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Neue Therapien
Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie, Basel, 5. bis 9. Oktober 2007
Metastasiertes Nierenzellkarzinom (mRCC)
Selektive Multi-Tyrosinkinasehemmung überzeugt
Für das Nierenzellkarzinom im fortgeschrittenen Stadium, immerhin die siebthäufigs- Verbessertes Ansprechen und
te Krebserkrankung bei Männern, stand bis vor Kurzem keine wirksame Therapie zur Verfügung. Die Interferon-Therapie enttäuschte und war mit vielen Nebenwirkungen
progressionsfreies Überleben Aktualisierte, auf dem ECCO-Meeting 2007 präsentierte Daten dieser Studie (4)
behaftet. Neueste Ansätze mit zielgerichteten Therapien (targeted therapies) haben 2007 signifikante Studiendaten geliefert. Sunitinib (Sutent®), seit Anfang 2007 von der Swissmedic in der Erstlinientherapie zugelassen, hat heute den «ersten Rang» in
zeigten, dass das progressionsfreie Überleben mehr als verdoppelt werden konnte: Patienten, die mit Sunitinib behandelt wurden, hatten ein medianes
allen definierten Risikogruppen.
progressionsfreies Überleben von 11,0 Monaten (95%-KI: 10,7; 13,4) im Gegen-
satz zu nur 5,1 Monaten (95%-KI: 3,9; 5,6)
unter IFN-Alpha (p < 0,001). Das objekti- Prof. Richard Herrmann, Chefarzt Onko- mittlerem Progessionsrisiko (2). Dieser ve Ansprechen betrug 47% im Sunitinib- logie am Universitätsspital Basel, erklärte, Empfehlung hat sich die «Interdiszipli- Arm und 12% unter IFN-Alpha, war also dass die Verfügbarkeit neuer zielgerichte- näre Arbeitsgruppe Nierenzellkarzinom unter dem Prüfpräparat etwa vervierfacht ter Therapien beim metastasierten Nie- der Deutschen Krebsgesellschaft» ange- (p = 0,000001). Das partielle Ansprechen renzellkarzinom (mRCC) die bisher schlossen (3). lag bei 45% (vs. 11%), das komplette An- schwierige Behandlungssituation «schlag- In seiner multizentrischen, randomisier- sprechen bei 2% (vs.1%). Unterschiede artig» verbessert habe. 2007 seien wichti- ten, internationalen Phase-III-Studie im Gesamtüberleben erreichten in der ge, neue «Zeichen» durch markante Stu- behandelte Motzer 750 nicht vorbehan- Interimsanalyse zwar keine statistische dienresultate gesetzt worden. delte mRCC-Patienten entweder mit Su- Signifikanz, aber einen Trend zum verlän- Am diesjährigen ASCO- und ECCO- nitinib oral oder mit der bisherigen Stan- gerten Überleben unter Sunitinib. Meeting sind vielversprechende Studien- dardtherapie Interferon alpha (IFN-Al- Die Patienten mit mRCC wurden nach daten in der Erstlinientherapie mit Suni- pha) subkutan. Das progressionsfreie ihrem Progressionsrisiko in drei Risiko- tinib sowie mit Sorafinib, Temsirolismus* Überleben (PFS) war primärer Endpunkt gruppen stratifiziert (aufgestellt im Me- (Letzteres nur bei hohem Risiko) und in und damit Hauptindikator für die Wirk- morial Sloan-Kettering Cancer-Center, Zweitlinientherapien mit Bevacizumab samkeit. Die definierte «objektive An- MSKCC): Zu diesen Risikofaktoren zählen plus Interferon* (vs. Interferon allein) in sprechrate» gemäss RECIST (= Response niedriges Hämoglobin (unter dem Norm- Phase-II- und -III-Studien erstmals vorge- Evaluation Criteria in Solid Tumors), das wert), erhöhtes korrigiertes Serumkalzium stellt worden. Dabei hat allein Sunitinib in Gesamtüberleben, die Lebensqualität (> 10 mg/dl), erhöhte Laktatdehydro-
allen drei definierten Risikogruppen (s.u.) und Verträglichkeit zählten zu den sekun- genase (> 1,5-facher Normwert), schlech-
bezüglich Ansprechrate und progres- dären Endpunkten der Studie.
ter Performancestatus (Karnofsky < 80%) sionsfreiem Überleben hohe Effizienz gezeigt. Während des Kongresses der deutschsprachigen Onkologie-Gesell- schaften im Herbst erläuterte Herrmann Prix Galien 2007 für Sunitinib die Ergebnisse in den Sunitinib-Studien: Die höchste Auszeichnung für pharmazeutische Entwicklungsarbeit, den von der «Medical Tri- Empfehlungen von Fachgesellschaften für die Erst- bune» gestifteten Prix Galien für innovative Arzneimittel, erhielt in diesem Jahr der erste Vertreter der Multi-Tyrosinkinasehemmer Sunitinib (Sutent®). Der Preis wird in der Schweiz wie auch in anderen Ländern jedes Jahr von einer unabhängigen Jury verliehen. linientherapie Aufgrund der signifikanten Resultate unter Sunitinib in der Zulassungsstudie von Motzer et al. (1) und dem darauf folgenden verbreiteten Einsatz in der Praxis Sunitinib wurde aufgrund signifikanter Studienergebnisse im Februar 2007 von der Swissmedic zur Behandlung des fortgeschrittenen und/oder metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen. Ferner ist Sunitinib seit April 2006 für die Behandlung nicht reserzierbarer und/oder metastasierter gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) zugelassen, wenn die Behandlung mit Imatinib wegen Resistenz oder Unverträglichkeit unwirksam geworden ist. Gegenwärtig wird die oral anwendbare Substanz in der Mono- und empfiehlt die European Association of Kombinationstherapie bei weiteren soliden Tumoren untersucht, so vor allem beim Mamma-, Lungen- (NSCLC), Urology (EAU) die Substanz in ihren aktuellen Leitlinien als Erstlinientherapie bei mRCC-Patienten mit niedrigem und Kolorektal- und hepatozellulären Karzinom. Die orale Einnahme von Sunitinib erfolgt einmal täglich, unabhängig von den Mahlzeiten, in einer Dosis von 50 mg vier Wochen lang mit einer anschliessenden zweiwöchigen Behandlungspause vor Beginn eines neuen Therapiezyklus. Eine initiale Dosisanpassung aufgrund von Alter, Geschlecht oder Körpergewicht ist nicht erforderlich. * Diese Therapien sind beim mRCC in der EU und der Schweiz nicht zugelassen. Medieninformation anlässlich der Preisverleihung in Zürich, 12.10.2007. ONKOLOGIE 5/2007 43 Neue Therapien Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie, Basel, 5. bis 9. Oktober 2007 Der Multitargeting-Wirkansatz: antiproliferative und antiangiogene Wirkung Sunitinib verhindert nach der Bindung der Wachstumsfaktoren (Liganden) VEGF (= vascular endothelial growth factor) und PDGF-␣ und - (= platelet-derived growth factor) an ihre entsprechenden Rezeptoren die Aktivierung der intrazellulär gelegenen Rezeptor-Tyrosinkinase und blockiert somit die intrazelluläre Signalkaskade zum Zellkern. Damit greift die Substanz direkt in die Vaskularisierung des Tumors ein, und es wird ein wichtiger Prozess zur Lebenserhaltung des Tumors unterbrochen. Zum anderen nimmt die Substanz – durch die Verhinderung der Aktivierung der Rezeptoren durch die Faktoren PDGF-␣ und - – direkt Einfluss auf die Signalkaskade und somit auf Wachstum und Beweglichkeit der Tumorzelle. Über diesen dualen Wirkmechanismus wird folglich einerseits die Blutzufuhr des Tumors reduziert und andererseits direkt in seinen Wachstumsprozess eingegriffen. und die Zeit von der Erstdiagnose bis zur Behandlung < ein Jahr. Die SunitinibTherapie erwies sich in allen drei Risikogruppen der Zytokintherapie deutlich überlegen (niedriges Risiko: 0 MSKCCRisikofaktoren, mittleres Risiko: 1 bis 2 Faktoren, hohes Risiko: 3 bis 5 Risikofaktoren). Signifikant mehr Lebensqualität Die Nebenwirkungen von Sunitinib waren in der Regel leicht (Grad 1 bis 2), reversibel und durch Dosisreduktion oder entsprechende symptomatische Therapie gut beherrschbar. Fatigue vom Grad 3/4 trat signifikant häufiger bei Patienten auf, die mit IFN-Alpha behandelt wurden (12% vs. 7%, p < 0,05). Zu den häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen in der Sunitinib-Gruppe zählten Diarrhö (5% vs. 0%), Übelkeit und Erbrechen (4% vs. 1%), Hypertonie (8% vs. 1%), Hand-Fuss-Syndrom (5% vs. 0%) (p < 0,05 für alle Vergleiche). Grad-3/4-Leukopenie, -Neutropenie und -Thrombozytopenie waren häufiger in der Sunitinib-Gruppe (p < 0,05 für alle Vergleiche). Im Sunitinib-Arm brachen deutlich weniger Patienten als im Vergleichskollektiv die Studie ab. Markant war die signifikant bessere Lebensqualität der Patienten unter Sunitinib, und zwar bezüglich des «körperlichen, sozialen, emotionalen und funktionalen Wohlbefindens». Die Lebensqualität war mittels Fragebogen ermittelt worden. Resultate bei weit fortgeschrittener Krankheit In der Zweitlinientherapie nach Zytokinversagen brachte eine gepoolte Analyse zweier Phase-II-Studien an 169 Patienten mit mRCC ebenfalls deutliche Ergebnisse: Es zeigte sich eine objektive Ansprechrate von 49%, ein progressionsfreies Überleben von 8,8 Monaten sowie ein medianes Gesamtüberleben von mittlerweile 23,9 Monaten. Diese aktualisierten Daten wurden auf dem ECCO-Meeting 2007 vorgestellt (5, 6). Fast 4000 schwer behandelbare mRCCPatienten, darunter auch solche mit Hirnmetastasen, schlechtem Allgemeinzustand und über 65-jährig, wie sie im klinischen Alltag sehr häufig sind, werden derzeit in der fast abgeschlossenen, offenen, multizentrischen «Expanded- Access-Studie» behandelt (7). Erste Aus- wertungen bei diesen Patienten erga- ben, dass Häufigkeit und Ausprägung der Nebenwirkungen ähnlich ausgeprägt sind wie jene, die in den Zulassungsstu- dien erhoben wurden. Dort waren meist jüngere Patienten mit besserem Allge- meinzustand behandelt worden. Die ers- te Zwischenanalyse ergab ferner ein mitt- leres progressionsfreies Überleben von 9,7 Monaten. Beispielsweise lebten die Patienten mit Hirnmetastasen (eine Sub- gruppe) im Mittel 5,6 Monate und über 65-jährige Patienten (eine weitere Sub- gruppe) 10,7 Monate – jeweils ohne Krankheitsprogression. «Die Behandlung mit Zytokinen ist obso- let geworden, da sie sehr belastend ist und geringe Wirksamkeit zeigt», meinte Herrmann. Sunitinib könne aufgrund sei- ner signifikanten Ansprech- und progres- sionsfreien Überlebensraten sowie der insgesamt guten Verträglichkeit als neu- er Standard in der Erstlinienbehandlung angesehen werden, und zwar bei allen drei MSKCC-Prognosefaktoren, schloss der Onkologe aus Basel. ▲ Bei GIST seit April 2006 in der Zweitlinie zugelassen Sunitinib ist ferner für die Behandlung des nicht reserzierbaren und/oder metastasierten malignen gastrointestinalen Stromatumors (GIST) zugelassen, wenn die Standardtherapie mit Imatinib wegen Resistenz oder Unverträglichkeit versagt hat. Die Zulassung basiert auf einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten, internationalen Phase-III-Studie unter der Leitung von George D. Demetri mit 312 Patienten, die Imatinib nicht vertrugen oder deren Tumor resistent gegen Imatinib war (8): Die mediane Zeit bis zur Tumorprogression (TTP), dem definierten primären Endpunkt, betrug unter Sunitinib 27,3 Wochen und lag damit deutlich über der Zeitspanne im Plazeboarm mit 6,4 Wochen. Aufgrund des deutlichen Unterschieds beim Ansprechen, der TTP und beim Gesamtüberleben wurde der Plazeboarm vorzeitig geschlossen und allen Patienten Sunitinib angeboten. Bärbel Hirrle Quellen: Satellitensymposium «RCC & GIST Falldiskussionen: Patienten-Management in der Ära der Targeted Therapies». Pfizer Oncology anlässlich der Jahrestagung der DGHO, ÖGHO, SGH und SGMH 2007 sowie 44 ONKOLOGIE 5/2007 Neue Therapien Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie, Basel, 5. bis 9. Oktober 2007 3-Länder-Pressegespräch «State of the Art bei Multi-Targeting: Metastasiertes Nierenzellkarzinom», Basel, 5. Oktober 2007. Referenzen: 1. Motzer RJ, Hutson TE, et al.: Sunitinib versus interferon alfa in metastatic renal-cell carcinoma. N Engl J Med. 2007; 356(2): 115–124. 2. Ljungberg B, Hanbury DC, et al.: Renal cell carcinoma guideline. Eur Urol. 2007 Jun; 51(6): 1502–1510. Epub 2007 Mar 28. 3. Miller K, Bergmann L, et al.: Interdisziplinäre Therapieempfehlungen zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Aktuel Urol, 2007 Jul; 38(4): 328–330. 4. Motzer RJ et al.: ECCO 2007, Poster 4509. 5. Rosenberg JE, Michaelson MD, et al.: Sunitinib therapy for patients with metastatic renal cell carcinoma: updated results of two phase II trias and prognostic factor analysis for survival. ASCO 2007. Poster 5095. 6. George DJ, Michaelson MD, et al.: ECCO 2007, Poster 4517. 7. Gore ME, Porta C, et al.: Sunitinib in metastatic renal cell carcinoma (mRCC): Preliminary assessment of toxicity in an expanded access trial with subpopulation analysis. ECCO 2007; Abstract O#4503. 8. Demetri GD, van Oosterom A, Garrett CR, et al.: Efficacy and safety of sunitinib in patients with advanced gastrointestinal stromal tumor after failure of imatinib: a randomised controlled trial. Lancet. 2006 368(9544): 1329–1338. Prisma Fortsetzung von Seite 33 Fortbildungskalender 2008: Onkologie 17.06. bis 21.06.2008 Barcelona/Spanien 12.06. bis 15.06.2008 Kopenhagen/Dänemark 10th World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGI) 13th Congress of the European Hematology Association (EHA) 26.06. bis 28.06.2008 Houston/USA Juli: 05.07. bis 08.07.2008 Lyon/Frankreich August: 27.08. bis 31.08. 2008 Genf September: 10.09. bis 13.09.2008 Den Haag/Niederlande 12.09. bis 16.09.2008 Stockholm/Schweden Oktober: 11.10. bis 15.10.2008 Wien/Österreich 01.10. bis 06.10.2008 Berlin/Deutschland 21.10. bis 24.10.2008 Genf November: (ausstehend) Dezember 06.12. bis 09.12.2008 San Francisco/USA 11.12. bis 14.12.2008 San Antonio/USA 20th International Supportive Care Symposium (MASCC/ISOO) 20th Meeting of the European Association for Cancer Reserach (EACR) UICC 2008 World Cancer Congress 14th Congress of the European Society of Surgical Oncology (ESSO) 33rd Congress of the European Society for Medical Oncology (ESMO) Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGHO/SGMO/ÖGHO) 40th Annual Meeting of the International Society of Paediatric Oncology (SIOP) 20th EORTC-NCI-AACR Symposium on Molecular Targets and Cancer Therapeutics 50th Annual Meeting of the American Society of Hematology (ASH) 31th Annual San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) Info/Internet: http://www.worldgicancer.com/WCGI/ Info/Internet: http://www.ehaweb.org/congress/ future_congresses Info/Internet: www.mascc.org Info/Internet: www.ecco-org.eu Info/Internet: www.uicc-congress.org/index.html Info/Internet: www.ecco-org.eu Info/Internet: www.esmo.org/events/ Info/Internet: http://www.oegho.at Info/Internet: www.siop2008.de Info/Internet: www.ecco-org.eu Info/Internet: www.hematology.org Info/Internet: www.sabcs.org ONKOLOGIE 5/2007 45