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HRT und mammografische Dichte
Einfluss der verschiedenen Substanzen auf die Mammadiagnostik
Die Drüsenkörperdichte hat entscheidenden Einfluss auf das wichtigste diagnostische Verfahren der Brustkrebs-Früherkennung, die Mammografie. Wie sich unterschiedliche Hormonpräparationen auf die mammografische Dichte auswirken, ist im Folgenden zusammengestellt.
KARIN BOCK, PEYMAN HADJI, V. DUDA, A. WEIDNER, CHRISTIAN JACKISCH, U. WAGNER
Während die Anlage des Brustdrüsengewebes geschlechtsunabhängig bereits im frühembryonalen Leben erfolgt, wird die geschlechtstypische Differenzierung durch die zunehmende Produktion von Steroidhormonen mit Beginn der Pubertät initiiert. Endgültig abgeschlossen ist diese Entwicklung erst nach einer ausgetragenen Schwangerschaft.
Die Drüsenkörperdichte in der Mammografie
In der reproduktiven Phase der Frau unterliegt die Brust zyklusabhängigen hormonalen Veränderungen, die Einfluss auf die Dichte des Drüsengewebes zeigen (1, 2). Eingebunden in die komplexe Regulation des Brustdrüsengewebes sind endokrine, para-
Übersicht: HRT und mammografische Dichte
▲ Eine hohe Drüsenkörperdichte vermindert die Sensitivität der Mammografie.
▲ HRT kann bei bis zu einem Drittel der postmenopausalen Frauen zur Dichtezunahme des Brustdrüsengewebes führen.
▲ Östrogen-Gestagen-Kombinationen haben einen deutlicheren Einfluss (≥ 20%) als reine Östrogenpräparate (≤ 10%).
▲ Die transkutane Östrogenapplikation zeigt noch geringere Einflüsse als die orale Applikation.
▲ Unterschiedliche Gestagene in Kombinationspräparaten weisen auf unterschiedlich starke Beeinflussung der Dichte hin (NETA > MPA).
▲ Tibolon bewirkt eine Dichtezunahme bei ≤ 10% der Frauen. ▲ Tamoxifen reduziert die Dichte bei etwa 40%. ▲ Raloxifen vermindert die Dichte bei ≤ 20%, erhöht sie je-
doch bei weiteren rund 6%. ▲ Phytoöstrogene scheinen sowohl eine Zunahme wie eine Ab-
nahme der Drüsenkörperdichte bewirken zu können. ▲ Dichteveränderungen unter HRT treten innerhalb des ersten
Anwendungsjahres auf und bleiben auch unter langfristiger Anwendung nahezu konstant. ▲ Das Absetzen der HRT kann innerhalb von 2 bis 3 Wochen zur Rückbildung der Dichteveränderung führen.
krine und autokrine Faktoren sowie Steroid- und Proteohormone wie auch eine Reihe autokrin und parakrin wirksamer Wachstumsfaktoren. Aber auch Alter (3, 4) und Fettgewebeanteil (BMI) beeinflussen die Drüsenkörperdichte (3). Ebenso hat die ethnische Zugehörigkeit gewisse Auswirkungen auf die Dichte des Brustdrüsengewebes (5). Über einen möglichen Zusammenhang zwischen diversen Genpolymorphismen und der Dichte des Drüsenkörpers lässt sich derzeit jedoch keine Übereinstimmung finden (6). Zur Beurteilung der Drüsenkörperdichte in der Mammografie sind im Wesentlichen zwei Klassifikationssysteme etabliert, die beide eine qualitative Einteilung der mammografischen Dichte in vier verschiedene Klassen erlauben. In Deutschland wurde zunächst die Systematik von Wolfe benutzt (7). Zunehmend wird aber auch hier die vom ACR vorgeschlagene Einteilung in Dichteklassen nach dem BI-RADS (8) angewandt (siehe Tabelle). Die Mehrzahl der im Folgenden zitierten Studien bedient sich dieser genannten Systeme zur Beurteilung der Dichteveränderungen des Drüsengewebes.
Relation zum Karzinomrisiko
Je geringer die Dichte des Drüsengewebes, desto höher ist die Sensitivität der Mammografie (9, 10). Gleichzeitig scheint eine erhöhte mammografische Gewebedichte mit einem erhöhten Mammakarzinomrisiko einherzugehen (11, 12). Auch Sala und Mitarbeiter (13) konnten zeigen, dass eine erhöhte Drüsenkörperdichte zu einer erhöhten Odds Ratio (1,3–1,8) sowohl für invasive wie auch für präinvasive Mammakarzinome führt.
Einfluss der HRT
Grundsätzlich kann die mammografische Dichte des Brustdrüsengewebes auch durch exogen zugeführte Hormone beeinflusst werden. In der Altersgruppe unter 55 Jahren zeigt eine Hormontherapie jedoch kaum einen Einfluss (4), was auf eine prämenopausal
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noch vorhandene endogene Steroidhormonproduktion zurückgeführt werden kann. Studien zum Einfluss einer Hormontherapie auf die mammografische Drüsenkörperdichte ergaben eine Dichtezunahme bei bis zu einem Drittel der behandelten Frauen. Dabei scheint die Beeinflussung der Drüsenkörperdichte abhängig zu sein vom Therapieregime: Während eine reine Östrogensubstitution die Drüsenkörperdichte am geringsten beeinflusst, zeigen Östrogen-Gestagen-Kombinationen deutlich stärkere Effekte (14–17). Zu den Auswirkungen zyklischer oder kontinuierlich-kombinierter ÖstrogenGestagen-Präparationen ist die Datenlage inkonsistent. Während Persson (14) eine deutlichere Erhöhung der Dichte bei kontinuierlich-kombinierter Therapie im Vergleich zur zyklischen Applikation nachwies (28% vs. 10 %), konnte Greendale (18) diesen Effekt in einer ähnlich konzipierten Studie mit vergleichbarer Fallzahl nicht bestätigen. Auch die Auswahl des Gestagens scheint von Bedeutung zu sein. So berichteten Sendag (16) und Christodoulakos (17) über eine stärkere Dichtezunahme unter Norethisteronacetat (NETA) im Vergleich zu Medroxyprogesteronacetat (MPA). Den Ergebnissen einer Studie von Lundström (19) und Mitarbeitern zufolge spielt auch die Applikationsform eine Rolle. Transdermal verabreichte Östrogene zeigten mit 2 Prozent eine noch geringere Dichtezunahme als die niedrig dosierte orale Gabe mit 6 Prozent. Nahezu alle Dichtezunahmen wurden innerhalb des ersten Jahres nach Einsetzen der Hormontherapie beobachtet (17, 18), sie persistierten unabhängig von der Dauer während der Zeit der Anwendung. Bereits zwei bis drei Wochen nach dem Absetzen einer HRT zeigten sich hormoninduzierte Dichteveränderungen rückläufig (20). Tibolon, das alternativ zu Sexualhormonen zur Behandlung klimakterischer Beschwerden verschrieben wird, zeigt nur eine geringe Beeinflussung der Drüsengewebedichte unter 10 Prozent (21–23). Der SERM Tamoxifen, dessen östrogene Restwirkung insbesondere bei Risikopatientinnen zur Kupierung von Wech-
Wolfe-
ACR-
Mammografie
Klassifikation Klassifikation
Sensitivität
Beispiele
N Typ 1 sehr hoch
P1
Typ 2
hoch
P2
Typ 3
mässig
DY Typ 4 geringer
Klassifikationssysteme für die mammografische Dichte
Abbildung 1a: 2-Ebenen-Mammografie bds. einer 56-jährigen postmenopausalen Patientin vor Einleitung einer HRT. Rechts: ACR-Typ 2 – Wolfe P1. Links: ACR-Typ 1 – Wolfe N.
Abbildung 1b: 2-Ebenen-Mammografie bds. derselben Patientin nach Einleitung einer kontinuierlich-kombinierten HRT. Rechts: ACR-Typ 3 – Wolfe P2. Links: ACR-Typ 2 – Wolfe P1.
seljahresbeschwerden genutzt wird und der teilweise auch direkt zur Mammakarzinomprophylaxe gegeben wird, vermindert die Drüsenkörperdichte deutlich, wie Brisson und Mitarbeiter in einer plazebokontrollierten Studie (24) an 44 Prozent der behandelten Frauen zeigten. Raloxifen, ein weiterer SERM, führte in einer plazebokontrollierten Studie zu einer Abnahme der Drüsenkörperdichte bei 19 Prozent der Frauen, bei weiteren 6 Prozent jedoch zu einer Dichtezunahme (23). Phytoöstrogene scheinen beides – je nachdem, ob ihre östrogenagonisti-
schen oder -antagonistischen Wirkungen überwiegen –, eine Verstärkung oder eine Verminderung der Drüsenkörperdichte, bewirken zu können (25).
HRT und mammografische Treffsicherheit
Welchen Einfluss hat die Anwendung einer HRT unmittelbar oder mittelbar durch Beeinflussung der mammografischen Dichte auf die Treffsicherheit der Screeningmammografie? Zu dieser Fragestellung publizierten unter anderem Kavanagh und Mitarbeiter (26) die Daten
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einer retrospektiven Evaluation der ersten Screeningrunde von 103 770 Australierinnen. Bei jenen 27 Prozent dieser Frauen, die eine HRT erhalten hatten, zeigte sich eine um 12,5 Prozent verminderte Sensitivität der Mammografie in Bezug auf die Erkennung invasiver Mammakarzinome bei nahezu konstanter Spezifität der mammografischen Untersuchung. Ähnliche Ergebnisse berichteten auch Laya (27), Litherland (28), Rosenberg (29) und Seradour (30) anhand vergleichbarer Screeningkollektive aus anderen Nationen. Dabei konnten Carney (10) und Mitarbeiter zeigen, dass eine HRT die mammografische Treffsicherheit mittelbar durch Beeinflussung der Drüsenkörperdichte zu reduzieren scheint.
Klinische Schlussfolgerun-
gen
Eine HRT führt nur bei einem Teil der An-
wenderinnen zu Dichteveränderungen
des Brustdrüsengewebes, und nicht
jede Dichtezunahme des Drüsengewebes
führt automatisch zur Verminderung der
Beurteilbarkeit der Mammografie, wie
das Beispiel in der Abbildung verdeut-
licht.
Bei betroffenen Patientinnen empfiehlt
sich eine Dosisreduktion oder ein Wech-
sel auf Präparate mit geringerer Dichte-
beeinflussung, zumindest jedoch ein
kurzfristiges Aussetzen der Behandlung
vor einer geplanten Mammografie. Da-
bei sollte die Therapieentscheidung auf
der Basis des Informed Consent der Pati-
entin beruhen.
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Dr. med. Karin Bock Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie der Philipps-Universität Marburg
Pilgrimstein 3 D-35033 Marburg Tel. +49 (0)64 21-2 86 44 00 Fax +49 (0)64 21-2 86 44 03 E-Mail: bock@med.uni-marburg.de
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Erstpublikation in: «Frauenarzt» 2004; 3 (43): 214–217.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren, des Publi-Med-Verlages sowie des Berufsverbandes der Frauenärzte Deutschlands.
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