarzinomen mit einer Grösse von über 2 cm erleichtert wird, wenn den betroffenen Frauen schon präoperativ (neoadjuvant) für 18 Wochen Lapatinib oder Trastuzumab oder beide, je in Kombination mit Chemotherapie, gegeben wird. Postoperativ sollen alle Frauen eine zuvor festgelegte adjuvante Therapie erhalten. NeoALLTO ist gemäss Prof. Monica Castiglione, Bern, eine «spannende Studie». Be-
sonders interessant findet die Onkologin, dass mit der Studie serielle Biopsien erfasst werden, um Veränderungen festzustellen und mehr über die Tumorbiologie zu lernen.
Potenziell erfolgreiche Strategie
Dass die neoadjuvante Behandlungsstra-
tegie erfolgreich sein könnte, legt eine
Studie nahe, die am ASCO 07 und am
ECCO14 mit Trastuzumab vorgelegt wur-
de: So wurde der monoklonale Antikör-
per bei lokal fortgeschrittenem HER2-
positivem Mammakarzinom neoadjuvant
zusammen mit einer Chemotherapie
(AT/CMF) verabreicht (7). Nahezu dop-
pelt so viele Patientinnen (43%) spra-
chen auf diese Therapie, Zugabe von
Trastuzumab zur Chemotherapie, an
(23% unter Chemotherapie alleine).
Dies bedeutet, dass das invasive Wachs-
tum sowohl lokal als auch in den
axillären Lymphknoten insgesamt signi-
fikant reduziert werden konnte. Beim in-
flammatorischen Mammakarzinom (IBC)
hatten fast dreimal mehr Patientinnen
eine pathologisch komplette Eradikation
in der Brust (55% vs. 19%, p = 0,004) –
respektive mehr als dreimal so viel in der
Brust und in den Lymphknoten (48%
vs. 13%, p = 0,002) – als Patientinnen mit
Chemotherapie alleine (8).
▲
Thomas Ferber
Quellen:
1. E.C. Antoine, J.M. Extra, et al.: Multiple lines of trastuzumab provide a survival benefit for women with metastatic breast cancer: results from the Hermine cohort study. ECCO 14, Barcelona, Proffered papers: Breast cancer – advanced disease, Tuesday 25 September 2007.
2. D. Cameron, S. Stein, T. Zaks, et al.: Lapatinib plus capecitabine shows superior efficacy compared to capecitabine alone in patients with ErbB2 positive advanced or metastatic breast cancer initial biomarker data. SABCS 2006; General Session 1: Abstract 2.
3. Charles E. Geyer, et al.: Lapatinib plus Capecitabine for HER2-Positive Advanced Breast Cancer. NEJM 2006; 355: 2733–2743.
4. C.E. Geyer, A. Martin, et al.: Lapatinib (L) plus capecitabine (C) in HER2+ advanced breast cancer (ABC): Genomic and updated efficacy data. Journal of Clinical Oncology, ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. 2007; 25, 18S: 1035.
5. J. Crown, D. Cameron, A.M. Martin, et al.: Lapatinib (L) plus Capecitabine (C) in HER2+ advanced breast cancer (ABC): report of updated efficacy and gene-array data. ECCO 14, Barcelona, Proffered papers: Breast cancer – advanced disease, Tuesday 25 September 2007. European Journal of Cancer Supplements, 5 (4): 212.
6. R.S. Finn, M.F. Press, et al.: Biomarker analysis of lapatinib with paclitaxel versus paclitaxel as firstline treatment in 580 patients with metastatic breast cancer. ECCO 14, Barcelona, Proffered papers: Breast cancer – advanced disease, Tuesday 25 September 2007. European Journal of Cancer Supplements 2007; 5 (4): 212.
7. L. Gianni, V. Semiglazov, G.M. Manikhas, et al.: Neoadjuvant trastuzumab in locally advanced breast cancer (NOAH): Antitumour and safety analysis. Journal of Clinical Oncology, ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. 2007; 25, 18S: 532.
8. J. Baselga, V. Semiglazov, et al. Efficacy of neoadjuvant trastuzumab in patients with inflammatory breast cancer: data from the NOAH (NeOAdjuvant Herceptin) Phase III trial. European Journal of Cancer Supplements, 2007; 5 (4): 193.
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