Transkript
Update
Neue therapeutische Entwicklungen in der Onkologie
Teil 2: Innovative Substanzen*
Aktuell werden in der Onkologie innovative Substanzen zur selektiven Therapie mit individuell identifizierter Zielstruktur im Tumorgewebe eingeführt. Dabei muss betont werden, dass die klassischen Zytostatika nicht etwa überholt sind, sondern ihr Potenzial in Kombination mit den neuen therapeutischen Entwicklungen weiter entfalten. Im zweiten Teil dieses Beitrags werden neue Substanzgruppen, die kurz vor der Einführung stehen oder gerade eingeführt sind, in ihrem Wirkungspotenzial beschrieben.
THOMAS CERNY
Das Paradigma der Zelltötung durch die gängigen Zytostatika ergänzt sich offenbar erfolgreich mit dem modernen Paradigma der Zellwachstumskontrolle durch hochselektiv wirkende Substanzen wie monoklonale Antikörper, beispielsweise Rituximab (Mabthera®), Trastuzumab (Herceptin®), Alemtuzumab (MabCampath®) und Bevacizumab (Avastin®) oder hochselektiven Molekülen wie Gefitinib (Iressa®) und Bortezomib (Velcade®). Im Folgenden wird auf die bereits in den letzten Jahren zugelassenen monoklonalen Antikörper nicht mehr speziell eingegangen.
Signaltransduktionsinhibitor Imatinib
Imatinib (Glivec®) gehört zur Gruppe der Signaltransduktionsinhibitoren. Durch Hemmung der Tyrosinkinaseaktivität von BCR-ABL wird die intrazelluläre Signaltransduktion unterbrochen und dadurch die Apoptose der Tumorzelle induziert. Gleiches gilt auch für die Tyrosinkinaseaktivität des PDGF-Rezeptors (= Platelet-derived-growth-factor-Rezeptor) und des Stammzellfaktors C-KIT (CD 117). Dadurch ist Imatinib nicht nur ein Modellmedikament zur Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) geworden, sondern auch der gastrointestinalen Stromatumoren (GIST). Die Substanz ist seit Ende 2002 als Erstlinientherapie bei Erwachsenen und Kindern für die Therapie der Philadelphia-Chromosompositiven CML zugelassen. Für die Indikation der CML war ausschlaggebend, dass Imatinib in einer Dosierung von 400 mg pro Tag für die behandelten
* «Teil 1: Die klinisch-onkologische Forschung» ist erschienen in Schweizer Zeitschrift für Onkologie 1/2003, Seite 24 bis 26.
Patienten im Vergleich zum Standardarm mit Interferon und Ara-C eine neunmal höhere Wahrscheinlichkeit einer vollständigen zytogenetischen Remission ergeben hat. Imatinib ist auch aktiv bei Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL), welche die chromosomale Translokation t (9, 22) BCR-ABL aufweisen, bei Patienten mit einem so genannten hypereosinophilen Syndrom (HES) mit einer interchromosomalen Deletion FIP1L1-PDGFRA, bei Personen mit CMML mit chromosomaler Translokation t (5, 12) und bei Patienten mit Dermatofibrosarcoma protuberans, welche die Translokation t (17, 22) aufweisen. Die Entwicklung von Imatinib ist ein Glücksfall, da es sich bei der BCR-ABL-Zielstruktur gleichzeitig um die kausale molekulare Abnormalität der CML handelt, welche wahrscheinlich im frühen Verlauf der CML den einzigen leukämogenen Faktor darstellt. Somit ist gerade die frühe Phase einer initial monogenetisch verursachten malignen Erkrankung potenziell die beste Phase für eine langfristig erfolgreiche medikamentöse Behandlung.
Proteasomeninhibitor Bortezomib
Der erste zugelassene Proteasomeninhibitor Bortezomib (Velcade®) ist eine weitere Modellsubstanz, welche in kürzester Zeit die Marktzulassung in den USA zur Behandlung therapierefraktärer Patienten mit multiplem Myelom erhalten hat. Das Proteasom ist ein zytoplasmatischer Enzymkomplex, der viele intrazelluläre Proteine mit Signaltransduktionsfunktion zur Erhaltung der zellulären Homeostase abbauen muss. Wird dieser Enzymkomplex medikamentös blockiert, entsteht in der so gestörten Zelle eine letztlich letale Funktionsstörung mit Induktion der
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Apoptose. Das Proteasom ist in allen eukaryotischen Zellen vorhanden, macht zirka 1 Prozent des zellulären Eiweisses aus und ist neben dem Zytoplasma auch im Zellkern selbst vorhanden. Das Proteasom existiert in zwei Formen, der 20S- und der 26-S-Form. Zudem ist dieser Enzymkomplex die einzige bisher bekannte Threonin-Protease. Bortezomib wurde als peptidomimetische Substanz selektiv für das Proteasom entwickelt, und bisher wurde kein anderes humanes Enzym oder kein Rezeptor gefunden, der mit Bortezomib reagieren würde. Bortezomib reagiert mit der Threonin-Bindungsstelle in kompetitiver, aber reversibler Weise. Präklinische Untersuchungen zeigen, dass nicht nur Myelomzellen, sondern auch Zellen anderer hämatologischer Neoplasien und solider Tumoren auf Bortezomib empfindlich sind und dass auch Synergien mit Zytostatika und Radiotherapie bestehen. Die Nebenwirkungen sind vor allem gastrointestinal, mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Auch eine sensorische Neurotoxizität wurde dokumentiert, dies vor allem bei Patienten, die mit Taxanen oder Cisplatin vorbehandelt waren. Interessanterweise sprachen in der Phase-I-Studie auch Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom an. Ein besonders auffälliger Synergismus besteht mit Gemcitabin (Gemzar®). Somit liegt ein besonderes Augenmerk auf den klinischen Studien bei Patienten mit Lungen- und Pankreaskarzinomen in Kombination mit Gemcitabin. In einer grossen Studie wurde bei Patienten mit multiplem Myelom, die nach einer Erstlinientherapie rezidivierten, Bortezomib eingesetzt in der Dosis von 1 beziehungsweise 1,3 mg/m2 i.v. 2 x pro Woche, wobei jeweils die dritte Woche therapiefrei war. Für die Dosis von 1 mg betrug die Ansprechrate 33 Prozent und für die Dosis von 1,3 mg 50 Prozent. Durch die zusätzliche Gabe von Dexamethason wurde die Ansprechrate von 33 auf 44 Prozent respektive von 50 auf 62 Prozent erhöht. 15 Prozent der Patienten mussten die Therapie wegen der oben erwähnten Nebenwirkungen abbrechen. Bortezomib wird in diesem Jahr auch in Europa auf den Markt kommen für die Indikation des refraktären multiplen Myeloms. Viele PhaseII-Studien werden demnächst in die
Tabelle: Indikationen beziehungsweise belegte Wirksamkeit neuer Substanzen in der Onkologie
Substanz/Handelsname Wirkmechanismus
Indikation/Wirksamkeit
Imatinib (Glivec®)
Signaltransduktorenhemmer
CML, GIST, ALL, Dermatofibrosarkoma
Bortezomib (Velcade®) Proteasomeninhibitor
multiples Myelom
(möglich: Lungen- und Pankreaskarzinom,
andere hämatol. Neoplasien)
Bevacizumab (Avastin®) monoklonaler Antikörper gegen Kolonkarzinom
den VEGF-R (= «Vascular
Endothelial Growth Factor»-
Rezeptor)
Gefitinib (Iressa®)
Epidermal-Growth-Factor-
nicht kleinzelliges Bronchuskarzinom
Receptor (EGFR)-Inhibitoren
Cetuximab (Erbitux®) chimärer monoklonaler
metastasierendes kolorektales Karzinom in
EGFR-Antikörper
Kombination mit Zytostatika
Erlotinib (Tarceva®)
EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor noch unklar
Pemetrexet (Alimta®) Multitargeted Antifolate
nicht kleinzelliges Bronchuskarzinom,
u. ggf. andere Tumoren
Oblimersen (Genasense®) Apoptose-Deblockierung
Lymphome, metastasierendes malignes
(Transkripition von Bcl-2-Protein) Melanom, metastasiertes Magenkarzinom
u. ggf. weitere Tumoren
Phase III gehen und das therapeutische Potenzial der neuen Substanz aufzeigen.
Angiogenesehemmer Bevacizumab
Der so genannte «Vascular Endothelial Growth Factor»-Rezeptor (VEGF-R) weist eine viel versprechende Zielstruktur zur Verhinderung des Tumorwachstums und zur Blockierung der Metastasierung auf. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass die Angiogenese multifaktoriell und hoch komplex ist, dass bisher bereits drei VEGF-Rezeptoren entdeckt wurden und dass eine Vielzahl von aktivierenden und inhibierenden Substanzen in der physiologischen Regulation der Angiogenese besteht. Nicht ganz unerwartet hat Bevacizumab (Avastin®), ein monoklonaler Antikörper gegen den VEGF-R, als Monotherapie eher enttäuschende Daten gezeigt, jedoch in der Kombination mit Zytostatika signifikante Therapieverbesserungen gebracht. Bevacizumab mit Carboplatin und Paclitaxel (Taxol®) beim Lungenkarzinom oder in Kombination mit Gemcitabin beim Pankreaskarzinom zeigt hoffnungsvolle erste Resultate. Die überzeugendste Studie ist jedoch die Kolonkarzinom-First-Line-Studie: Dabei wurden noch unbehandelte Patienten mit metastasierendem kolorektalem Karzinom entweder mit einer Standardtherapie mit 5-FU/Leucovorin und Irinotecan (Campto®) plus Plazebo be-
handelt oder mit der gleichen Kombination plus Bevacizumab oder in einem dritten Arm mit 5-FU/Leucovorin und Bevacizumab ohne Irinotecan. Sowohl die Ansprechrate wie die Dauer des Ansprechens und das mediane Überleben waren signifikant besser für die Behandlung mit Bevacizumab: Das mediane Survival wurde um fast 5 Monate von (15,6 auf 20,3 Monate) und die Ansprechdauer wurde von 7,1 auf 10,4 Monate erhöht. Dies war die erste positive PhaseIII-Studie für Bevacizumab, welche zu einer raschen Zulassung für diese Indikation in den USA führte. Es kann erwartet werden, dass im laufenden Jahr die neue Substanz für diese Indikation auch in Europa zugelassen wird. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass viele der grossen Firmen bereits mehrere Moleküle in der klinischen Entwicklung haben, teilweise in Phase II, welche ein sehr ähnliches Wirkspektrum wie Bevacizumab aufweisen, jedoch keine monoklonalen Antikörper sind.
Epidermal-Growth-Factor Receptor (EGFR)-Inhibitoren: Gefitinib, Cetuximab und Erlotinib
Bei der Entwicklung von Gefitinib (Iressa®) hat es sich gezeigt, dass die Expression der intakten Zielstruktur EGFR auf den Tumorzellen nicht entscheidend ist für das Ansprechen auf dieses Molekül.
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Gefitinib wird oral verabreicht und meistens subjektiv gut toleriert. Die Hauptnebenwirkung ist eine akneähnliche, entzündliche, reversible Hautveränderung. Die vor allem in Japan beobachteten interstitiellen Lungenerkrankungen unter dieser Substanz sind in anderen Ländern nicht in nennenswertem Ausmass beobachtet worden. In einem gewissen Sinn war die bisherige klinische Entwicklung von Gefitinib ein Präzedenzfall, indem die konventionellen Studienendpunkte der Tumorremission hier nicht zielführend sind. Bei einem Molekül, dessen Potenzial in erster Linie in der Verhinderung einer Tumorprogression liegt, sind möglicherweise die Remissionsrate und -qualität nicht optimal als Evaluationsparameter. Vielmehr ist die fehlende Progression für den klinischen Benefit ausschlaggebend. Aufgrund einer grossen therapeutischen Breite und eines klaren klinischen Gewinns an Lebensqualität durch Symptomkontrolle auch für stark vorbehandelte Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchuskarzinom hat Gefitinib die Zulassung in Japan und in den USA bereits erhalten; Europa wird bald folgen. Es bestehen klinische Daten, dass Gefitinib bei Plattenepithel- und Adenokarzinomen anderen Ursprungs als der Lunge oder HNO-Tumoren auch wirksam ist. Ein wesentliches Potenzial dieses Medikamentes könnte in der Erhaltungsphase nach Induktionen durch klassische Chemotherapien liegen. Durch weitere klinische Studien muss gezeigt werden, ob sich diese Hoffnung erfüllt. Cetuximab (Erbitux®) ist ein chimärer monoklonaler Antikörper, der gegen den EGFR gerichtet ist und der in der Schweiz seit einigen Wochen zugelassen ist für die Behandlung des metastasierenden kolorektalen Karzinoms in Kombination mit Irinotecan und 5-FU. Damit hat die Schweiz als weltweit erstes Land dieses Medikament bei dieser Indikation zugelassen. Ähnlich wie bei den Iressa-Studien wurde auch hier festgestellt, dass die Expression von EGF-R mit dem Ansprechen kaum korrelierte, jedoch war das Ausmass der Hautnebenwirkungen (akneartige Hautveränderungen) direkt korreliert mit der Wahrscheinlichkeit des Ansprechens. Cetuximab wird wöchentlich intravenös verabreicht; die Patienten müssen initial mit einem Antihistamini-
kum geschützt werden. Die Infusionsdauer beträgt zu Anfang zwei Stunden und kann in der Folge auf eine Stunde reduziert werden, da die initiale Dosis 400 mg/m2 beträgt und in der Folge dann nur mehr 250 mg/m2. Cetuximab ist zur Zeit noch nicht kassenzulässig; der Stellenwert dieser Substanz wird erst im Vergleich mit anderen Kombinationstherapien definiert werden können. Erlotinib (Tarceva®) ist ein starker Inhibitor der EGFR-Tyrosinkinase (EGFR-TK). Wie Gefitinib wird dieses Medikament oral täglich verabreicht. Präklinisch wurde insbesondere die Kombination von Erlotinib mit Platin oder Taxan-Derivaten untersucht. Breite klinische Studien werden zeigen, wo Erlotinib seinen Platz finden wird. Das Nebenwirkungsspektrum ist ähnlich wie bei den anderen oben erwähnten Medikamenten mit Hauttoxizität und gastrointestinalen Nebenwirkungen. Alle hier erwähnten EGFR-Modulatoren sind im weitesten Sinn auch Kandidaten für die adjuvante Therapie und die Erhaltungstherapie nach initial gutem Ansprechen. Klinisch unklar ist noch, inwieweit die Spezifität dieser neuen Substanzen für einen der fünf Typen des EGFR relevant ist.
Der totale Folat-Antimetabolit Pemetrexet
Pemetrexet (Alimta®) ist ein so genanntes «Multitargeted Antifolate». Es knüpft an eine frühe Phase der Zytostatikaentwicklung an, aus der Methotrexat als eines der wichtigsten Medikamente ebenso wie 5-Fluorouracil in die Onkologie eingegangen ist. Pemetrexet greift gleich an mehreren Stufen des Folatmetabolismus ein: Es hemmt die Schlüsselemzyme der Pyrimidin- und Purinbiosynthese durch Hemmung der Thymidilatsynthetase (TS), die Dihydrofolatreduktase (DHFR) ebenso wie die Glycinamidribonukleotid-Formyltransferase (GARFT). Damit sind die für die DNA- und RNASynthese notwendigen Nukleotide nicht in ausreichender Menge vorhanden, sodass rasch proliferierende Zellen nicht replizieren können. Pemetrexet wird intrazellulär durch das Enzym Folylpolyglutamatsynthetase (FPGS) polyglutaminiert, was die Wirkung dieser Substanz noch steigert. Es konnte gezeigt werden, dass die hauptsächliche Toxizität, näm-
lich die Schleimhauttoxizität, durch einen erhöhten Homozysteinplasmaspiegel erklärt werden kann. Dieser ist Folge der verminderten funktionellen Verfügbarkeit von Folaten und Vitamin B12. Die prophylaktische Supplementierung von Vitamin B12 und Folsäure hat auch gezeigt, dass die Toxizität von Pemetrexet mit dieser prophylaktischen Gabe deutlich vermindert werden kann. Die klinischen Studien haben gezeigt, dass mit einer zehnminütigen Infusion von 500 mg/m2 Pemetrexet alle drei Wochen ein klinisches Ansprechen bei Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom, Mesotheliom, Kolorektalkarzinom, Magenkarzinom sowie Plattenepithelkarzinomen im HNO-Bereich, der Zervix und der Harnblase dokumentiert werden konnte. Beim Mesotheliom ist die klinische Entwicklung in der Kombination mit Cisplatin am weitesten fortgeschritten, und der Vergleich zu einer Cisplatin-Monotherapie allein hat gezeigt, dass sowohl das Ansprechen wie das progressionsfreie Überleben und auch das mediane Überleben signifikant verbessert werden konnten. Beim nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom ist Pemetrexet in der Wirkung der Monotherapie mit Docetaxel (Taxotere®) vergleichbar, allerdings bei besserer hämatologischer Verträglichkeit und einem weit gehenden Fehlen von Alopezie. Auch bezüglich des Mammakarzinoms liegen positive Studien vor, grössere Studien fehlen jedoch noch. Die Zulassung von Pemetrexet für Mesotheliom darf auch in Europa nächstens erwartet werden.
Apoptose-Deblockierer Oblimersen
Das bcl-2-Antisense-Oligonukleotid Oblimersen (Genasense®) wirkt gegen bcl-2, ein antiapoptotisches Protein, welches erstmals in einem B-Zell-Lymphom vor fast 20 Jahren beschrieben wurde. Es zeigte sich, dass dieses bcl-2-Onkogen bei verschiedenen malignen Erkrankungen überexprimiert wird, so neben den Lymphomen insbesondere auch beim malignen Melanom (in 90% der Fälle). Mit dem Antisense-Oligonukleotoid Oblimersen konnte erstmals in einer kleinen Gruppe von stark vorbehandelten NonHodgkin-Lymphom-Patienten mit typi-
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scher bcl-2-Überexpression ein zum Teil eindrückliches Ansprechen gezeigt werden. In der ersten Gruppe erreichte ein Patient eine komplette Remission, welche bereits mehr als drei Jahre anhält. Die Erwartung ist, dass Oblimersen durch die Blockierung der Transkription von Bcl-2Protein die Zellen wieder empfindlicher für Chemotherapie macht und dass bei soliden Tumoren die Substanz in erster Linie kombiniert mit Chemotherapeutika eingesetzt werden sollte. So hat Oblimersen beim fortgeschrittenen metastasierenden Melanom in Kombination mit Dacarbazin (DTIC) die Ansprechrate verdoppelt. In der Therapie beim metastasierten Magenkarzinom wurde die Überlebensdauer von mit Docetaxel behandelten Patienten durch Oblimersen um 44 Prozent verlängert. Weitere Studien bei Patienten mit Prostatakarzinom, Lungen- und Brustkrebs sind zurzeit unterwegs. Bei einem Patienten mit VAD-resistentem Myelom konnte die Resistenz durch zusätzliche Gabe von Oblimersen überwunden werden. Aus diesem Grund wird der Einsatz von Oblimersen zusammen mit Thalidomid und Dexamethason bei Patienten mit VAD-refraktärem Myelom weiter untersucht. Die Verträg-
lichkeit von Oblimersen ist gut. Es wird voraussichtlich das erste Antisense-Medikament in der Onkologie sein, das den Markt erreichen wird.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zurzeit neben den bereits eingeführten Antikörpern Riuximab, Trastuzumab und Alemtuzumab bald weitere neue onkologische Medikamente vor der Markteinführung stehen. Die Behandlung wird damit für die Patienten in einigen Situationen wesentlich wirksamer und zum Teil nebenwirkungsärmer sein. Wie in der Vergangenheit werden wir auch mit diesen neuen Molekülen erst in den kommenden Jahren das wirkliche klinische Potenzial ausloten können.
Statement
Anmerkung: Die Firmen versuchen heute ein neues Medikament nicht nach klinischer Optimierung sondern nach Marktgesichtspunkten zu platzieren, möglichst für die häufigen Indikationen, wodurch gerade seltene Erkrankungen das Nachsehen haben. Es wird in Zeiten begrenzter Ressourcen und zunehmender Ver-
bürokratisierung der Forschungsland-
schaft eine ebenso wichtige Aufgabe
sein, dass wir wieder sinnvoll und effizient
mit den Behörden und der pharmazeuti-
schen Industrie zusammenarbeiten kön-
nen. Zum jetzigen Zeitpunkt stehen wir
fast vor einem Zusammenbruch der klini-
schen Studien, da die geforderten
behördlichen Auflagen zunehmend ab-
surd sind und die Kosten ins Unermess-
liche treiben. Erst wenn sich die Patienten
selbst auch einschalten, wird die Politik
hier die notwendigen Schritte einleiten:
Erste «Morgenröte am Horizont» ist durch
die Bewegung der «Patients Advocacy»
sichtbar. Wir sind noch weit davon ent-
fernt, ohne weitere intensive klinische For-
schung das Optimum in der Verwendung
dieser Medikamente mit den bisherigen
Substanzen zu kennen. Es ist zu hoffen,
dass das derzeit erschwerte Umfeld für
die klinische Forschung in der westlichen
Welt wieder in normale Bahnen zurückfin-
den wird.
▲
Professor Dr. med. Thomas Cerny Chefarzt Onkologie und Hämatologie
Departement für Innere Medizin Kantonsspital 9007 St.Gallen
E-Mail: thomas.cerny@kssg.ch
Vorschau
International Skin Cancer Conference 2004
Datum: 22. bis 24. Juli 2004
Ort: Zürich, ETH-Hauptgebäude
Programm:
www.skincancer.ch
Die Dermatologische Klinik des Universitätsspitals Zürich führt – nach dem erfolgreichen «8th World Congress on Cancers of the Skin» 2001 – einen internationalen Kongress zum Thema Hautkrebs durch, dem die Jahrestagungen der European Association for Dermatological Oncology (EADO) und der International Society for Cutaneous Lymphomas (ISCL) angeschlossen sind.
▲ Plenarvorträge zu Grundlagenforschung, Epidemiologie und Klinik sowie Therapie von Hauttumoren
▲ spezialisierte Symposien ▲ praktischer Workshop zur Hautkrebschirurgie ▲ Biotechnologie-Forum ▲ firmenunterstützte Satellitensymposien ▲ Symposien der EADO und der ISCL ▲ freie Mitteilungen sowie Industrieausstellung.
Der internationale Hautkrebskongress wird unterstützt durch die Krebsliga Schweiz, das Bundesamt für Gesundheit, die Internationale Gesellschaft zur Krebsbekämpfung und die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie.
Weitere Informationen: www.skincancer.ch oder: Kongresssekretariat Tel. 01-255 88 37 E-Mail: nicole.fauchere@usz.ch
PD Dr. med. Frank O. Nestle Dermatologische Klinik UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich
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