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KONGRESSBERICHT
40. Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), New Orleans, 5. bis 8. Juni 2004
News vom ASCO 2004: Gynäkologische Tumoren
Über 25 000 Teilnehmer hat der 40. Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) verzeichnet, welcher im Juni in New Orleans stattfand. Auf der weltweit grössten onkologische Fortbildung befassten sich 93 Beiträge mit gynäkologischen Tumoren im engeren Sinne. Im Folgenden werden vier der neun Hauptreferate sowie vier Poster diskutiert.
DANIEL FINK
Frühes Ovarialkarzinom
Eine japanische Arbeit untersuchte retrospektiv das Fünfjahres-Überleben bei 148 konsekutiv operierten Patientinnen mit einem Ovarialkarzinom pT1, wobei in allen Fällen eine pelvine und paraaortale Lymphonodektomie durchgeführt wurde (Shimizu et al., Abstract 5009). Mit Ausnahme der Patientinnen mit einem Tumor FIGO IA G1 erhielten alle Patientinnen eine platinhaltige Chemotherapie. Die Inzidenz von Lymphknotenmetastasen betrug 17 Prozent (25/148). Das Fünfjahres-Überleben betrug 92 Prozent für alle pT1-Stadien, 98 Prozent für pT1 N 0 (FIGO I) und 74 Prozent für pT1 N1 (FIGO IIIc). Die Autoren verglichen das Fünfjahres-Überleben mit einem älteren Kollektiv von 69 Patientinnen mit einem pT1Karzinom, welche in derselben Klinik operiert wurden und auch eine platinhaltige Chemotherapie erhielten, jedoch weder pelvin noch paraaortal lymphonodektomiert worden waren. Dabei war das Fünfjahres-Überleben mit 92 Prozent gegenüber 81 Prozent (p = 0,0064) statistisch signifikant höher für die Patientinnen, bei welchen eine pelvine und paraaortale Lymphonodektomie durchgeführt wurde. Bereits am ASCO 2002 in Orlando berichtete dieselbe Gruppe eine Lymphknotenbeteiligung von 11 Prozent für pT1a-, 56 Prozent für pT1bund 18 Prozent für pT1c-Ovarialkarzinome (1). Interessanterweise waren damals bei allen Patientinnen mit positiven Lymphknoten die paraaortalen Lymphknoten tumorbefallen, wobei in 83 Prozent der Fälle ein alleiniger paraaortaler Befall vorlag. Bei 46 Prozent der Patien-
Bourbon Street im Zentrum von New Orleans. Die US-amerikanische Jazz-Stadt war Anfang Juni Zentrum für 25 000 Krebsspezialisten der ganzen Welt.
tinnen lag der Befall kranial der Arteria mesenterica inferior (d.h. zwischen Arteria mesenterica inferior und Nierengefässen). Diese Studien zeigen, dass beim frühen Ovarialkarzinom vorzugsweise die Lymphknoten zwischen der Arteria mesenterica inferior und Nierenvene befallen sind und dass die frühen Ovarialkarzinome mit Lymphknotenbefall prognostisch die bessere Subpopulation der FIGO-IIIc-Karzinome darstellen. Beim frühen Ovarialkarzinom drängt sich damit – mit Ausnahme des gut differenzierten pT1a-Karzinoms – eine pelvine und paraaortale Lymphonodektomie bis zum Abgang der Nierengefässe auf.
Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom
Theoretisch lassen sich Verbesserungen einer First-Line-Chemotherapie auf drei Arten erreichen: ▲ Ersatz einer Substanz durch eine an-
dere ▲ Hinzufügen einer neuen Substanz (in
Kombination oder sequenziell) und ▲ Resistenzmodulation entweder durch
Einsatz von Resistenzmodulatoren oder durch Erhöhung der Dosis. So untersuchten sowohl die AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie)-GINECO (Groupe d’Investigateurs Intergroup Nationaux pour l’Etude des Cancers Ovariens) Phase III Trial als
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KONGRESSBERICHT
40. Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), New Orleans, 5. bis 8. Juni 2004
auch die NSGO-EORTC-NCIC CTG Gynecological Cancer Intergroup Phase III Trial den Einsatz von Anthrazyklinen als Zusatz zur First-Line-Chemotherapie Paclitaxel/Carboplatin beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom. Die AGO-GINECOStudie vergleicht Paclitaxel (Taxol®) (175 mg/m2/3 h)/ Carboplatin (AUC 5) versus Paclitaxel (175 mg/m2/3 h)/Epirubicin (60 mg/m2)/Carboplatin (AUC 5) bei 1282 Patientinnen mit einem Ovarialkarzinom FIGO IIc–IV (du Bois et al., Abstract 5007). Beide Kombinationschemotherapien wurden sechsmal alle drei Wochen verabreicht. Der Zusatz von Epirubicin führte zu einer signifikant höheren Toxizität (Hämatotoxizität, Nausea/Emesis, Mucositis; alle p < 0,0001). So wurden im Epirubicin-Arm 5,5 Prozent – im Gegensatz zu 1,3 Prozent bei Paclitaxel/Carboplatin – febrile Neutropenien verzeichnet. Hingegen statistisch nicht verschieden waren: Ansprechraten (OR) mit 74 Prozent (Epirubicin-Arm) versus 70 Prozent (p = 0,52), progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) mit 18,4 Monaten versus 17,9 Monaten (p = 0,33) und Gesamtüberleben (OS) mit 45,8 Monaten versus 41,0 Monaten (p = 0,37). Diese Resultate wurden von der NSGO-EORTC-NCIC CTG Gynecological Cancer Intergroup Phase III Trial bestätigt (Kristensen et al., Abstract 5003). In dieser Studie wurde Paclitaxel (175 mg/m2/3 h)/Carboplatin (AUC 5) versus Paclitaxel (175 mg/m2/3 h)/ Epirubicin(75 mg/m2)/Carboplatin (AUC 5) bei 887 Patientinnen mit einem Ovarial-, Tuben- oder Peritonealkarzinom FIGO IIc–IV verglichen. Ebenfalls statistisch signifikant häufiger waren im EpirubicinArm febrile Neutropenien (12,5% vs. 1,5%), Nausea und Mukositiden. Die progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) war mit 17,2 Monaten (Epirubicin-Arm) versus 16,3 Monaten vergleichbar (p = 0,99). Obwohl Anthrazykline neben den Taxanen und Platinsubstanzen zu den wirksamstem Substanzen beim Ovarialkarzinom gehören, bringt deren Einsatz in der First-Line-Chemotherapie keinen zusätzlichen Benefit. Damit bleibt die Kombination Taxol/Carboplatin die FirstLine-Standardchemotherapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom. Die Gynecologic Oncology Group (GOG) stellte die Phase-III-Studie GOG 162 vor, welche eine prolongierte Verab- reichung von Paclitaxel untersuchte (Spriggs et al., Abstract 5004). Dabei wurde Paclitaxel (120 mg/m2/96 h)/Cisplatin (75 mg/m2; d5) versus Paclitaxel (135 mg/m2/24 h)/Cisplatin (75 mg/m2; d2) bei 293 Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom III bis IV verglichen. Mit der Verabreichung von Paclitaxel über 96 Stunden (30 mg/m2/24 h) konnte eine durchschnittliche Plasmakonzentration von > 0,05 M aufrechterhalten werden. Im 24Stunden-Arm fanden sich statistisch signifikant mehr Granulozytopenien (p < 0,001), wohingegen im 96-StundenArm mehr Anämien auftraten (p < 0,003). Ansonsten war das Nebenwirkungsprofil sehr ähnlich. Die mediane progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) betrug 12,4 Monate (Paclitaxel 24 h) versus 12,6 Monate. Vergleichbar waren mit 29,9 Monaten (Paclitaxel 24 h) versus 30,5 Monate auch die medianen Überlebenszeiten (OS). Damit bringt eine prolongierte Gabe von Paclitaxel beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom keinen Überlebensvorteil. Die AGO OVAR-NCIC CTG-EORTC GCG Gynecological Cancer Intergroup Phase III Trial verglich die Kombination Gemcitabine (Gemzar®) (1000 mg/m2; d1+8)/Carboplatin (AUC 4; d1) versus Carboplatin (AUC 5) bei 356 Patientinnen mit platinsensitivem Ovarialkarzinomrezidiv (platinfreies Intervall > 6 Monate) (Pfisterer et al., Abstract 5005). Im Gemcitabine-Arm fanden sich statistisch signifikant mehr Anämien, Thrombozytopenien, Neutropenien und Alopezien (alle p < 0,001). Hingegen fand sich bei der Häufigkeit der febrilen Neutropenien kein Unterschied (1,1% vs. 0%). Der Zusatz von Gemcitabine führte in 14,3 Prozent (vs. 2,3%) zu Alopezien. Die Gesamtansprechraten (CR+PR) betrugen 47,2 Prozent für Gemcitabine/Carboplatin versus 30,9 Prozent für Carboplatin (p = 0,0016). In der «Quality of Life»(QoL)- Beurteilung führte der Zusatz von Gemcitabine zu einer schnelleren Palliation der abdominalen Beschwerden. Nachdem die ICON4/AGO-OVAR-2.2-Studie zeigen konnte, dass die Kombination Paclitaxel/Carboplatin beim platinsensitiven Ovarialkarzinomrezidiv der Monochemotherapie mit Carboplatin sowohl hinsichtlich Gesamtüberlebenszeit als auch progressionsfreiem Überleben überlegen ist (2), identifiziert die vorliegende Arbeit mit Gemcitabine eine weitere Substanz, welche in Kombination mit Carboplatin zu einem Überlebensvorteil führt. Ein Vorteil der Kombination emcitabine/ Carboplatin ist die relativ niedrige Alopezierate (Grad 2). Unbeantwortet bleibt allerdings die Frage nach dem Vergleich der Kombination Gemcitabine/Carboplatin zur sequenziellen Gabe der beiden Substanzen. Eine GINECO-Phase-II-Studie untersuchte die Kombinationschemotherapie ONKOLOGIE 3/2004 19 KONGRESSBERICHT 40. Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), New Orleans, 5. bis 8. Juni 2004 Doxorubicin (Caelyx®) (30 mg/m2; d1)/ Carboplatin (AUC 5; d1) bei 105 Patientinnen mit platinsensitivem Ovarialkarzinomrezidiv (platinfreies Intervall > 6 Monate) (Ferrero et al., Abstract 5022). Dieses Regime wurde alle vier Wochen verabreicht. Die Gesamtansprechrate (CR+PR) betrug 63 Prozent, wobei es in 38 Prozent zu einer kompletten Remission kam. Die mediane progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) betrug neun Monate und das mediane Gesamtüberleben (OS) 31,1 Monate. Die Hauptnebenwirkung war die Hämatotoxizität, wobei eine febrile Neutropenie nur in 3 Prozent der Fälle aufgetreten ist. Palmoplantare Erythrodysästhesien (PPE), Grad 2, traten bei 11 Prozent der Patientinnen auf. Eine Alopezie, Grad 2, wurde in 12 Prozent beobachtet. Damit könnte die Kombination Caelyx/Carboplatin eine Alternative zu Taxol/Carboplatin werden. Eine entsprechende Studie, welche diese beiden Kombinationen miteinander vergleicht, ist bereits in Planung. Van der Burg et al. (3) berichteten, dass ein Intervall-Debulking nach einer Induktionschemotherapie mit drei Zyklen Cisplatin/Cyclophosphamid das Überleben der Ovarialkarzinompatientinnen mit über 1 cm Resttumor nach Primäroperation signifikant verlängert. Gemäss der GOG-152-Studie, welche am ASCO 2002 vorgestellt wurde, scheint allerdings ein Intervall-Debulking in der Paclitaxel/Platin-Ära keine statistisch signifikanten Vorteile zu bringen, wenn das initiale Debulking durch erfahrene gynäkologische Onkologen durchgeführt wurde (4). Mediane Gesamtüberlebenszeit und progressionsfreie Zeit waren 32 beziehungsweise 10,5 Monate für die Gruppe mit Intervall-Debulking (n = 216) und 33 respektive 10,8 Monate für die Gruppe ohne Intervall-Debulking (n = 209). Anhand dieser GOG-152-Studie wurde nun der operative Blutverlust sowie die Hospitalisationsdauer der Primäroperation versus Intervall-Debulking verglichen (Rose et al., Abstract 5010). Dabei waren sowohl der mediane
Blutverlust (300 ml vs. 700 ml; p < 0,001) als auch die mediane Hospitalisationsdauer (5 Tage vs. 7 Tage; p < 0,001) tiefer für das Intervall-Debulking verglichen mit dem maximalen Debulking-Versuch bei der Primäroperation. Die Autoren schlossen daraus, dass ein Intervall-Debulking eine geringere operative Morbidität als das primäre Debulking hat. Trotzdem sollte beim Ovarialkarzinom eine neoadjuvante Chemotherapie nur im Rahmen von Studien (z.B. EORTC 55971) durchgeführt werden. Endometriumkarzinom Die prognostische Bedeutung der positiven Spülzytologie beim frühen Endometriumkarzinom wird kontrovers diskutiert (5, 6). Eine Studie verglich retrospektiv das Überleben von 33 Patientinnen mit frühem Endometriumkarzinom mit positiver Spülzytologie (FIGO IIIa) versus 278 Patientinnen mit Endometriumkarzinom FIGO I, welche im gleichen Zeitraum (1980–1996) operiert wurden (Tebeu et al., Abstract 5032). Nur in 5 Prozent wurde eine pelvine und/oder paraaortale Lymphonodektomie durchgeführt. Das Fünfjahres-Gesamtüberleben betrug 92 Prozent für FIGO-I- und 91 Prozent für FIGO-IIIa-Tumore aufgrund positiver Spülzytologie, wohingegen Patientinnen (n = 20) mit einer FIGO-IIIa-Erkrankung aufgrund eines Befalls der Adnexe/Uterusserosa ein Fünfjahres-Gesamtüberleben von nur 50 Prozent aufwiesen (p < 0,001). Kürzlich wurde berichtet, dass bei Patientinnen mit korrektem Staging (inkl. Lymphonodektomie) eine positive Spülzytologie kein unabhängiger Prognosefaktor ist (5). Die vorliegende Arbeit deutet darauf hin, dass eine positive Spülzytologie auch bei Patientinnen mit nur partiellem Staging keinen negativen Einfluss auf die Prognose hat. ▲ Korrespondenzadresse: Professor Dr. med. Daniel Fink Direktor Klinik für Gynäkologie Universitätsspital Zürich 8091 Zürich E-Mail: daniel.fink@usz.ch Quellen: 1. Sakurai, S, Shimizu, Y, Utsugi, K, Umezawa, S, Kato, T, Fukasawa, I, Inaba, N, Hasumi, K: Validity of complete paraaortic and pelvic lymphadenectomy in apparent stage I (pT1) ovarian carcinoma. Proceedings ASCO 2002; 21: 201. 2. Parmar, MK, Ledermann, JA, Colombo, N, du Bois, A, Delaloye, JF, Kristensen, GB, Wheeler, S, Swart, AM, Qian,W, Torri,V, Floriani, I, Jayson, G, Lamont, A, Trope C: Paclitaxel plus platinumbased chemotherapy versus conventional platinum-based chemotherapy in women with relapsed ovarian cancer: the ICON4/AGOOVAR-2.2 trial. Lancet 2003; 361: 2099–2106. 3. Van der Burg, ME, van Lent, M, Buyse, M, Kobierska, A, Colombo, N, Favalli, G, Lacave, AJ, Nardi, M, Renard, J, Pecorelli, S: The effect of debulking surgery after induction chemotherapy on the prognosis in advanced epithelial ovarian cancer. Gynecological Cancer Cooperative Group of the European Organization for Research and Treatment of Cancer. N Engl J Med 1995; 332: 629–634. 4. Rose, PG, Nerenstone, S, Brady, M, ClarkePearson, D, Olt, G, Rubin, SC, Moore, DH: A phase III randomized study of interval secondary cytoreduction in patients with advanced stage ovarian carcinoma with suboptimal residual disease: a Gynecologic Oncology Group study. Proceedings ASCO 2002; 21: 201. 5. Kasamatsu, T, Onda, T, Katsumata, N, Sawada, M, Yamada, T, Tsunematsu, R, Ohmi, K, Sasajima, Y, Matsuno, Y: Prognostic significance of positive peritoneal cytology in endometrial carcinoma confined to the uterus. Br. J. Cancer 2003; 88: 245–250. 6. Obermair, A, Geramou, M, Tripcony, L, Nicklin, JL, Perrin, L, Crandon, AL: Peritoneal cytology: impact on disease-free survival in clinical stage I endometrioid adenocarcinoma of the uterus. Cancer Lett 2001; 164: 105–110. 20 ONKOLOGIE 3/2004