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Bedeutung der pflegerischen Fachspezialistin für Brustkrebspatientinnen
Was macht eine «Breast-Care-Nurse»?
In England ist die «Breast-Care-Nurse», pflegerische Fachspezialistin für Brustkrebs, seit langem als anerkanntes Mitglied eines multidisziplinären Teams etabliert. In der Schweiz fehlt diese berufliche Spezialität bislang, wird aber mit der Entwicklung von Brust-Zentren nach EUSOMA-Richtlinien künftig auch hierzulande notwendig sein.
In Grossbritannien hat das wachsende Bewusstsein über die psychosozialen Bedürfnisse der Brustkrebspatientinnen zur Schaffung der Funktion einer Breast-CareNurse geführt. Eine Breast-Care-Nurse (BCN) hat den «ENB A11 Advanced Breast Care»-Lehrgang des English National Board an einer Universität absolviert, der den Pflegenden das notwendige Wissen und die Fähigkeiten vermittelt, Frauen nach Brustkrebs oder solchen, die befürchten, daran erkrankt zu sein, eine sorgfältige und effiziente Pflege anzubieten. Die BCN hat somit eine spezielle Ausbildung, um betroffene Frauen zu unterstützen:
▲ Sie beurteilt die psychosoziale Situa-
tion der Frau, um ihre individuellen Bedürfnisse zu erkennen, Informationen über die Behandlung und ihre Nebenwirkungen zu vermitteln und lebenspraktische Beratung anzubieten.
▲ Je nach Situation und Notwendigkeit
ist sie die Fürsprecherin einer Frau.
▲ In Grossbritannien ist sie die einzige
professionelle Person, die einen kontinuierlichen Kontakt mit der erkrankten Frau hat, da die beteiligten Ärzte verschiedene Aufgaben wahrnehmen.
Expertin für Brustprothesen Die BCN hilft, die zahlreichen Komplikationen, die an die Diagnose und Therapie von Brustkrebs geknüpft sind, abzuschätzen und angemessen zu handeln. Ein Beispiel ist die Anpassung von Brustprothesen nach einer Mastektomie. Die Autorin teilt die Auffassung von Poole, der schon 1996 die Anpassung provisorischer und semipermanenter Brustprothesen als ein
wichtiges Element einer psychologischen Rehabilitation (mit gutem Selbstwertgefühl und Wohlbefinden) erkannte. Da die Brust der Frau als Symbol der Weiblichkeit gilt, ist es verständlich, wenn Frauen nach einer Amputation wenig selbstbewusst sind und oft fürchten, dass die veränderte Brust unter der Bekleidung sichtbar wird.
Ausbildnerin auch für Frauen und Krankenschwestern Gemäss den Richtlinien des britischen Royal College of Nursing (1999) beginnt Brustpflege mit der Förderung eines «Brustbewusstseins». Die BCN muss Frauen über die Vor- und Nachteile der Mammografie informieren und in der Brustselbstuntersuchung unterrichten können, um präventiv arbeiten zu können. Wie Veronesi et al. (1999) aufzeigten, betrug der Prozentsatz der Frauen, welche eine Mammografie durchführen liessen, in 15 Ländern nur 41 Prozent; davon hatte nur die Hälfte eine Brustselbstuntersuchung vorgenommen. Diese Resultate könnten auf einen Mangel an Screeningmöglichkeiten hinweisen. Als Gründe, weshalb Frauen keine Selbstuntersuchung vornehmen, werden vor allem Zeitmangel, Schamgefühl, Angst vor Krebs und Unkenntnis angegeben. Selbst unter den MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen gibt es immer noch Unsicherheiten, wie und wann die Mammografie eingesetzt werden soll. In ihrer Funktion als Ausbildnerin für das Krankenpflegepersonal kann die BCN die Qualität der Patientinnenbetreuung verbessern helfen. Damit ist sie nicht nur Fürsprecherin der Patientinnen, sondern auch der Pflegenden. Leider setzen mangelnde Zeit, finanzielle Einschränkungen und teilweise mangelnde Motivation des Personals Grenzen.
Beraterin in verschiedenen Bereichen Die BCN berät in vier verschiedenen Situationen:
▲ Sie gibt der «Primary Nurse» Rat-
schläge, wie ein spezifisches Problem
intern gelöst werden könnte (Personal-zentriert)
▲ Sie arbeitet direkt mit dem Pflegeper-
sonal zusammen, um Probleme einer Patientin zu lösen (Patientinnen-zentriert)
▲ Sie organisiert Weiterbildungen zum
Thema Brustkrebs (Programm-zentriert)
▲ Sie berät die Pflegepraxis (Adminis-
trations-zentriert). Diplomierte Krankenschwestern fragen häufig um Unterstützung, um Probleme besser identifizieren zu können. Ein Beispiel ist hier das Bedürfnis nach mehr Informationen über die Radiotherapie und deren Nebenwirkungen. Die erfolgreiche Umsetzung der Aufgabe der BCN innerhalb der Brustkrebspflege ist immer von der Unterstützung der Pflegedienstleitung, der Pflegenden an der Basis und anderer Mitglieder des multidisziplinären Teams abhängig.
Ausblick Zurzeit ist in der Schweiz die Finanzierung einer Stelle als BCN fraglich, da diese noch nicht offiziell anerkannt ist. Zu beachten ist aber, dass die Sprechstunde einer Breast-Care-Nurse nach den Erfahrungen aus England eine geringere Beteiligung des ärztlichen Dienstes erfordern und für diesen eine grosse Entlastung bedeuten würde. Dazu gehören die Übernahme verschiedener Aufgaben wie die Früherkennung von Brustkrebs, Instruktionen zur Behandlung und die psychosoziale Unterstützung. Gerade in der heutigen schwierigen finanziellen Situation im Gesundheitswesen könnte daher die Einführung einer Sprechstunde zu einem verbesserten Kosten-Nutzen-Verhältnis und zu einer Qualitätssteigerung beitragen.
Amanda Wood Clinical Nurse Specialist Breast Care
8001 Zürich E-Mail: dolder.wood@bluewin.ch
Literatur bei der Verfasserin
38 ONKOLOGIE 4/2004